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Literatur Vergessene Dichter und Gedichte

welling
welling
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von welling
als Antwort auf yankee vom 03.03.2009, 10:24:26
Ich gebe euch nur den Text eines Gedichts ohne weitere Angaben, weil ich es an anderer Stelle als Rätsel eingestellt habe. Daran dürft ihr euch gerne beteiligen.

Soll ich in mir selbst verschmachten,
Und in Liebe ganz vergehn?
Wird das Schicksal mein nicht achten,
Dieses Sinnen, dieses Trachten
Immer unerhörend sehn?

Bin ich denn so ganz verloren,
Den Verstoßnen zugereiht?
O beglückt, wer auserkohren,
Für die Künste nur gebohren,
Ihnen Herz und Leben weiht!

Ach mein Glück liegt wohl noch ferne,
Kömmt noch lange mir nicht nah!
Freilich zweifelt' ich so gerne, -
Doch noch oft drehn sich die Sterne, -
Endlich, endlich ist es da!

Dann ohne Säumen,
Nach langen Träumen,
Nach tiefer Ruh,
Durch Wies' und Wälder,
Durch blüh'nde Felder
Der Heimath zu!
Mir dann entgegen
Fliegen mit Seegen
Genien, bekränzt,
Strahlen-umglänzt:
Sie führen den Müden
Dem süßen Frieden,
Den Freuden, der Ruh,
Der Kunstheimath zu!

Gruß

welling
paloma
paloma
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von paloma
als Antwort auf oessilady vom 02.03.2009, 18:07:05
Auch ich möchte von meinem Lieblings-Schriftsteller etwas schreiben:
Hinter den Tannen von Theodor Storm

Sonnenschein auf grünem Rasen,
Krokus drinnen blau und blass;
und zwei Mädchenhände tauchen
Blumen Pflückend in das Gras.

Und ei Junge kniet daneben,
gar ein übermütig Blut;
und sie schaun sich an und lachen.
Oh wie kenn ich sie so gut.

Hinter jenen Tannen war es,
jene Wiese schließt es ein,
schöne Zeit der Blumensträuße,
stiller Sommersonnenschein
--
paloma
longtime
longtime
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von longtime
als Antwort auf paloma vom 03.03.2009, 17:46:58
Auch ein fast vergessener Poet, der aber eigentlich ein Theologe war, aus der Biedermeier-Zeit, sogar ein Jugendfreund Mörikes:


David Friedrich Strauß:

Wer weiß zu leben? Wer zu leiden weiß.
Wer zu genießen? Der zu meiden weiß.

Wer ist der Reiche? Der sich beim Ertrag
des eigenen Fleißes zu bescheiden weiß.

Wer lenkt die Herzen? Der den herben Ernst
stets in heitres Wort zu kleiden weiß.

Wer ist der Weise? Der das falsche Gold
vom echten schnell zu unterscheiden weiß.

Und wer der Fromme? Der vom Menschen wohl,
doch nichts von Christen oder Heiden weiß.

--
longtime

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Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf longtime vom 05.03.2009, 07:15:21
Das fand ich in meinem abgeblätterten Gedichtsheft:



Die Söhne Haruns (C. F. Meyer)

Harun sprach zu seinen Kindern Assur, Assad, Scheherban:
"Söhne, werdet ihr vollenden, was ich kühnen Muts begann?
Seit ich Bagdads Thron bestiegen, bin von Feinden ich umgeben!
Wie befestigt ihr die Herrschaft? Wie verteidigt ihr mein Leben?"

Assur ruft, der feurig schlanke: "Schleunig werb ich dir ein Heer,
Zimmre Masten, webe Segel! Ich bevölkre dir das Meer!
Rosse schul ich. Säbel schmied ich. Ich erbaue dir Kastelle.
Dir gehören Stadt und Wüste! Dir gehorchen Strand und Welle!"

Assad mit der schlauen Miene sinnt und äussert sich bedächtig:
"Sicher schaff ich deinen Schlummer, Sorgen machen übernächtig.
Dass du dich des Lebens freuest, bleibe Vater, meine Sache!
Über jedem deiner Schritte halten hundert Augen Wache!

