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Plaudereien Geschichten, Anekdoten und Mythen aus der Heimat

Blaustrumpf
Blaustrumpf
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Re: Geschichten, Anekdoten und Mythen aus der Heimat
geschrieben von Blaustrumpf
als Antwort auf clara vom 26.02.2012, 13:40:49

Blaustrumpf, sicher weißt Du von dem witzigen Streit der beiden Städte


Ja, Clara, weiß ich. Und da Du es auch weißt, ist Dir sicher meine Formulierung "dem größten bebauten Marktplatz" aufgefallen - ich würde mich hüten, diesen Streit neu zu entfachen, auch wenn er wirklich ganz witzig war...
Blaustrumpf
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Re: Carolsruhe
geschrieben von Blaustrumpf
als Antwort auf ehemaligesMitglied35 vom 26.02.2012, 14:35:59
[...] Eine Ergänzung von FR
Diese Sage wird oft variiert durch den Verlust des Fächers der Markgräfin, die übrigens eine Württembergerin war und demnach Pietistin und demnach prüde, so dass der Karl allen Grund hatte, sich mit den Tulpenmädchen – über diese wäre eigens zu handeln – zu umgeben, bei einer Jagd
geschrieben von FritzR


Über die Tulpenmädchen weiß ich ein bißchen was, aber allgemein bekannt ist das sicher nicht und daher bestimmt eine interessante Geschichte, die ich Dir aber nicht vorwegnehmen möchte.
Was ich nicht weiß: wann und wie kam die Bezeichnung zustande?
Blaustrumpf
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Re: Geschichten, Anekdoten und Mythen aus der Heimat
geschrieben von Blaustrumpf
@ all: ich freu mich mal wieder wie der sagenhafte Bolle darüber Teil dieses Forums zu sein - so viele schöne Geschichten - dankeschön...

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ehemaligesMitglied35
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Re: Carolsruhe
geschrieben von ehemaligesMitglied35
als Antwort auf Blaustrumpf vom 26.02.2012, 16:07:34
Über die Tulpenmädchen weiß ich ein bißchen was, aber allgemein bekannt ist das sicher nicht und daher bestimmt eine interessante Geschichte, die ich Dir aber nicht vorwegnehmen möchte.
Was ich nicht weiß: wann und wie kam die Bezeichnung zustande?


Erzähl nur, was du weißt.

Ich will noch ein paar Belege und Bilder ausfindig machen, ehe ich mehr davon vortrage.

Bis bald.
Gruß
ehemaligesMitglied35
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Re: Carolsruhe
geschrieben von ehemaligesMitglied35
als Antwort auf ehemaligesMitglied35 vom 26.02.2012, 23:15:51
Die Tulpenmädchen des Markgrafen

Dieser Text stützt sich auf mehrere Wikipedia- und andere Seiten im Netz, ist aber von mir überformt worden. Ich verzichte auf die Verlinkung und nenne nur die Netzadressen. FR

Der Markgraf war ein außergewöhnlicher Mann, ein Herkules an Gestalt, dabei hochgebildet und vielfältig interessiert, den Künsten zugeneigt, lebensfroh und kein Kostverächter.

http://ka.stadtwiki.net/Karl_Wilhelm_von_Baden-Durlach

So kümmerte er sich höchstpersönlich um seine Gärten und soll sogar während der Gartenarbeit gestorben sein, war leidenschaftlicher Tulpensammler – was damals eine Mode war, in die man Unsummen von Geld steckte. Manche Tulpennarren ruinierten sich damit.

Der Markgraf ließ denn eine große Sammlung (s.u.) von Tulpenbilder malen, von denen heute leider nur noch ein kleiner Teil in Karlsruhe zu finden ist. Den Rest ist dem Krieg zum Opfer gefallen oder wurde von seinen unfähigen Nachkommen verdummbeutelt wie vieles andere auch.

Im Schlossturm kann man andeutungsweise ein wenig davon sehen. Die Besteigung des Turmes lohnt sich übrigens. Der Turm bietet von seiner über 165 Stufen zu erreichenden Aussichtsterrasse in etwa 42 m Höhe einen Panoramablick über Karlsruhe bis hin zum Schwarzwald und die Pfälzer Berge.

