Literatur Lyrik/Gedichte für Liebhaber
Sternenklare Nächte
der Mond zum greifen nah.
Verschlafene kleine Dörfer
Der Wald steht schweigend da.
Die Baumwipfel verborgen,
In dunklem Grau versteckt.
Des Nebels dicker Mantel
hat alles zugedeckt.
Der kleine Bach ist zugefroren,
säuselt leis im Traum..!
Bizarr und dennoch wunderschön
Ist alles an zuschauen..!
01/2023
Liebesjubel
Ich ritzt' es gern in alle Rüben ein,
ich stampft' es gern in jeden Pflasterstein,
ich biss' es gern in jeden Apfel rot,
ich strich' es gern auf jedes Butterbrot,
auf Wand, Tisch, Boden, Fenster möcht' ich's schreiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!
Ich schör' es gern in jede Taxusheck,
graviert' es gern in jedes Essbesteck,
ich sät' es gern als lecker grüne Saat
ins Gartenbeet mit Kohlkopf und Salat,
in alle Marzipane möcht' ich's drücken
und spicken gern in alle Hasenrücken
und zuckerzäh auf alle Torten treiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!
Ich möcht' mir ziehn ein junges Känguruh,
bis dass es spräch' die Worte immerzu;
zehn junge Kälbchen sollen froh sie brüllen;
hell wiehern hundert buntgescheckte Füllen;
trompeten eine Elefantenherde-
ja, was nur kreucht und fleucht auf dieser Erde,
das soll sie schmettern, pfeifen, quaken, bellen,
bis dass es dröhnt in allen Trommelfellen
mit einem Lärm, der gar nicht zu beschreiben
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!!!
Hanns Freiherr von Gumppenberg (1866-1928)
Wenn′s mitternächtigt und nicht Mond
noch Stern das Himmelshaus bewohnt,
läuft zwölfmal durch das Himmelshaus
die Mitternachtsmaus.
Sie pfeift auf ihrem kleinen Maul, -
lm Traume brüllt der Höllengaul . . .
Doch ruhig läuft ihr Pensum aus
die Mitternachtsmaus.
Ihr Herr, der große weiße Geist,
ist nämlich solche Nacht verreist.
Wohl ihm! Es hütet ihm sein Haus
die Mitternachtsmaus.
(aus "Galgenlieder")
Schubert hat es vertont: "Ich schnitt es gern in alle Rinden ein ..."
Ein Video mochte ich nicht einstellen, die verfügbaren gefallen mir nicht.
Grüße von Allegra
dank deines Hinweises habe ich etwas dazugelernt.
Ich wollte mir die vertonte Version anhören und habe dabei entdeckt. dass wir von unterschiedlichen Texten sprechen.
"Liebesjubel" von Hanns Freiherr von Gumppenberg (1866-1928) ist eine Parodie auf das Gedicht
"UNGEDULD" von Wilhelm Müller.
Ich freu´ mich über unseren bereichernden Austausch.
LG Lisa🌞
Musik: Franz Schubert (1797-1828)
Ungeduld
Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein,
Ich grüb' es gern in jeden Kieselstein,
Ich möchte es sä'n auf jedes frische Beet
Mit Kressensamen, der es schnell verrät,
Auf jeden weißen Zettel möcht ich's schreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Ich möchte mir ziehen einen jungen Star,
Bis daß er spräch' die Worte rein und klar,
Bis er sie spräch' mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem, heißen Drang;
Dann säng' er hell durch ihre Fensterscheiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Den Morgenwinden möchte ich's hauchen ein,
Ich möchte es säuseln durch den regen Hain;
O, leuchtet' es aus jedem Blumenstern!
Trüg' es der Duft zu ihr von nah und fern!
Ihr Wogen, könnt ihr nichts als Räder treiben?
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.
Ich meint', es müßt' in meinen Augen stehn,
Auf meinen Wangen müßt' mans' brennen sehn,
Zu lesen wär's auf meinem stummen Mund,
Ein jeder Atemzug gäb's laut ihr kund;
Und sie merkt nichts von all dem bangen Treiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!
Wolfgang - Vielen Dank für das 'Hesse Projekt'. Ich werde noch weiter darin stöbern. Nicht nur Hesse wegen, sondern weil ich bekannte Namen von Rezitatoren las. Ich bin gespannt, was ich sonst noch finde.
