Aufruhr um Backwaren


Auch eine Vorweihnachtsgeschichte: Aufruhr um Backwaren
Vor 125 Jahren, mit Beginn des Weihnachtsmonats Dezember sorgte eine öffentliche Ankündigung der Radeberger Bäckerinnung für lang anhaltenden Aufruhr in der Stadt und Umgebung. Ausgerechnet im Vorfeld des Stollenbackens kam folgende Bekanntmachung in die Zeitung:
„Zur gefälligen Beachtung! Die unterzeichnete Bäckerinnung fühlt sich veranlasst, in Folge der Erhöhung sämtlicher Bedarfsartikel dem geehrten Publikum bekannt zu geben, dass dieselbe vom 8. des Monats an, sämtliche Weizenbackwaren mit 3, respektive 6 oder 12 Pfennig berechnet. Zugleich machen wir darauf aufmerksam, dass vom 1. Januar 1890 ab, jede Zugabe oder Prozente bzw. Rabatte in Wegfall kommen. Jede Zuwiderhandlung wird bestraft. Radeberg, den 1. Dezember 1889
Noch in der gleichen Woche annoncierten Radebergs Glasarbeiter:
„Zur gefälligen Beachtung! Wir, die Arbeiter der Sächsischen Glasfabrik, haben uns vereinigt und beschlossen, zu den bekannt gegebenen Preisen der Backwaren nichts mehr zu kaufen und werden in Zukunft nur von solchen Bäckermeistern Ware nehmen, welche uns zu dem bisherigen Preise und Gewichte liefern. Zuwiderhandlungen gegen diesen Beschluss werden zu Gunsten unserer Fabrik-Krankenkasse bestraft. Die Arbeiter der Sächsischen Glasfabrik zu Radeberg, Abteilung Beleuchtungsartikel“.
Mit dieser bisher einmaligen Aktion der organisierten Arbeiterschaft, der sich im Laufe der folgenden Tage weitere Arbeiterversammlungen anschlossen, kamen die Bäcker unter starken Druck. Regelrecht belagert wurde zum Beispiel die Konditorei von Ernst Messerschmidt, Mittelstraße 10. Mehrere Arbeiter hielten Protestwache und hinderten einkaufswillige Männer und Frauen am Betreten des Geschäfts. In diesen eskalierenden Streit stießen zwei Einrichtungen. Zum einen die im Verhältnis zu den kleinen Bäckern der Stadt in Großerkmannsdorf agierende Großbäckerei von Ernst Türke. Zwar konnte er auch nicht umhin, gewisse Preissteigerungen anzukündigen, jedoch lieferte er bei leichter Preissteigerung der Weißbackwaren, dass Roggenbrot deutlich billiger. So kostete in Großerkmannsdorf die 1. Sorte Roggenbrot das Pfund 11,5 Pfennig, in Radeberg zu diesem Zeitpunkt 16 Pfennig. Wenn er auch in der Werbung den Trick anwandte, das sogenannte Backgeld von 1 Pfennig je Pfund extra zu kassieren, sorgte dies für Furore. Ganze Heerscharen von Arbeiterfamilien zogen nach Großerkmannsdorf um Backwaren zu kaufen. Zumal Türke bei größeren Mengen der Abnahme Christbaumkonfekt oder Pfefferkuchen dazu gab. Auch bot er feinstes Stollenmehl deutlich unter dem Radeberger Preis an. Sein Geheimnis, er bezog das Mehl u. a. aus Böhmen.
Als zweite Institution agierte die junge Konsumvereinigung, indem sie preiswerte Backwaren ihren Mitgliedern bot. Gegner der Vereinigung erzwangen über einen Gerichtsentscheid, die sofortige Begleichung eines Kredits. Doch auch hier hatte die Arbeiterschaft reagiert. Innerhalb weniger Tage wurde die Liquidität mit Spenden und zinslosen Kleinkrediten durch das Aufbringen von 7500 Mark wieder hergestellt.
In dieser Situation driftete die Bäckerinnung auseinander. Immer mehr Bäckermeister ruderten zurück, manche versprachen sogar erneut die Weihnachtszugaben in Form von Schokolade oder feinen Backwaren. Letztlich war die Stollenbäckerei, die traditionell erst vierzehn Tage vor Weihnachten in großem Stil einsetzte, gerettet. Es wurde zu dem Preisniveau von 1888 gebacken.
Geschrieben am 04.12.2014

haweger

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Kommentare (1)

finchen ...dann muß ich vor 125 Jahren schon in einer Bäckerei in der ehemaligen DDR gelebt haben.
Danke für den Bericht - es hat mich erfreut - wie immer -
Du Schriftengräber
Liebe Grüße
das Moni-Finchen

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