Plaudereien Sperrmüll-Tag

gerry
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Sperrmüll-Tag
geschrieben von gerry
Mein rechter Nachbar - Günter, richtig, der im Winter seine Frau durch den Schnee gezerrt hat - ist ein richtiger "Macher", wie er von sich selbst behauptet.
Er ist gut über die "Wende" gekommen und steht genau so gut da, wie damals.
Wenn nicht sogar noch besser.
Er ist Geschäftsführer einer Abfall - und Recyclingfirma.
In DDR-Zeiten leitete er den VEB Dienstleistungsbetrieb.
Er blieb somit der Branche treu.

Mit Günters Berufswesen habe ich hin und wieder zu tun, weil er sich ja meines Abfalls annimmt.
Er nicht persönlich, dafür hat er ja seine Leute.
Aber sie holen alles pünktlich ab, Hausmüll, Papiertonne, gelbe Säcke und Sperrmüll.
Das Kapitel Sperrmüll, war auch für Günter neu, da es in der DDR weder den Begriff gab
noch stellten die Leute alte Sessel und Teppiche raus.
Schränke wurden im Ofen verbrannt, zerschlissene Sofas und Sessel an den Waldrand gestellt.
Heute werden hier die Bewohner zweimal jährlich mit dem Thema Sperrmüll konfrontiert.

Man wird schon zu nachtschlafener Zeit an diesen Termin erinnert.
Zuerst ganz zaghaft merke ich eine Veränderung, weil mein Bett plötzlich zu zittern beginnt.
Das Tablettenröhrchen rollt auf dem Nachtschrank hin und her.
Irgendwas stürzt im Haus um oder fällt von der Wand.
Mit dem Schlaf ist es ohnehin vorbei.
So stehe ich auf und gehe ans Fenster.
Im Dämmerlicht erkenne ich einen großen LKW, der vor dem Haus gegenüber hält.

Ich sehe eine Stehlampe, alte Teppiche, zwei Sessel zwei alte Matratzen und ein klobiges Stück,
das ich nicht einordnen kann.
Alles hat der Nachbar von gegenüber aufgehäuft.
Sofort dämmerts mir: Sperrmülltag!
Es wird alles abgefahren, was nicht in die Mülltonne passt.

Der Motorlärm erstirbt, wird aber sofort von anderem Krach abgelöst.
Zwei Männer machen sich am Besitz des Nachbarn zu schaffen.
Der Teppich wird aufgerollt, begutachtet, dann aber sofort wieder - uneingerollt - zurückgeworfen.
Anscheinend gefallen auch die Sessel nicht, sie werden mit einem kräftigen Fußtritt bedacht.
Anscheinend suchen sie was Besseres und finden es nicht.
Um nicht umsonst gekommen zu sein, drehen sie aus der Stehlampe die Birne heraus.
Ein gutes Geschäft also.
Die beiden Männer verschwinden mit ihrem Lastwagen.

Nun weiß ich aus Erfahrung, dass das erst der Auftakt ist.
Den ganzen Tag kurven Autos durch unsere Straße, fahren im Schritttempo an den Müllbergen vorbei,
halten hier und da an und schauen und begutachten.
Lassen liegen, nehmen auch hier und da was mit, dessen weitere Verwendung
nur schwer einleuchten will.
Der Sperrmülltag verlängert sich, aber das ist mir längst geläufig.
Da wird von Günter ein Tag angehängt, eventuell noch einer.
Eine regelrechte Sperrmüllwoche wird daraus.
Wie er das bloß immer hinkriegt?
Da mich diese ständige, unplanmäßige Weckerei nervt und die wachsende Unordnung
in unserer Straße stört, passe ich Günter mal ab und mache meinem Herzen Luft.

Aber Günter wäre nicht der "Macher", wenn er durch mich seine gute Laune verlöre.

"Du musst das mal unter einem betriebswirtschaftlichen Aspekt sehen", sagte er gut gelaunt.
"Sicher hast auch Du festgestellt, dass langsam alles weniger wird. Wenn ich als Firma Geduld habe,
bleibt nur noch das liegen, was - laut Satzung - nicht zum Sperrmüll zählt und dort eigentlich
gar nicht liegen darf.
Das rührt meine Firma nicht an.
Notgedrungen holen es dann die Leute wieder rein."

Dann fragte er mich noch, ob ich auch genau aufgepasst hätte und mir mal die Autokennzeichen
angesehen hätte von den Leuten, die Besonderes Interresse am Sperrmüll gezeigt hätten.
Da müsste ich ja Bescheid wissen: Hannover, Osnabrück, ja sogar Bremen.
Die Kürzel kennt man ja.
Aufbau Ost?
Oder Aufbau West?
Nichts Genaues weiß man nicht!

Einen schönen Tag
wünscht Gerry


mradefeld
mradefeld
Mitglied

Re: Sperrmüll-Tag
geschrieben von mradefeld
als Antwort auf gerry vom 02.10.2010, 11:35:06
Diese Sperrmülltage kenne ich auch aus der Umgebung von Leipzig.
Hier in der Stadt bekommt jeder Haushalt am Anfang des Jahres Seine "Müllmarken" und kann dafür dann an den zentralen Sperrmüllstellen seinen Sprerrmüll abgeben. Kleinere Mengen, also was so auf einen Handwagen Platz hat, nehmen die auch ohne Markenabgabe.
Da sieht es natürlich für die Müllsammler schlechter aus. Denn was einmal auf dem Platz ist, wohlsortiert wohlgemerkt, darauf wird Acht gegeben, ist kein "herrenloses Gut" mehr, das sich so einfach jemand nehmen kann.
Die Herkunft der Sammler herrenlosen Gutes waren in den nördlichen Leipziger Vororten übrigens Leute, die überwiegend polnisch sprachen. Maastricht und Schengen machens möglich.
Auf alle Fälle sind die hier gefundenen Lösungen allemal besser als die ehemaligen "wilden Deponien" in den Wäldern der DDR.
Kleinen, nicht eigentlichen, Restmüll dürfen wir Leipziger übrigens auch mit in der gelben Tonne entsorgen. Als da sind, Handys, Radios, Fotoapparate und alle Arten elektrischer Geräte. Aber auch Bratpfannen und Töpfe.
Die Sachen werden dann professionell sortiert und einer materiellen Nutzung zugeführt.
Finde ich jedenfalls gut!
M.F.Radefeld

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