Wirte, Kuppler und Barbiere, jedem setz ich einen Sold,
Dass sie alle mir berichten, wer dich liebt und wer dir grollt."
Harun lächelt. Zu dem Jüngsten, seinem Liebling, sagt er: "Ruhst du?
Wie beschämst du deine Brüder? Zarter Scheherban, was tust du?"

"Vater", redet jetzt der Jüngste, keusch errötend, "es ist gut
Dass ein Tropfen rinne nieder warm ins Volk aus deinem Blut!
Über ungezählte Lose bist allmächtig du auf Erden,
Das ist Raub an deinen Brüdern - und du wirst gerichtet werden!

Dein erhaben Los zu sühnen, das sich türmt den Blitzen zu
Lass mich in des Lebens dunkle Tiefe niedertauchen du!
Such mich nicht! Ich ging verloren! Sende weder Kleid noch Spende!
Wie der Ärmste will ich leben von der Arbeit meiner Hände!

Hörest du die Strasse rauschen unter deinem Marmorschloss?
Morgen bin ich dieser Menge namenloser Tischgenoss -
Blickst du nieder auf die vielen Unbekannten, die dir dienen,
Einer segnet dich vom Morgen bis zum Abend unter ihnen!"



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--
meli
Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.03.2009, 12:18:26

--
melihttp://up.picr.de/1933360.jpg[/IMG]]Die Söhne Haruns

Ob das jetzt so klappt, weiß ich nicht, aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es nie wissen.
Das wäre - falls es nicht klappen sollte - ein Auszug aus meinem Gedichtsheft!!!!
Das obig Geschriebene habe ich natürlich kopiert.

Also, gleich werd ich's wissen.
majana
majana
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von majana
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.03.2009, 13:21:17
Augenblick

Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa mögen kommen;
der Augenblick ist mein,
und nehm ich den in acht,
so ist der mein,
der Zeit und Ewigkeit gemacht.

Andreas Gryphius, (1616 - 1664)

--
majana

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enigma
enigma
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von enigma
als Antwort auf majana vom 05.03.2009, 15:04:08
Ich habe auch noch was, über den Link, den Yankee eingestellt hat, erschlossen.

Bei den “Deutschen Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart” habe ich u.a. auch das folgende Gedicht gefunden:

GEGEN AMOR

Der kleine Wüterich mag mit den Pfeilen spielen
und tändeln, wie er will: er gewinnet mir nichts ab,
weil gegen seine Pfeil ein Demant Herz ich hab.
Er machet mich nicht wund, ich darf nit Schmerzen fühlen.
Er mag mit tausend List auf meine Freyheit zielen.
Ihm ich, dem blinden Kind, ein Zucker-Zeltlein gab:
er meint', es wär mein Herz. O leicht-geteuschter Knab!
Ich will mein Mütlein noch an deiner Einfalt kühlen.
Schau, wie gefällt dir das! trotz, spräng mir diesen Stein
mit deinem goldnen Pfeil. Der Lorbeer soll mich zieren,
nicht deine Dornen-Ros' und Myrten-Sträuchelein.
Du meinst es sey nur Scherz, ich wolle mich vexiren.
Nein! nein! die süße Ruh soll mir das Liebste seyn,
mein dapfers Herz soll nichts als Ruh und Freyheit spüren.

Es stammt von Catarina Regina von Greiffenberg und ist hier zu finden.

Vielleicht wollte sie nichts als “Ruh und Freiheit spüren”, weil sie gegen ihren Willen schließlich doch ihren (vermutlich wesentlich älteren) Onkel geheiratet hat.
Das habe ich der kleinen Biografie entnommen, die jeweils den Gedichten auf den nett aufgemachten Seiten vorangestellt ist.

