Geisteswissenschaft / Philosophie Was ist Aufklärung?

@Mareike

Da du Dennett erwähnst, hier noch ein paar Ergänzungen zu meiner gestrigen Erwähnung dieses Philosophen: daß ich gerade auf Daniel Dennett als Vertreter modernen aufgeklärten Denkens hingewiesen habe, war nicht ganz zufällig. Dennett gehört zu einer Gruppe von Denkern, die sich "the brights" nennen, ganz offensichtlich in Anspielung auf das englische Wort für Aufklärung, enlightenment.

Das Interview mit Dennett, das du erwähnst, habe ich nicht gesehen, aber in den letzten Jahren mehrere seiner Bücher gelesen. Was ich an ihm schätze, ist die Klarheit seines Denkens und seiner Sprache, die Gründlichkeit seiner Argumentation, und die profunden Kenntnisse vor allem auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, aus denen sein Denken gespeist wird.

Den Begriff Materialismus würde ich nicht verwenden wollen, da er im Grunde inhaltsleer ist, seit die moderne Physik entdeckt hat, daß wir gar nicht wissen (und vielleicht nie wissen werden), was Materie eigentlich ist (Stichwort Teilchen-Welle-Dualismus). In der Philosphie gilt Dennett als Vertreter des sog. Naturalismus.

Zu der Frage, mit der du deinen Beitrag überschreibst: Was sind wir Menschen? traue ich mir keine Stellungnahme zu, schon gar nicht bei diesem schwül-warmen Wetter.

Die Frage: "Was sind wir Menschen" bezog sich auf das Video:

Ja, er denkt und formuliert sehr klar. Ich werde mich gewiss näher mit ihm befassen!

Ich habe es mir auch angehört.
So richtig überzeugt hat er mich nicht,
Z. B. die Passage mit den Sinnesorganen.
Er misst dem, so wie ich ihn verstanden habe, keine große Bedeutung zu.

Ich kann 1001 Bücher lesen über den Geschmack von Eis.
Aber wenn ich Eis irgendwann mal selber esse, kommen unsere Sinnesorgane
hinzu. Geschmackssinn und Geruchssinn.
Diese Erfahrung kann ich mir nicht anlesen. Das geht nicht.

Ich kann auch 1001 Bücher darüber lesen, wie ein Symphonisches Orchester klingt.
Aber wenn ich es zum ersten mal höre, kommt eine völlig andere Ebene hinzu.

In manchem drückt der Professor für Philosophie sich recht umständlich
aus.
Denkt der tatsächlich, dass wir wissen können, wie sich eine Fledermaus fühlt?
Oder wie sich eine Katze fühlt?
Ich weiß ja noch nicht mal, wie sich ein anderer Mensch fühlt,
Fühlt er die gleiche Trauer wie ich, wenn ein geliebter Mensch verstirbt?
Ich weiß es nicht. Vermute eher nicht.

Und seine Erklärung, wie Gott entstanden ist oder sein könnte, fand ich auch
etwas dürftig.
Es gab sehr unterschiedliche Gründe. Verschiedene Wege. Nicht nur einer.
Bei sog. Naturvölker in der Frühzeit andere, als in den frühen sog. Hochkulturen.

Er glaubt nicht an Gott. Ist auch o.k. Aber es mit dem Weihnachtsmann zu vergleichen
fand ich etwas profan.
Außerdem wird auch er an irgend etwas glauben, vielleicht an die Liebe oder
an " die Wissenschaft ", was weiß ich?? Ich hätte ihn gefragt: Herr Professor
an was glauben denn Sie?
Die Antwort hätte ich gerne gehört.

Ich glaube, dass Zigaretten rauchen mich beruhigt, was natürlich Quatsch ist,
aber da ich fest daran glaube, glaubt mein Gehirn es auch.

Zum dem was denn nun der freie Wille ist, ob es ihn gibt oder nicht.
Ich würde sagen: Ja, es gibt ihn und Nein, es gibt ihn nicht.
Wenn eines von beiden definitiv verifiziert würde, wäre es mir egal, denn es hätte
auf mein Leben keinerlei Einfluss, will sagen, es würde sich für mich rein
gar nichts ändern.

Hätte noch mehr zu sagen.

Aber jetzt muss ich eine rauchen!

Anna
 

Meine Tochter unterrichtet Kinder, die blind sind, manchmal zusätzlich gehörlos. Diese Kinder gelten als geistigbehindert. Dennoch gelingt es mitunter diese Kinder z B mittels Talker , aber auch über Körperkontakt, Tastsinn etc aus ihrer Isolation zu holen und sie entwickeln dann mitunter erstaunliche Fähigkeiten.
Ob sie sich das Gleiche unter Farben oder Musik vorstellen wie wir, scheint mir dann eher nebensächlich.

