Literatur Ich suche ein Gedicht ...

Liebe belese Forumsgemeinschaft,

als ich vor ein paar Tagen im Seniorenheim eine alte Dame besuchte, konnte diese in einem wachen Moment ein Gedicht rezitieren und erstaunlich viele Verse auswendig, sie kam jedoch nicht bis zum Ende und konnte mir auf Nachfrage auch nicht mehr die ersten Zeilen nennen, mit denen ich das Gedicht vielleicht im Internet gefunden hätte. Es war auf jeden Fall ein altes Gedicht, gefühlt ein Klassiker, vielleicht kann mir hier jemand bei meiner Suche helfen?

Das Gedicht startete mit den erschöpften Worten eines Mannes, der unterwegs war (sinngemäß: 7 (oder viele) Jahre, ich kann nicht mehr ...) dann setzte er sich an Wegrand. Dann kam wieder länger Text und dann schaute er Richtung Waldrand.

Viel mehr ist mir bei meinem schlechten Gedächtnis leider nicht hängen geblieben, aber vielleicht weiß trotzdem jemand, welches Gedicht ich suche?

Über Hilfe würde ich mich sehr freuen!
(Und sollte das Thema hier falsch platziert sein, bitte ich um Hinweis/Verschiebung)

Vielen Dank und viele Grüße
Susanne

Hallo Susanne,
du glaub, ich hab's gefunden. guck mal hier:

Ich wusste noch, dass ich ein Gedicht mit diesem Anfang kenne: "Ich hab es getragen sieben Jahr". Und weil ich mich an den Anfang erinnert habe, konnte ich gezielt danach suchen.

Wow, Marina,
ich kann es gar nicht glauben, daß waren ja keine 5 Minuten nach der Veröffentlichung! Herzlichen Dank, ich bin sehr beglückt und die Dame sicher noch mehr, wenn wir es das nächste mal dann zusammen bis zum Ende lesen/rezitieren können! Bin sehr happy, vielen vielen vielen Dank!
Grüßle Susanne

Hallo Susanne, das freut mich jetzt wirklich sehr.
Ich hatte deinen Beitrag gelesen, und im gleichen Moment fiel mir die erste Zeile ein. Ich hätte aber auch sonst nichts mehr von dem Gedicht gewusst und habe mich dann selber gefreut, dass es so leicht zu finden war.

Dann grüß mal die Dame unbekannterweise von mir. Kannst ja den alten Poesialbumsspruch zitieren: " . . . denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eig'ne Herz zurück". Ist zwar ein bisschen ktischig und weniger literarisch als Fontane, aber stimmt trotzdem.

Spontan fällt mir nur eine Ballade ein

Archibald Douglas

"Ich hab' es getragen sieben Jahr,
Und ich kann es nicht tragen mehr!
Wo immer die Welt am schönsten war,
Da war sie öd' und leer.

Ich will hintreten vor sein Gesicht
In dieser Knechtsgestalt,
Er kann meine Bitte versagen nicht,
Ich bin ja worden alt.

Und trüg' er noch den alten Groll,
Frisch wie am ersten Tag,
So komme, was da kommen soll,
Und komme, was da mag."

Graf Douglas spricht's. Am Weg ein Stein
Lud ihn zu harter Ruh,
Er sah in Wald und Feld hinein,
Die Augen fielen ihm zu.

Er trug einen Harnisch 1), rostig und schwer,
Darüber ein Pilgerkleid. -
Da horch! vom Waldrand scholl es her
Wie von Hörnern und Jagdgeleit.

Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,
her jagte Meut' und Mann,
Und ehe der Graf sich aufgericht't,
Waren Ross und Reiter heran.

König Jakob saß auf hohem Ross,
Graf Douglas grüßte tief,
Dem König das Blut in die Wange schoss,
Der Douglas aber rief:

"König Jakob, schaue mich gnädig an
Und höre mich in Geduld,
Was meine Brüder dir angetan,
Es war nicht meine Schuld.

Denk nicht an den alten Douglas-Neid,
Der trotzig dich bekriegt,
Denk lieber an deine Kinderzeit,
Wo ich dich auf den Knien gewiegt.

