Eigenkommentar zu Entsorgung



Begründende Argumentation für die Geschichte "Entsorgung" (eine Parabel)


Ich bin der Frage nachgegangen, woran eine künftige Gesellschaft wohl kaputtgehen könnte, sofern nicht alles anders kommt, als man denkt. Dabei bin ich zu folgender Einsicht gekommen:
Es wird heuer in großer Zahl gelebt und weniger freiwillig gestorben. Aids, Krebs, Mord, Krieg, Abtreibung, Selbstmord erweisen sich immer mehr als Problemlöser einer herbeigeredeten Überbevölkerung. In Wirklichkeit gehen wir eher an einer Bedürfnisexplosion als an einer Bevölkerungsexplosion kaputt. Die industriellen Gesellschaften sehen ihre Bedürfnisse, in Fülle leben zu können, in beängstigendem Maße bedroht.
Der Begriff "Altgewordene" war in der ursprünglichen Fassung durch die Wortbildung "zu alt Gewordene" ersetzt. Tatsächlich wächst der Anteil der älteren Menschen in erschreckendem Ausmaß an und der Staat muss wohl über Konzepte nachdenken, die diesen Anteil nicht überborden lassen. Aber wie soll er das tun? Besonders angesichts der abnehmenden Bereitschaft der restlichen Bevölkerung künftig noch zusätzlich ein oder gar zwei eben zu alt Gewordene finanziell mitzutragen. Schon gar nicht im Hinblick auf die zunehmende Erkenntnis vieler Zeitgenossen, dass Besitzstände nicht dazu da sind, sie preiszugeben. Was bereits in Bezug auf die Behinderten-Problematik geschieht, nämlich die Durchführung von Nutzen- Kosten-Analysen für Pflege und Förderung Behinderter einerseits und pränataler Diagnostik und humangenetischer Beratung andererseits, dürfte auch bald für die "zu alt Gewordenen" in Auftrag gegeben werden. Dies aber kann man nur als neofaschistoides Denken und Handeln bezeichnen und als Parallele zur NS-Ideologie ansehen - auch, wenn man dies nicht gerne eingesteht. Abtreibung am Beginn, Euthanasie am Ende der menschlichen Existenz sind die unausweichlichen Folgen.
Das Ausräumen von Bäumen aus den Wohnbezirken, wegen des aufkommenden Straßenverkehrs ist eigentlich kein Zukunftsaspekt. Dies alles geschieht schon längst. Aus der Überhöhung des Autos soll auf die Fehleinschätzung heutiger Wertebetrachtung geschlossen werden. In Verbindung steht die Maske als Ausdruck einer sich vollziehenden Ausweglosigkeit. Es muss bezweifelt werden, ob jene, die sich für das "Wohlergehen" der Menschen in der Dritten Welt äußern, glaubwürdig sind. Viel mehr scheinen sich hinter ihrem Engagement Verlogenheit und Heuchelei zu verbergen. Würde sich die Wunschvorstellung vom sogenannten, an westlichen Normen gemessenem "Gutgehen", erfüllen, hätte die Menschheit gerade noch eine Überlebenschance von drei Tagen. Ohne Maske wäre nach einer solcherart herbeigeredeten Bedürfnisbe-friedigung aller auf der Erde lebenden Menschen nicht mehr möglich und die Geschichte entspräche der Wirklichkeit. Dies sollte nicht übersehen werden.