Na ja, mit dem Weihnachsmann meinte er wohl eine Illusion wie ...

Was der Prof glaubt?
Am Ende deutete er es an: Es reicht ihm die spirituelle Erfahrung, wenn er z B von Kompositionen von Bach in andere Sphären geführt wird. Warum nicht?

Ja, das sehe ich auch so, er wird von Bach in eine andere Sphäre geführt
und andere nennen es Gott, der die andere Sphäre ihnen ermöglicht
und wieder andere sagen Erleuchtung....

Mit den mehrfachbehinderten Kindern.
Da fällt auch mir etwas ein.
Eine Freundin hat Behindertenpädagogik studiert.
Sie hat in einem Hein gearbeitet mit mehrfach eingeschränkten Kindern.

In einem Zimmer lag ein 7jähriger Junge.
Meine Freundin sagte: Geh schon mal zu ihm rein, ich komme gleich.
Ich saß am Bett, der Junge gab merkwürdige quälende Geräusche von
sich. Er war blind und gehörlos und er konnte nicht laufen.

Ich wollte den Jungen trösten, strich im über seine Arme.
Aber er beruhigte sich nicht. Im Gegenteil. Er verzog noch qualvoller
sein Gesicht, gab heftige unwillige Laute von sich.

Ich unterließ die körperliche Berührungen.
Dann kam meine Freundin.
Sie sprach mit ihm und begann, seinen Körper zu streicheln.
Plötzlich klarte sein Gesicht auf. Man sah in seinem Gesicht eine
unendliche Glückseligkeit und er gab freudige Töne von sich,
während sie ihn immer weiter körperlich berührte.

Es war der haptische Sinneseindruck, der Junge kannte sie
und freute sich, dass sie da war.
Mich hat er als jemand völlig Fremdes erkannt.
Das hat ihm Unbehagen bereitet.

Auch dieser Junge hat die Welt über seinen Tastsinn erfasst.
Auch sie gab ihm unterschiedliche Gegenstände.
Es stimmt, was du sagst, es ist wirklich erstaunlich zu sehen,
wie sie die Welt erfahren......
Niemand weiß, was sich alles in unseren Gehirnen so abspielt.
Es gibt unterschiedliche Erklärungen.


Anna

Ich habe vergessen zu erwähnen, dass dieser Junge die Welt
über drei Sinne wahr nimmt: Den Geruchssinn, den Geschmackssinn
und den Tastsinn. Alle drei sind bei ihm sehr stark ausgeprägt.
Er hätte mich auch am Geruch als eine Fremde wahrgenommen.

Die Freundin meinte, sie hätte ihm einmal versehentlich etwas gegeben,
was er bereits kannte. Er griff kurz danach, schmiß es weg und macht Unmutslaute.

Sein Gehirn ist, wie bei allen anderen auch, auf das Lernen programmiert.
Auch sein Gehirn ist lernfähig und verändert sich.
War mir noch wichtig das anzumerken.

Anna

So ist es Anna.
Und ich kann Dir sagen: Aus den Erzählungen meiner Tochter entnehme ich immer wieder mit ERSTAUNEN was alles über diese "nur" 3 Sinnen: Geruch, Geschmack, Tasten, aber auch über Berührung und Bewegung gelernt und erfahren wird, und somit auch vermittelt werden kann. Wir, die sehen und hören und uns normal bewegen können (oder konnten ...), denken da im normal gar nicht darüber nach.

Hier setzt ja die Sonderpädagogik an.

Vor Kurzem erzählte meiner Tochter von einem ihrer Schüler, 13 Jahre alt, der sich bei ihr innerhalb von wenigen Jahren von einem sprachlosen, aggressiven , hilflosen, scheienden Kind in einen aufgeweckten, intelligenten Jungen verwandelte. Für ihn war der Talker der Schlüssel zur Welt. In kürzester Zeit lernte er lesen und schreiben, er hat eine unglaubliche Auffassungsgabe.

Weil er auf anderer Weise lernt, sich aneignet, kommt es mitunter zu Begebenheiten, die auf uns befremmtlich oder irrsinnig komisch wirken.
Als Beispiel, es passt zum Thema Aufklärung im engeren Sinne:
Nach einer Unterrichtsstunde Sexualkunde meinte der Schüler: Also gut Frau K........, das habe ich soweit verstanden. Könnten wir Beiden das jetzt auch mal machen?