Gruß

--
enigma
welling
welling
Mitglied

Re: Vergessene Dichter und Gedichte
geschrieben von welling
als Antwort auf enigma vom 05.03.2009, 15:17:29
Sollte die Kleiderfrage für die kommende Saison noch nicht geklärt sein, mag dies als kleine Hilfe dienen:

Die Poetischen Schneider

Nur vom Ganzen frisch gerissen,
Eh die Ware ganz verschlissen,
Hier ein uralt gülden Stück,
gibt so'n gewissen frommen Blick,
Hier ein bunter welscher Flick,
Drauf ein Stück Hausleinewand
Macht das Welsche erst pikant.
Hie 'nen Fetzen Bärenhaut,
Daß man auch das Deutsche schaut,
Drüber einen spanschen Kragen:
Das Erhabne wird behagen!
Frisch gestichelt, fein zum Werke,
Und wird auch nichts ganzes draus,
Sieht es doch gar niedlich aus!

Josef von Eichendorff

Er wurde am 10. März 1788 geboren, ein Grund, an diesen hervorragenden Vertreter der Spätromantik (auch jüngere oder Hochromantik genannt) zu denken.

(Zitiert habe ich den Text aus "Dichtung der Romantik" Bd. 9 (Lyrik), er findet sich dort im Bereich Scherz, Satire, Ironie, Hamburg 1961)

--
welling
longtime
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Mitglied

Re: Nicht vergessen : "Großus Bärus"
geschrieben von longtime
als Antwort auf welling vom 10.03.2009, 21:05:20
Poeta ignotus:
Großus Bärus

In des Waldes tiefsten Gründen
Ist ein großer Bär zu finden.
In des Waldus tieftus Gründus
Ist ein großus Bärus findus.
In des Waldchim tiefstchim Gründchim
Ist ein großchim Bärchim findchim.
In des Waldoli tiefstoli Gründoli
Ist ein großoli Bäroli findoli.
In des Waldlatsch tiefstlatsch Gründlatsch
Ist ein großlatsch Bärlatsch findlatsch.

*
Dieses hochkomische Gedicht hat viele poetische Väter:
Der Anfang geht zurück auf den romantischen Schauerroman "Rinaldo Rinaldini" von Christian August Vulpius (1762-1827); aber auch Friedrich Schillers (1759-1805) Gedicht "Kassandra" stand Pate(r) Ursus et Latinus; mit den Zeilen:

"In des Waldes tiefsten Gründen
ist ein großer Bär zu finden".

Der reimende und singende Volksmund hat an diesen Liedzeilen mitgetextet; die grammatikalisch wunderliche Fortsetzung hat wohl ein unbekannter Dichter des 19. Jh.s zu verantworten (oder ein gelangweilter intelligenter Schüler).

Allen Wörtern des alltäglichen Gebrauchs lassen sich mit Spaß und Eifer Silben anhängen, die das vertraute Wortwörtliche verlängern und verwandeln.
Das Sprachmontageprinzip hier ist zwar scheinbar ein infantil-einfaches, aber auch mit sprachwissenschaftlicher Konsequenz:
Parodistisch nachgeahmt wird die Flexion des Lateinischen, Hebräischen, Italienischen und Lettischen.
In Andreas Thalmayrs (= Hans Magnus Enzensbergers) berühmter Anthologie "Das Wasserzeichen der Poesie" (1986) ist als Textquelle ein Gymnasiasten-Liederbuch aus dem Jahre 1877 angegeben.

Wohl bekommus dasus Reimus undus Textus!

--
longtime
Medea
Medea
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Re: Nicht vergessen :
geschrieben von Medea
als Antwort auf longtime vom 11.03.2009, 04:03:26
Vielleicht paßt das auch ein wenig? Fällt mir gerade ein, als Kinder sangen wir dieses Liedlein mit großem Vergnügen.

Dro Chonoson mot dom Kontroboß,
do soßen of do Stroßon ond orzohlton soch wos.
Do kom do Polozo, frogt wos os dos?
Dro Chonoson mot dom Kontroboß.

Dri Chinisin mit dim Kintribiß,
di sißen if di Strißin ind irzihltin sich wis.
Di kim di Pilizi, frigt wis is dis?
Dri Chinisin mit di Kintribis.

Alla Vakala wardan darchgasangan and war hattan
graßan Spaß daran.

Medea

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