Jetzt habe ich das von Dir eingestellte Gedicht in schriftlicher Form gefunden.
Die Sonne spricht zu uns mit Licht,
Mit Duft und Farbe spricht die Blume,
Mit Wolken, Schnee und Regen spricht
Die Luft. Es lebt im Heiligtume
Der Welt ein unstillbarer Drang,
Der Dinge Stummheit zu durchbrechen,
In Wort, Gebärde, Farbe, Klang
Des Seins Geheimnis auszusprechen.
Hier strömt der Künste lichter Quell,
Es ringt nach Wort, nach Offenbarung,
Nach Geist die Welt und kündet hell
Aus Menschenlippen ewige Erfahrung.
Nach Sprache sehnt sich alles Leben,
In Wort und Zahl, in Farbe, Linie, Ton
Beschwört sich unser dumpfes Streben
Und baut des Sinnes immer höhern Thron.
In einer Blume Rot und Blau,
In eines Dichters Worte wendet
Nach innen sich der Schöpfung Bau,
Der stets beginnt und niemals endet.
Und wo sich Wort und Ton gesellt,
Wo Lied erklingt, Kunst sich entfaltet,
Wird jedesmal der Sinn der Welt,
Des ganzen Daseins neu gestaltet,
Und jedes Lied und jedes Buch
Und jedes Bild ist ein Enthüllen,
Ein neuer, tausendster Versuch,
Des Lebens Einheit zu erfüllen.
In diese Einheit einzugehn
Lockt euch die Dichtung, die Musik,
Der Schöpfung Vielfalt zu verstehn
Genügt ein einziger Spiegelblick.
Was uns Verworrenes begegnet,
Wird klar und einfach im Gedicht:
Die Blume lacht, die Wolke regnet,
Die Welt hat Sinn, das Stumme spricht.
Hermann Hesse
Gruss Inge
Dass Gott in jedem von uns lebt,
dass jeder Fleck Erde uns Heimat sei,
jeder Mensch uns verwandt und Bruder ist,
dass das Wissen um diese göttliche Einheit alle Trennung in Rassen,
Völker, in Reich und Arm, in Bekenntnisse und Parteien als Spuk und Täuschung entlarvt --
das ist der Punkt, auf den wir zurückkehren,
wenn furchtbare Not oder zarte Rührung unser Ohr geöffnet
und unser Herz wieder liebefähig gemacht hat.
HERMANN HESSE
(In Memoriam Roger Willemsen)
DAS ZEITGEDICHT
Ich euch gewissen · ich euch stimme dringe
Durch euren unmut der verwirft und flucht:
»Nur niedre herrschen noch · die edlen starben:
Verschwemmt ist glaube und verdorrt ist liebe.
Wie flüchten wir aus dem verwesten ball?«
Lasst euch die fackel halten wo verderben
Der zeit uns zehrt · wo ihr es schafft durch eigne
Erhizte sinne und zersplissnes herz.
Ihr wandet so das haupt bis ihr die Schönen
Die Grossen nicht mehr saht – um sie zu leugnen
Und stürztet ihre alt- und neuen bilder.
Ihr hobet über Körper weg und Boden
Aus rauch und staub und dunst den bau · schon wuchsen
In riesenformen mauern bogen türme –
Doch das gewölk das höher schwebte ahnte
Die stunde lang voraus wo er verfiel.
Dann krochet ihr in höhlen ein und riefet:
»Es ist kein tag. Nur wer den leib aus sich
Ertötet hat der lösung lohn: die dauer.«
So schmolzen ehmals blass und fiebernd sucher
Des golds ihr erz mit wässern in dem tiegel
Und draussen gingen viele sonnenwege ..
Da ihr aus gift und kot die seele kochtet
Verspriztet ihr der guten säfte rest.
Ich sah die nun jahrtausendalten augen
Der könige aus stein von unsren träumen
Von unsren tränen schwer .. sie wie wir wussten:
Mit wüsten wechseln gärten · frost mit glut ·
Nacht kommt für helle – busse für das glück.
Und schlingt das dunkel uns und unsre trauer:
Eins das von je war (keiner kennt es) währet
Und blum und jugend lacht und sang erklingt.
(Stefan George)
Das Hesse-Projekt.
Gedanken mit und zur Musik von Hermann Hesse, gesprochen von Caterina Valente.
Gruss Inge