Ja, Mareike, das ist wirklich klasse, das, was du schreibst.
Über diesen 7jährigen Jungen hat mir damals meine Freundin auch
erstaunliches berichtet.

Aber mal zurück zu dem Prof.: Meint er wirklich, dass die Sinneserfahrung
keinerlei Bedeutung haben oder nur unwesentliche?
Und was meint er mit dem Beispiel mit der Fledermaus?
Das habe ich vielleicht nicht richtig verstanden.

Und mit Gott oder einem höheren Wesen, so viel ich weiß, begann es, als
Menschen anfingen, ihre Toten zu begraben und sich diesbezüglich Fragen zu
stellen.

Habe im Internet noch einiges über ihn gelesen.
Wenn ich ehrlich bin, werde ich nicht ganz schlau aus ihm. (???)

Anna

.............
Ich weiß ja noch nicht mal, wie sich ein anderer Mensch fühlt,
Fühlt er die gleiche Trauer wie ich, wenn ein geliebter Mensch verstirbt?
Ich weiß es nicht. Vermute eher nicht.


 

Genau das ist es, was mich beschäftigt. Und zwar grundsätzlich.
Denn dieses Nicht-Wissen ist´s, warum Menschen sich nicht verstehen, oder miss-verstehen.
Dass wir die gleiche Sprache sprechen, bedeutet noch längst nicht, dass wir uns verständigen können.
Auch das Gerede über Mimik und dergl. geht am Grundsätzlichen vorbei.
Es braucht immer eine gemeinsame Basis, um sich annähern zu können.
Wenn diese Basis nicht vorhanden ist und wenn man nicht bereit ist diese gemeinsame Basis herzustellen, ist alles Gerede sinnlos, ist dann gewissermaßen eine Illusion im Sinne von Dennett. Zumindest verstehe ich Dennett so 😉.

Es lässt sich ja schon in diesem Thread beobachten.
Obwohl wir uns hier in einer wohlwollenden Atmosphäre austauschen, brauchen wir erstmal eine Basis, um wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen.
Als Basis hatte ich den Beitrag von Weilmeier vorgeschlagen.

Oder z B das Mary- Gedanken - Experiment: "Eine Neurowissenschaftlerin namens Mary, die in einem Schwarz-Weiß-Raum lebt, aber sämtliches Wissen über Farben zur Verfügung hat, einschließlich der Erlebnisberichte der Menschen draußen in der Farbenwelt."
Wie könnten wir uns spontan darüber austauschen ohne nicht beide bereits von diesem Experiment erfahren zu haben? Das ginge doch nur, wenn dann zumindest Raum und Zeit und Bereitschaft vorhanden wäre, fürs Erzählen, Zuhören, NACH-DENKEN.

L G
Mareike

.............
Ich weiß ja noch nicht mal, wie sich ein anderer Mensch fühlt,
Fühlt er die gleiche Trauer wie ich, wenn ein geliebter Mensch verstirbt?
Ich weiß es nicht. Vermute eher nicht.


 

Genau das ist es, was mich beschäftigt. Und zwar grundsätzlich.
Denn dieses Nicht-Wissen ist´s, warum Menschen sich nicht verstehen, oder miss-verstehen.
Dass wir die gleiche Sprache sprechen, bedeutet noch längst nicht, dass wir uns verständigen können.
Auch das Gerede über Mimik und dergl. geht am Grundsätzlichen vorbei.
Es braucht immer eine gemeinsame Basis, um sich annähern zu können.
Wenn diese Basis nicht vorhanden ist und wenn man nicht bereit ist diese gemeinsame Basis herzustellen, ist alles Gerede sinnlos, ist dann gewissermaßen eine Illusion im Sinne von Dennett. Zumindest verstehe ich Dennett so 😉.

....nicht vollständig zitiert

L G
Mareike

Das was ihr, du @Anna842 und du @Mareike hier ausgeführt habt, ist etwas ganz Entscheidendes, was eine gute Kommunikation immer wieder stört. Was in einen anderen Menschen hineingedacht wird, hat sehr viel mit dem eigenen Denken und Fühlen zu tun. Man "beurteilt" einen anderen so, wie man ihn/sie mit seinen eigenen Möglichkeiten wahrnimmt. Wissen, wie sich ein Mensch fühlt und wo er/sie gerade auf seinem/ihrem Lebensweg steht, kann man nur dann, wenn man sich mit ihm/ihr in aller Offenheit ausgetauscht und wirklich "zugehört" hat. Voraussetzung dafür ist auch ein wirkliches Interesse an diesem anderen Menschen.

Danke dafür,  dass dies hier so klar formuliert wurde.

LG
Roxanna