Im Saal unterhalb der Aussichtsplattform wird die Geschichte der „Tulpenmädchen“ dargestellt. Über deren Rolle und ihren etwas zweifelhaften Ruf hat man erst in jüngster Zeit mehr Klarheit gewonnen. Das Volk, das alte Lästermaul, sprach denn auch von einer stattlichen Anzahl dieser Mädchen. Bis zu 144 werden angegeben, als 12 für jeden Monat. Sie waren junge Frauen, die offiziell als Hofsängerinnen, andere sprechen von Gärtnerinnen oder Malerinnen, angestellt waren.

Eine nachweisbare Anzahl unehelicher Kinder, die allesamt auf den Namen Carl oder Carline getauft wurden, deuten jedoch auch auf andere Dienste mancher der Hofsängerinnen hin und lassen vermuten, dass die amourösen Legenden, die über den Markgrafen Karl Wilhelm kursieren, einen wahren Kern enthielten. Es wird auch berichtet, dass Hofbeamte solche Sängerinnen heirateten, die eine stattliche Mitgift erhielten und alle Frühgeburten hatten.

Wieder nach wikipedia:

Eng verknüpft mit der Stadtgründung Karlsruhe ist die Legende von den Tulpenmädchen.
Nachdem Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach 1715 das Karlsruher Schloss gebaut und die Stadt gegründet hatte, lebte er in seiner neuen Residenz, während seine streng lutherische und als streitbar bekannte Gattin Magdalena Wilhelmine von Württemberg in der Karlsburg in Durlach wohnen blieb. Dieser Umstand gab schon zu jener Zeit allerlei Anlass zu Gerüchten.
An die 60 Mädchen, möglicherweise Durlacher Bürgermädchen, sollen dem Markgrafen im Schloss zu Diensten gewesen sein. Belegt ist offenbar, dass einige von ihnen Kinder hatten, deren Väter unbekannt waren und die allesamt Carl oder Carlina hießen. Für die Erziehung scheint der Markgraf aufgekommen zu sein.

Liselotte von der Pfalz schrieb über die Zustände im Hardtwald:

„Ich habe schon von dem ridicullen Serail gehört, so der Margraff von Durlach helt. Wie ich jetzt von unßern Teütschen, es seye Fürsten oder ander Herrn höre, so seindt sie alle so närisch, alß wenn sie auß dem Dolhauß kämen; ich schamme mich recht davor.“
Zitiert nach: „Kleine Geschichte der Stadt Karlsruhe“ von Georg Patzer, Seite 9.

Der Spitzname „Tulpenmädchen“ wurde offenbar erst sehr viel später geprägt.

Zusatz FR: Man hat also die Liebe des Markgrafen zu den Tulpen und zu den Hofsängerinnen miteinander verknüpft. Und aus den Goldkehlchen wurden Blumenmädchen.

Literatur

Belletristik

Sylvia das Tulpenmädchen : ein Roman aus der Gründerzeit der Residenzstadt Karlsruhe von Toni Peter Kleinhans. Mit Zeichn. von Brigitte Kratochwil-Hardt. - 1. Aufl.. - Karlsruhe : INFO, 1991 (INFO-Literatur-Reihe), ISBN 3-88190-128-0

Sachliteratur

Kleine Geschichte der Stadt Karlsruhe von Georg Patzer. - 1. Aufl.. - Karlsruhe : Braun; Leinfelden-Echterdingen : DRW-Verl. Weinbrenner, 2004, ISBN 3-7650-8322-4

Susanne Asche, Barbara Guttmann, Olivia Hochstrasser, Sigrid Schambach, Lisa Sterr, Karlsruher Frauen 1715 - 1945. Eine Stadtgeschichte, Band 15 der Reihe Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Badenia Verlag, 1992, ISBN 3-7617-0265-5.

Karlsruher Tulpenbuch

Das Karlsruher Tulpenbuch ist ein digitalisiertes Buch mit Zeichnungen von Tulpen um 1730.
Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach war bekennender Blumenfreund, hatte zuletzt etwa 5.000 verschiedene Tulpensorten in seinem Garten, als er bei der Gartenarbeit starb.

