Ein armer Mann von der Lause


Ein armer Mann von der Lause

Beitrag zur Armengeschichte der Radeberger Region

Eine interessante Nachricht konnte ich in der Radeberger Stadtrechnung, gelegt zu Cantate 1606, Akte 2193 n des Radeberger Ratsarchivs, finden. Unter der Rubrik „Bittende Persohnen“ ist nach dem 16. Januar 1606 eingetragen „1 (Groschen) ein armer Mann von der Lause, dessen Tochter ein Beyn gebrochen“. Hiermit haben wir es mit einem Hinweis zu einer Krankenversorgung vor über 400 Jahren zu tun. Ein Familienvater, dessen Namen nicht überliefert ist, weiß sich keinen anderen Rat als mit seiner Tochter von Lausa (heute weixdorf/Dresden) nach Radeberg zu gehen. Die Tochter hatte sich ein Bein gebrochen, wahrscheinlich hat ihr Vater sie auf einem Schlitten oder sollte kein Schnee gelegen haben auf einer Liege nach Radeberg gezogen haben. Letzteres funktioniert in der Art, dass zwei längere Stangen das Gerüst bilden und dazwischen eine Liegestatt aufgebaut ist. Der Weg nach Radeberg wird der alten Lausaer Kirchreithe entsprochen haben, dies ist jener Weg, der zwischen Langebrück und Grünberg über den nach Grünberg fließenden Langebrücker Dorfbach (in neuerer Zeit Roter Graben genannt) geht und in Schönborn den Langebrücker Bauernwald tangiert. Über den Liegauer Kirchweg, nicht den noch heute bekannten „Leichenweg“, sondern auf die untere Lotzdorfer Mühle zugehend, ging dieser dann etwa bis zum heutigen Radeberger Klärwerk. An irgend einer Stelle war die Furt durch die Röder oder es wurde schon die Lotzdorfer Brücke genutzt. Von dort ging der weg auf die Höhe und geradewegs auf das Radeberger Obertor zu, im letzten Teil einige Meter der heutigen Bad – und Oberstraße nutzend. Durch die Stadt durch musste dann der arme Mann, dessen Anliegen am Obertor verhandelt und wahrscheinlich zunächst erst im Rathaus entschieden wurde, wieder zum Dresdener Tor hinaus, das sich am heutigen Obergraben befand. Das 1576 eingerichtete Hospital befand sich von der Radeberger Brauerei aus gesehen rechts vor der Röderbrücke, damals eine Holzbrücke und in Anlehnung an das daneben stehende Gebäude „Hospitalbrücke“ genannt. Die Tochter wurde mit großer Wahrscheinlichkeit im Radeberger Hospital behandelt und lag dann dort auf einem der eingerichteten 25 Strohplätze. Eine Krankenpflege im heutigen Sinn gab es nicht, der Vater hatte für ihren Unterhalt, die Arztkosten und Betreuung zu sorgen. Den Groschen bekam er als „Gast der Stadt Radeberg“, damit er sich Bier, Käse und Brot kaufen konnte. Sollte er nicht im Hospital übernachtet haben, wurde ihm bestimmt ein Platz in der Stadtkirche zugewiesen, denn im Januar war es für ein Übernachten im Freien zu kalt. Die Finanzierung sowohl der Gesundheitsversorgung der Tochter als auch des Aufenthalts des Vaters geschah über den Radeberger Armenkasten, wobei es auch möglich ist, dass die Stadt Radeberg nachträglich dem Dorf Lausa eine Rechnung stellte. Sollte sich die Armut des Mannes beweisen lassen, wurden auch diese Kosten über den Lausaer Armenkasten getragen. Über beide Finanzinstitutionen gibt es aus dieser frühen Zeit keine verlässlichen Aufzeichnungen, jedoch ist aus der kurzen Notiz in Radebergs Stadtrechnung zumindest eine „Rekonstruktion des historischen Alltags“ möglich. Wie das Schicksal beider Lausaer weiterging ist bisher nicht bekannt. Auf keinen Fall blieben sie nach der Gesundung der Tochter (oder vielleicht starb sie auch?) in Radeberg, denn bis 1610 gibt es keinen Einbürgerungsantrag. Sollte das Schicksal sie nicht nach Lausa zurück geführt haben, sind sie vielleicht ins Böhmische ausgewandert oder haben das Schicksal anderer entwurzelter Menschen durch ständiges Umherziehen auf der Straße geteilt.

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