In der Story werden weitere Parameter angesprochen, die bereits heute das menschliche Leben ordnen und bestimmen.
a) So etwa die Sucht nach einem krankhaften Harmoniebe-dürfnis, das jede ehrliche Auseinandersetzen mit jederart auftauchenden Problemen scheut. Die Folgen drücken sich in einer Frustrationskette aus, die Ursache von Ehescheidung, von zunehmender Egozentrik und einer Reihe anderer Merkwürdigkeiten ist.
b) Die Sehnsucht stets clean zu sein. Sterilität nach Krankenhausmanier, die Befreiung von Schmutz in jeglichem Sinne, kennzeichnet die Furcht vor Schuldbewältigung, woraus eine immer häufiger zu beobachtende Verletzlichkeit der Menschen resultiert oder eben zu Profilierungsneurosen im beruflichen wie auch im privaten Bereich führt. Unsere Gesellschaft stellt in der Welt ein Angstkollektiv von ungeheurem Ausmaß dar, das einmalig ist. Es handelt sich schlicht und einfach um die Angst um sich selbst.
c) Die nicht gelesenen Bücher stellen einen Verweis auf den Ausverkauf von Kultur dar.
Die Bücher stehen repräsentativ für andere Kulturgüter. Schon heute werden praktisch keine persönlichen Briefe mehr geschrieben. Das Erlernen von Lyrik ist eine Rarität geworden. Die Zahl der Konzert- und Theaterbesucher schwindet. Die öffentliche Hand streicht kulturelle Beiträge auf Kosten von Sport-, Rock- und anderer Großveranstal-tungen.
d) Der Begriff des SHZ, Sozialhygienezentrum erinnert an die bereits zu Nazizeiten eingerichteten Tötungsinstitutionen zwecks Rassenhygiene; von den Verbrennungsöfen in Hamadar für die Entsorgung Behinderter bis zur sogenannten Endlösung der Judenfrage.
Diese Parameter kennzeichnen heuer die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft, die sie hinter Scheinhumanität und praktizierter Sozialromantik verbirgt.
Der Tod ist menschlich. Wenn er schon aus Solidari-tätsgründen gesetzt wird, nicht mehr dem Zufall überlassen bleiben darf, dann bitte wenigstens menschlich - human, humanes Sterben.
Der Geschichte waren diese Überlegungen vorausgegangen. Das heißt, ich befand mich auf der Suche nach einer möglichen Lösung. Schnell kommt man dabei auf Begriffe wie Endlösung, Entsorgung, faschistoide Rassenhygiene, wie sie im 3. Reich gängig war. Institute müssen heuer allerdings den Anstrich von Humanität wahren. Das Entsorgungsgeschehen muss tolerabel sein. Altersgrenze, im Sozialhygiene-Institut festgeschrieben, Wahl humaner Tötungsmittel, begleitet von kulturellen Aspekten wie klassischer Musik. Aber auch die Freiwilligkeit des Patienten im Patientenkollektiv, seine Einsicht, der Solidargemeinschaft einen "selbstlosen" Dienst damit zu leisten, indem man sich den Bedingungen der An- stalt unterwirft, eines höheren Anspruchs willen. Überhöhung menschlicher Nur-Existenz. Einer, der nur dann ein Daseinsrecht hat, wenn er der Gemeinschaft von Nutzen ist.
Am Ende steht schließlich die Frage, wäre angesichts einer solch prekären Situation, wie sie real erwartet werden kann, denn diese Form der Entsorgung nicht wirklich human, rücksichtsvoll gegenüber dem Wunsche des Menschen, human behandelt zu werden, wenn man einmal die Sterbepraxis heuer näher untersucht? Wenn, wie heute gängige Praxis, in den Abstellkammern, in den Wäscheläger der Krankenhäuser - ohne klassische Musik als Sterbebegleitung - zwischen modrig stinkenden Wäschekübeln alleingelassen von Gott und der Welt gestorben wird? Wenn bereits den "zu alt gewordenen" Men-schen, weil sie unnütz, weil sie ein belastender Wirtschafts-faktor gewordenen sind, die Medikamente entzogen, sie nicht mehr operiert werden?
Im SHZ dagegen gibt es noch eine menschlichere Zuwen-dung. Und der Tod wird zum Freund des Menschen in solchen Zeiten. Ja die am Ende erreichte Aufhebung der SHZ-Vorschriften erwiese sich gar als grotesk, gereichte eher zum Nach- als zum Vorteil für die Menschen in solchen Gesellschaften. Es wäre keinesfalls ein Gewinn. Was sich so schrecklich liest, ist letztendlich gar nicht unmenschlich - oder vielleicht doch?