Er wollte den Blumen, vor allem den Tulpen, Dauer verleihen und ließ sie daher malen. So entstanden etwa 6.000 Pflanzenaquarelle, überwiegend Tulpen-Abbildungen, jedoch existieren die meisten davon nicht mehr. Vier von 20 Großbänden haben nur den Zweiten Weltkrieg überlebt, zwei davon gehören zur Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek (BLB) in Karlsruhe, die anderen zwei dem Generallandesarchiv (GLA) ebendort.

Die Badische Landesbibliothek bewahrt unter der Signatur KS Nische C 13 einen Band mit 72 Blumendarstellungen aus der Zeit Karl Wilhelms (etwa 1730) auf, hat das Werk aber auch digitalisiert, so dass es über den unten genannten Weblink erreichbar ist.
Maler der Blätter waren verschiedene Personen, z.B. August Wilhelm Sievert (1709–1750), dessen Vater bereits Gärtner der badischen Markgrafen war.

Weblinks

Digitale Handschrift des Tulpenbuchs auf der Webpräsenz der BLB Karlsruhe

http://www.blb-karlsruhe.de/virt_bib/tulpen/
Blaustrumpf
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Re: Carolsruhe
geschrieben von Blaustrumpf
als Antwort auf ehemaligesMitglied35 vom 26.02.2012, 23:15:51
Das überlass ich gerne den Fachleuten

Ich erzähl lieber mal von unserem

Mummelsee (Muhme = Wassernixe)

auf der Hornisgrinde, Schwarzwaldhochstraße. Dieser See ist eine dankbare Quelle für allerlei Geschichten und Sagen und fand schon häufig Erwähnung in der Literatur, so bei den Brüdern Grimm und Grimmelshausen.
Den Sagen nach sei er unermeßlich tief und wer seine Tiefe erforschen wolle, dem geschehe übles. Der Herzog von Württemberg (der Friedrich, der Freudenstadt erbauen ließ) wollte ihn einmal ausmessen lassen. Das Floß, von dem aus die Messungen vorgenommen werden sollten, geriet so ins Wanken, dass die Männer darauf sich gerade noch ans Ufer retten konnten.
Wasservolk soll darin leben und gelegentlich sich unters Volk mischen, so gibt es viele Geschichten von weißgekleideten wunderschönen Mädchen, die bei Spinnabenden auftauchten und von denen niemand wußte, wer sie waren.
Hängt man ein Säckchen mit kleinen Steinchen oder Erbsen drin ins Wasser, soll sich die Anzahl darin ändern, von gerade auf ungerade und umgekehrt.
Wirft man einen Stein hinein, so zieht ein schreckliches Unwetter auf.

Während meiner Kindheit war am See ein Wassermann stationiert, behängt mit einem grünen Gewand, mit langen verfilzten Haaren und wallendem Bart, und natürlich mit Dreizack. Der ist aber schon lange den Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen...

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liz
liz
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Geschichten, Anekdoten und Mythen aus der Heimat
geschrieben von liz
als Antwort auf Blaustrumpf vom 27.02.2012, 06:16:07
Danke für die Erinnerung an den Mummelsee welchen ich schon mehrfach umrundete. Ist ja auch keine große Anstrengung aber es ist wirklich ein mystischer Ort, so habe ich ihn immer empfunden.

Die Geister am Mummelsee





ehemaligesMitglied35
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Mummelsee
geschrieben von ehemaligesMitglied35
als Antwort auf liz vom 27.02.2012, 06:49:09
Danke für die Erinnerung an den Mummelsee welchen ich schon mehrfach umrundete. Ist ja auch keine große Anstrengung aber es ist wirklich ein mystischer Ort, so habe ich ihn immer empfunden.
geschrieben von liz


Beim Mummelsee denke ich vor allem an Grimmelshausens "Simplizissimus".

Und daran, dass am Tag nach meinem letzten Besuch dort das altbekannte Hotel abbrannte. Meine Erklärung dafür war, dass die Schupfnudeln, die ich dort für uns kaufte, nur lauwarm und lätschig und fad waren.

Inzwischen ist es ja wohl wieder aufgebaut.

