Am Jahresende - Teil 2


Am Jahresende - Teil 2

"Wo werden Sie in dieser Nacht schlafen?", fragend sehe ich den Mann an. "Ich kann im Obdachlosenheim noch einmal für ein paar Cent schlafen und bekomme auch morgen früh ein Frühstück. Aber dann muss ich weiterziehen. Länger als 3 Tage geht das nicht." "Und dann? Können Sie arbeiten gehen? Was haben Sie vor?" Ich weiß, dass es unangenehme Fragen sind und bin gespannt, ob er sie mir beantworten wird.  "Ich kann und will arbeiten, aber es ist ein unabänderbarere Kreislauf: Arbeit bekomme ich nur mit einem festen Wohnsitz, einen festen Wohnsitz bekomme ich nur,m wenn ich eine feste Arbeit nachweisen kann.... Ab und zu hatte ich das Glück und konnte irgendwo aushelfen. Ab dem späten Frühjahr bis zum Endes des Herbstes oft bei einigen Bauern, wo ich dann auch meinen Hund unterbringen konnte. Aber es werden immer mehr Arbeitslose und ich bekomme nie mehr als zwei Wochen eine Arbeit." 
Ich überlegte und kam zu einem Entschluß: "Wie wäre es, würden Sie auch Gartenarbeit übernehmen? Länger als zwei Wochen? Nur gegen Wohnung und Verpflegung?" Überrascht sieht mich der Mann an. "Sie kennen mich doch gar nicht. Wieso machen Sie mir solch ein Angebot?" "Ich weiß es nicht, genauso wenig wie ich weiß, warum ich Sie angesprochen habe. Denn Obdachlose sitzen hier überall an den verschiedensten Ecken und meistens werfe ich fast gedankenlos einige Cent in ihre aufgestellten Behältnisse." Nach einigen Minuten des Schweigens, der Mann ist fertig mit Essen und auch der Hund hat sich wieder bequem an ihn gekuschelt, muss ich mein Angebot noch vervollständigen. "Mein Angebot meine ich wirklich ernst. Es gibt nur ein Problem: die Wohnung ist erst Ende Februar frei. Solange ist sie schoin vermietet, ich bin eigentlich darauf angewiesen. Was würden Sie bis dahin machen?" "Ich versuche langsam nach Norden zu kommen. Dort habe ich entfernte Verwandte und werde sie bitten mich wenigstens für einige Wochen aufzunehmen. Bis jetzt haben sie noch nicht geantwortet. Ich habe die Adresse eines Bekannten angegeben, weil ich selbst ja keine Anschrift habe und frage dort immer wieder nach." 
Ich gebe ihm eine Karte von mir. "Hier ist meien Karte. Bitte heben Sie diese gut auf und denken Sie daran sich Ende Februar bei mir zu melden. Ich habe einen großen Garten und kann die Arbeit nicht mehr allein schaffen. Es wäre also kein Almosen, sondern Sie würden sich alles reell verdienen müssen." 
Mit diesen Worten und einem Händedruck, bei dem ich ihm über Winter ein Dach über dem Kopf wünsche, verabschiede ich mich von ihm. Dankbar drückt er meine Hand und wünscht mir ein gutes neues Jahr.
Bei meinem Auto angekommen schäle ich mich erst einmal aus meiner dicken Verpackung. Meine Gedanken sind immer noch bei dem, langen Verweilen und dem Gespräch mit dem Heimatlosen. Wieso hatte er mich so angezogen? Und wieso habe ich ihm, diesem Fremden dieses Angebot gemacht? Ich bereute es nicht, denn ich konnte wirklich Hilfe gebrauchen und die Wohnung die ich ihm anbot, ist nicht groß, grade für eine Person ausreichend. Allerdings müsste er für den Hund an seinem Eingang einen Unterschlupf bauen. Platz genug ist dort und Material liegt sicher noch genug hinten im Garten. Eigentlich könnte ich ihm bis er kommt ein Vordach anbringen lassen... Dann bräuchte er nur ein kleines Tor und eine Abtrennung in den Garten anfertigen. In Eigenarbeit wäre das zu schaffen. Denn ich dachte auch darab, dass dieser Mann bei regelmäßigem Essen sicher genug Kraft und Energie bekäme. Ein weiterer Vorteil für ihn wäre, dass er dann einen festen Wohnsitz angeben und dann auch eine richtige Arbeit bekommen könnte. Meine Gedanken verweilten noch lange bei ihm.
Inzwischen war ich losgefahren und musste mich auf den Verkehr konzentrieren. Zum Glück war auf der Straße nicht viel los und so dauerte es nicht lange bis ich zu Hause war. Ich freute mich auf den Abend, auf die Nacht und den neuen Tag. Es war ein gutes Gefühl in mir und so konnte ich mich auch auf das neue Jahr freuen, das in einigen Tagen beginnen würde. Ich vergaß die Pandemie und sah nur noch nach Vorne.



P.S. Leider ist es nur eine Geschichte... Einen Garten habe ich nicht mehr und auch kein Zuhause für einen Obdachlosen. Aber ich wünschte, dass es wenigsten für einen so eine Lösung, so ein Geschenk gäbe.

Und das am Ende von 2020


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