© Horst Ditz

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Kommentare (5)

ehemaliges Mitglied alles was du schreibst, ist wirklich mal zukunft,aber wir wollen eines nicht vergessen
die Lösung liegt schon für alles breit, und das wird uns ansich die Natur vor Augen halten. und da bin ich mir ganz sicher, wir werden wohl auf dauer mehr damit zu tun haben, und das kann man nicht wie ein lichtschalter an und aus machen.


Herzlichst Rolf
harfe liebe Sigrun für deine Einschätzung von der derzeitigen gesellschaftlichen Schieflage. Sie deckt sich gänzlich mit der meinen. Insbesondere ist es bezeichnend, dass auch wir Heutigen anscheinend nichts dazu gelernt haben. Die politisches Klasse lebt einen neuzeitlichen Feudalismus, den wir längst überwunden glaubten. Eine Herrschaft weniger Privilegierter über das kleine, einfältige Volk. Es ist unglaublich wie sie mit den menschlichen und irdischen Ressourcen umgehen. Selbst die Analogien zwischen dem Dritten Reich und den vielfältigen Angriffen gegen den Menschen werden immer deutlicher. Lüge, Heuchelei, Selbstliebe, Habsucht, Unmoral und Missachtung der Menschen in unserem Lande kennzeichnen unserer Politiker, die eine besonders perfide Spezies von Mensch darstellen.
Du hast mir mit allen deinen Anmerkungen aus dem Herzen gesprochen, liebe Sigrun. Dafür den allerherzlichsten Dank von deinem Freund Horst.
ehemaliges Mitglied Ich erinnere mich an einen 1973 gedrehten Science-Fiction-Film mit dem Titel 'Soylent Green'. Er hatte mich seinerzeit unglaublich erschüttert, zeigte er da schon die Folgen von Umweltverschmutzung, globaler Erwärmung und der Überbevölkerung in absolut düsterer Zukunftsprognose, die so greifbar geworden ist. Menschen wurden entsorgt und verarbeitet!

Ich danke Dir, lieber Horst, für das Lesen Deiner emotional aufwühlenden Erzählung von ausgesprochen tiefgreifender Art! Mögen die Menschen noch frühzeitig erkennen und handeln!

Mit lieben Grüßen
Deine Freundin Sigrun

ehemaliges Mitglied Die Nazizeit war bezeichnend für die Macht und der damit verbundenen Umsetzung von Massenmorden zur Schaffung einer sogenannten ethnisch reinen Rasse, möglich durch nur einen Mann, der unter fanatischer Gefolgschaft eine sogenannte Terrorherrschaft 'ausleben' konnte und für eine Weltmacht Millionen Menschen sterben ließ.

So ist es nur allzu 'natürlich', dass sich auch heute nichts geändert hat, nur die Zeit und die Umstände.

Deine Erzählung ist erschütternd brutal und wahr geschrieben. Sie zeigt auf, was Menschen 'wert' sind, wenn sie ihre Werte nicht erfüllen, im Sinne von wirtschaftlich oder banal gesagt 'zu arbeitsintensiv'. Sie werden entsorgt, aus 'humitär' erdachten Gründen.
ehemaliges Mitglied Deine fantastische Erzählung, lieber Freund, ist für mich ein Blick in unsere Zukunft, die bereits seit Ewigkeiten auf ähnliche Weise gelebt wird. Von jeher wurden Menschen in Klassen eingeteilt, in 'minder- und hochwertig'. Dabei bestimmten stets Rassen, Religionen, materielle Aspekte, Geschlecht, Adel oder schlicht verlogene Normen über Tötungen und Kriege. So erfahren wir bereits aus der frühen Entstehungsgeschichte von Verfolgungen, Steinigungen und Schlachten. Die Grausamkeiten der Tötungen geschahen oft unter dem Deckmantel moralischen Gedankengutes, ob von der Kirche oder Regierungen verbreitet, sodass der Wahn- und Irrsinn auch noch als legitim und notwendig, zur Rettung der Menschheit, dargelegt wurden.

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