Gruß
Helen3
Helen3
Mitglied

Re: Carolsruhe
geschrieben von Helen3
als Antwort auf Blaustrumpf vom 27.02.2012, 06:16:07
auch ich bedanke mich für den Beitrag " Mummelsee" und das Gedicht.Als unsere Kinder klein waren,machten wir einen Abstecher zum Mummelsee,das ist lange her!
In diesem Sommer werde ich die Nixen wieder besuchen!
Helen3
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Geschichten, Anekdoten und Mythen aus der Heimat
geschrieben von schorsch
Die Friesen im Trübsee

Wenn man anfangs oder ende Winter zum Trübsee ob Engelberg wandert, kann es vorkommen, dass der See mit einer dünnen Eisschicht bedeckt ist. Und wenn man Glück hat, bekommt man ein eigenartiges Klagegeräusch zu hören, das man bis fast auf die Höhe des Jochpasses noch vernehmen kann. Dieses Geräusch fängt irgendwo am oder auf dem See mit einem leisen, wimmernden „Uuuuggg“ an und setzt sich dann wehklagend über den ganzen See fort, bis es schliesslich auf dem ganzen Eisfeld zu einem lauten, stöhnenden und ächzenden „Oooggg-uhggg-eeeeiiiiggg“ anschwillt. Die Sage erzählt, dass dieses Wehklage seinen Ursprung hat in grauen Vorzeiten, einige Jahrhunderte vor unserer Zeit also. Hier die Sage:

Der Viehhändler Kuoni hatte es schon auf seinen Reisen in die äusseren Täler oft vernommen aber nie geglaubt, dass die Friesen, die in ihrer Heimat, ganz im Norden der alemannischen Lande, wohnten, wegen Hungersnot sich in die umgebenden Länder retteten. Damals gab es ja noch keine Zeitungen und keine Radios und kein Fernsehen. Es waren die reisenden Händler und Bänkelsänger, die die „Neuigkeiten“ in ihren Reisegebieten verbreiteten. Und da diese Händler und Sänger oft ihrer Phantasie Flügel verliehen um vom Volk ein paar Batzen mehr zu bekommen, nahm man nicht alles als bare Münze, was sie erzählten.
Wieder einmal war Kuoni auf der Heimreise. Es war eine bitterkalte Nacht und er beeilte sich, baldmöglichst zu Frau und Kindern ans warme Herdfeuer zu gelangen. Da war es ihm kurz vor Engelberg, er sehe im fahlen Mondlicht vor sich einen Zug von marschierenden Leuten. Er glaubte zuerst, es handle sich um unglückliche arme Seelen, die des öfteren rastlos durch die Gegend irrten. Deshalb nahm er einen kleinen Umweg unter die Füsse, auf dem er die Gruppe überholte. Als er schon meinte, die Geister hinter sich gelassen zu haben, sprach ihn plötzlich ein Mann in einer Sprache an, die ihm zwar nicht geläufig war, aber ihm immerhin so vertraut schien, dass er den Sinn der ihm gestellten Frage verstand. Der Mann fragte ihn nämlich um die Möglichkeit, hier im Tal eine Bleibe für die Nacht und etwas zu essen finden zu können. Kuonis Verstand schaltete rasch. Das konnten nur die Friesen sein, die sich hierher verirrt hatten. Aber ihm kam auch in den Sinn, dass sie selber im Tal ja auch nicht zuviel zum Beissen hatten. Deshalb bedeutete er mit reden und gestikulieren, die Gruppe sei auf dem falschen Weg. Er anerbot sich, sie zu einem Weg zu führen, der geradewegs in ein Dorf führe, wo man sie gewiss gastfreundlich aufnehmen werde. Der Mann dankte und wandte sich an seine Leute, die inzwischen einen Kreis gebildet hatten, in dem ihr Führer und Kuoni das Zentrum bildeten. Als der Mann fertig war mit seiner Rede, hörte man zwar ein leises Murren, aber der Zug formierte sich wieder und folgte Kuoni in die Nacht.
Wenn er, so dachte Kuoni listig, die Leute über den Holzerweg nach Engelberg führen könnte, so war es ein leichtes, sie zum Alpweg, der zum Trübseee führte, zu lotsen. Und so machte er es denn auch. Gerade als der Weg zu steigen begann, stellte er sich vor den Zug und sprach zum Anführer, nun könne man den Weg nicht mehr verfehlen, müsse sich nur immer an den steinigen Karrweg halten. Dann grüsste er freundlich und entfernte sich eilends. Die Leute riefen ihm noch vielen Dank nach in ihrer rollenden Sprache. Aber Kuoni hörte es kaum noch, denn er war bemüht, sich davonzumachen bevor die Leute den Schwindel entdeckten.
So machte sich denn die Gruppe mit etwa fünfzig Männern, Frauen und Kindern mit ihren noch verbliebenen wenigen Rindern und Hunden daran, den immer steiler und steiniger werdenden Weg zum Trübsee zu nehmen. Gegen Mitternacht kamen sie, total übermüdet und sich kaum mehr auf den Füssen halten könnend, am Trübsee an. Dieser war bedeckt mit einer Eisschicht von etwa fünf Zentimetern Dicke, worauf fast ein Meter Schnee lag. Endlich ein Stück Land, das nicht aus lauter Auf und Ab bestand, dachten die Leute. Hein, der Anführer gebot dem Zug anzuhalten. Dann befahl er den jüngeren und kräftigeren Mannen, sich bis in die Mitte der Ebene einen Weg zu bahnen. Er selber nahm sich eine Handvoll Frauen und ältere Männer und suchte die Gegend nach Brennbarem ab. Dies war gar nicht so einfach, denn alles war ja in ein einheitliches Weiss gehüllt und der Mond schien nur ab und zu zwischen den langsam dahin ziehenden Wolken durch. Aber als die Männer in der Mitte der Ebene riefen, man könne ihnen nachfolgen, war genug Holz von den Fichten ringsum eingesammelt, dass es für eine Nacht reichte. Feuer aber musste unbedingt her, denn die Leute brauchten endlich wieder etwas Warmes in den Magen, und zudem hatten sie schon lange ein Geheul gehört, das auf die Anwesenheit von Wölfen schliessen liess.
Ermattet legten und setzten sich die Fremden auf ihre Felle und Tücher. Rings um sie wurden Feuer entfacht, auf welchen emsig die letzten Vorräte an Mehl und gedörrten Früchten mittels geschmolzenem Schnee zu einem Eintopfgericht gekocht wurden. Dann schichteten die Männer nochmals Holz nach, so viel sie in der Umgebung noch fanden. Schon hörte man das ermüdete Schnarchen der Alten, und das Gewimmer der hungrigen Kinder hatte aufgehört.
Dass sie sich auf einem See lagerten, das konnten sie ja nicht ahnen. Und sie konnten auch nicht ahnen, dass die Feuer, die sie im Kreise um sich angefacht hatten, die Eisschicht zu schmelzen begann. Als alle den Schlaf der Gerechten schliefen, hatte die Wärme die Eisschicht soweit aufgetaut, dass sie sich nun wie auf einer Eisscholle befanden, so wie die Eskimos im höchsten Norden manchmal auf ihren Jagdzügen. Niemand merkte wie diese Scholle sich langsam auf einer Seite zu neigen begann. Erst als alles auf diese Seite rollte und glitt, erwachten die meisten von ihnen. Aber da war es schon zu spät. Die Scholle kippte, überschlug sich und begrub alles, was sich auf ihr befand, unter sich. Niemand hatte auch nur die geringste Chance, sich retten zu können.
Und so kann es also vorkommen, dass wenn man anfangs oder ende Winter zum Trübsee ob Engelberg wandert und der See mit einer dünnen Eisschicht bedeckt ist, man ein eigenartiges Klagegeräusch zu hören bekommt, das man bis fast auf die Höhe des Jochpasses noch hören kann. Dieses Geräusch fängt irgendwo am oder auf dem See mit einem leisen, wimmernden „Uuuuggg“ an und setzt sich dann wehklagend über den ganzen See fort, bis es schliesslich auf dem ganzen Eisfeld zu einem lauten, stöhnenden und ächzenden „Oooggg-uhggg-eeeeiiiiggg“ anschwillt. Das sind die armen Seelen der vor Jahrhunderten ertrunkenen Friesen! Und es geht die Sage, dass Kuoni, der Viehhändler dann ruhelos am Seeufer auf und ab wandert und solange keine Ruhe bekommen wird, bis keine der armen Seelen mehr klagt und wimmert.

Januar 1999 „Die Friesen im Trübsee“ Schorsch


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