Denk lieber zurück an Stirling-Schloss,
Wo ich Spielzeug dir geschnitzt,
Dich gehoben auf deines Vaters Ross
Und Pfeile dir zugespitzt.

Denk lieber zurück an Linlithgow,
An den See und den Vogelherd,
Wo ich dich fischen und jagen froh
Und schwimmen und springen gelehrt.

O denk an alles, was einsten war,
Und sänftige deinen Sinn,
Ich hab' es gebüßet sieben Jahr,
Dass ich ein Douglas bin."

"Ich seh' dich nicht, Graf Archibald,
Ich hör' deine Stimme nicht,
Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald
Von alten Zeiten spricht.

Mir klingt das Rauschen süß und traut,
Ich lausch' ihm immer noch,
Dazwischen aber klingt es laut:
Er ist ein Douglas doch.

Ich seh' dich nicht, ich höre dich nicht,
Das ist alles, was ich kann,
Ein Douglas vor meinem Angesicht
Wär' ein verlorener Mann."

König Jakob gab seinem Ross den Sporn,
Bergan ging jetzt sein Ritt,
Graf Douglas fasste den Zügel vorn
Und hielt mit dem Könige Schritt.

Der Weg war steil, und die Sonne stach,
Und sein Panzerhemd war schwer,
Doch ob er schier zusammenbrach,
Er lief doch nebenher.

"König Jakob, ich war dein Seneschall 2),
Ich will es nicht fürder sein,
Ich will nur warten dein Ross im Stall
Und ihm schütten die Körner ein.

Ich will ihm selber machen die Streu
Und es tränken mit eig'ner Hand,
Nur lass mich atmen wieder aufs Neu
Die Luft im Vaterland.

Und willst du nicht, so hab' einen Mut,
Und ich will es danken dir,
Und zieh dein Schwert und triff mich gut
Und lass mich sterben hier."

König Jakob sprang herab vom Pferd,
Hell leuchtete sein Gesicht,
Aus der Scheide zog er sein breites Schwert,
Aber fallen ließ er es nicht.

"Nimm's hin, nimm's hin und trag es neu,
Und bewache mir meine Ruh',
Der ist in tiefster Seele treu,
Wer die Heimat liebt wie du.

Zu Ross, wir reiten nach Linlithgow,
Und du reitest an meiner Seit',
Da wollen wir fischen und jagen froh,
Als wie in alter Zeit."

Theodor Fontane
(Erstdruck 1856)

Bin gespannt, ob es das ist. Vielleicht kommen ja noch mehr Vorschläge.

Meli

Sorry, so kommt es.
Deinen Beitrag gelesen, gedacht, das ist es und völlig übersehen,
dass der Link schon da ist.

Meli

Hier die musikalische Version gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau

Habe mich gefreut. Danke schön.

Ich habe gerade hier vorbei geschaut und Neues entdecken können. Einfach wunderbar! Als Liebhaberin der schönen Künste, insbesondere auch der klass. Musik, war es ein Vergnügen nicht nur die Verse zu lesen sondern auch die Vertonung zu hören. Fontane und Loewe ergänzen sich wunderbar. Und Fischer-Dieskau! Hervorragende Interpretation!
Loewe war neben Franz Schubert ein bedeutender Liederkomponist.

LG Sirona

Das wär wohl ein Zufall wenn es um dieses Gedicht ginge
*
Mein Baum

Des Windes kräft’ger Raub
das Laub
Ihm fehlt sein Grün,
sein Antlitz ist blank
und krank sieht er aus,
mein Baum

Und doch mag ich ihn
Ja, ich setz mich zu seinen Füßen
und seh runter ins Tal
- schmal sind die Gassen
und winzig die Häuser

Und langsam, gemächlich
zieht der weißgraue Nebel
über die hängenden Felder
den steilen Weg bergan
tief gebückt als küsst
er all die Wiesen und Wälder
und zart, mit streichelnder Hand
verband er mich und meinen Baum

Und gleich einem Traum
hör ich ihn atmen
seufzen, raunen
und kann nur staunen
über so viel Leben
so viel Kraft
und hoffen, dass er es
im Frühling wieder schafft