Aus der Welt der eheherrlichen Gewalt


Aus der Welt der eheherrlichen Gewalt
Nahezu unendlich dürften die Geschichten sein, die sich im Miteinander verheirateter Männer und Frauen vollziehen bzw. vollzogen haben. Einige von Ihnen sind auch vor dem Gericht gelandet und bedurften einer Rechtssprechung. Mit einem eher kuriosen Fall musste sich Radebergs Schöffengericht im Jahre 1885 auseinandersetzen. Angezeigt hatte der Nachtwächter den damals 38 jährigen Franz Otto Jähnichen. Er plädierte auf Behinderung seines Berufes als Nachtwächter.
Seinen Dienst versehend trat ihm auf der Pirnaischen Straße eine weiße Gestalt entgegen. Das Haar des Ordnungshüters sträubte sich bei dem Gedanken „ein Geist!“ Aber jener hatte Fleisch und Bein und außerdem eine Löwenstimme, mit der er ebenso laut fluchte wie schimpfte. „Elendiges Miststück!“ und ähnliches war zu vernehmen. Ob das dem Nachtwächter gelten sollte? Von einem fluchenden Geist in Menschengestalt hatte er noch nie etwas gehört, geschweige gesehen. So fasste er ihn kurzerhand an und brachte ihn in Radebergs Fronfeste. Sollte es gar nur ein verirrter Nachtwandler im Hemd sein?
Noch ehe sich Radebergs Nachtwächter unter Zuhilfenahme eines Ratsdieners schlüssig werden konnte, wie es weitergehen sollte, kam eine aufgelöste Frau in das Stadtgefängnis und bat ihren Mann wieder mitnehmen zu dürfen. „Nur das nicht!“, rief jener laut aus. Kurz erzählte er die Geschichte. Jähnichen hatte in einer Kneipe in der Pirnaischen Gasse über das Kartenspiel und den Genuss des Bieres und Schnapses die Zeit wieder einmal vergessen. Zu Hause angekommen, ließ in die Frau herein und als er im Begriff war, zu Bett zu gehen hob eine starke „Gardinenpredigt“ an. Dieser wollte Franz Otto Jähnichen eben entkommen und war dem Nachtwächter in die Arne gelaufen. Letzterer war jedoch nicht humorvoll und zeigte den „nachtwandelnden Geist“ an. Tatbestand: Behinderung des Nachtwächterdienstes durch groben Unfug. Das Gericht folgte dem Antrag und verurteilte Jähnichen zu 10 Mark Geldbuße, bei Nichterbringung ersatzweise vier Tage Haft. Die Frau Des Davongelaufenen erhielt eine Verwarnung.
Fast zwanzig Jahre später wurde das Schöffengericht Radeberg wieder in einer ähnlichen Ehesache tätig. Der Schriftsetzer Gustav Messerschmidt ließ gerichtlich nachprüfen, ob „die Bosheit eines Eheweibes“ Grund für eine Ehescheidung sein kann. Er gab an, dass ihn seine Frau, wenn er aus der Kneipe kam, oftmals nicht hereinließ. Diese Behandlung würde er nicht mehr aushalten, denn er sah sich oftmals mit der Tatsache konfrontiert, die Nacht im Freien zubringen zu müssen. Wird er herein gelassen, bereite sie ihm kein Essen zu und habe schon mehrmals mit Teilen der Kochutensilien nach ihm geworfen. „Faules Schwein“ und andere Schimpfworte wären Gang und Gebe. Das ganzer schlage ihm auf das Gemüt.
Das Gericht sah in den Handlungen der Ehefrau keine Verletzung der ehelichen Treue und lehnte das Scheidungsbegehren ab. „Dem Ehemann stünden Kraft seiner eheherrlichen Gewalt genügend Mittel und Wege offen!“, so Radebergs Justiz im Jahre 1904.


haweger

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Kommentare (1)

Sylvie46
Danke für die Geschichte !!! Sooo ändern sich die Zeiten !!! Die Rechtssprechung ... nicht die Menschen !!!

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