Erinnerung

Autor: ehemaliges Mitglied

Erinnerung

*
Gedanken – sie kommen ungerufen
und gehen mir nicht aus dem Sinn.
Erklimmen innere Treppenstufen;
- raunen und wispern vor sich hin...
*
Sie eilen die Treppen `rauf und `runter;
- verweilen kurz an einem Ort.
Sie springen und lachen jetzt ganz munter;
...gleich darauf sind sie wieder fort.
*
Will ich sie fassen, gelingt es mir nicht;
- zu schnell entziehen sie sich mir.
Nur kurz wollen verweilen sie im Licht;
- wie allzu scheues Nachtgetier.
*
Was soll ich nur tun – was kann ich machen ?
Es raubt mir die innere Ruh’.
Kann freu’n mich nicht mehr – kann nicht mehr lachen;
versteh’ nicht, all’ Dieses, - wozu...?
*
Fremde Bilder und fremde Gedanken;
- soviel kann ich nun schon versteh’n :
Es hindern mich meine eig’nen Schranken,
die Dinge im Lichte zu seh’n.
*
Was kann es wohl sein, das ich fürchte so sehr,
dass es sich stetig mir entzieht ?
Hab’ ich es vergessen ? – Weiß ich’s nicht mehr...?
- Sind’s Dinge, die man lieber flieht ?
*
Will letztendlich ich wirklich es wissen,
oder soll’s bleiben, wie es ist ?
Wär’ beides kein sanftes Ruhekissen.
- Beides an meiner Seele frisst...
*
- Ich lass’ es nun einfach in mich fließen;
- versuch’ nichts zu erzwingen mehr.
Möge es doch wie ein Saatkorn sprießen,
bis ich versink’ in diesem Meer...
*
Schon klarer die Gedanken jetzt werden;
doch fremd – fremd wirken sie auf mich.
Ein stürmischer Ritt auf wilden Pferden;
- noch lässt mich der Verstand im Stich.
*
Fremde Namen sowie fremde Welten
halten Einkehr nunmehr bei mir.
Fremde Sprachen auch sind zu vermelden;
- vielleicht ich den Verstand verlier’...?
*
Musik – geheimnisvoll und wunderbar,
von Instrumenten – unbekannt;
wie Quellwasser rein, - wie Kristall so klar;
- als käm’s nicht von menschlicher Hand.
*
Fremd – doch vertraut auch – wie soll ich’s sagen;
- fast wie ein längst vergess’nes Bild.
Ein alter Traum aus den Kindheitstagen;
- gewaltlos, fein, so zart und mild...
*
Dann wieder ein Wechsel – und unheilvoll
düstere Wolken zieh’n zuhauf.
Ist wie Wetterleuchten und Donnergroll;
- doch endlich klart es wieder auf.
*
Die Zeit vergeht – und ich stetig lerne,
mit all’ dem besser umzugeh’n.
Verständnis ist noch in weiter Ferne;
- ein Ende noch nicht abzuseh’n.
*
Ich sehe mich selber als jungen Mann –
als Knaben – als Säugling sogar.
Schulkameraden und Freunde sodann;
- die Bilder so ausnehmend klar.
*
Das geistig’ Auge kann sie erfassen;
Erklärung jedoch tut noch not.
Ich kann und will’s nicht dabei belassen;
- keine Lösung: - Schlimmer als Tod...
*
Was können die Bilder wohl bedeuten;
- die unbekannten Dinge all’ ?
Denn nicht nur von mir bekannten Leuten
ist hier die Rede und der Fall.
*
Fremde Gesichter und fremde Trachten;
Landschaften, die ich nie geseh’n.
Seh’, wie Menschen ihre Zeit verbrachten;
- noch immer kann ich’s nicht versteh’n.
*
Woher kommen wohl diese Gedanken ?
Was wollen sie mir sagen nur ?
Soll ich sie hassen – soll dafür danken,
dass Dieses mir nun widerfuhr ?
*
Ist es nur Gewöhnung – oder doch mehr ?
- Fremde Gestalten – jetzt vertraut.
Sind sie nicht da, vermisse ich sie sehr;
...zu lange ich sie schon geschaut.
*
Ich sehe mich selber – in alter Zeit;
erkenn’ mich, trotz fremder Gestalt.
Mit anderen Kriegern ich lieg’im Streit;
- es herrschet die rohe Gewalt...!
*
Was ist’s ?! ... Bin ich denn verfallen dem Wahn ?
Wie kann wahr sein, was ich hier seh’ ?
- Es würd’ werfen mich aus der Welten Bahn,
wenn ich dies all’s denn übersteh’...
*
Heut’ge Freunde ich erkenne wieder;
- woran ? – Ich kann es sagen nicht.
Ist ein wahrlich wildes Auf und Nieder;
- mal ist’s im Schatten – mal im Licht.
*
Den Sinn alter Sprachen ich kann versteh’n,
ohne sie je zuvor gehört.
Das Rad der Zeit scheint sich rückwärts zu dreh’n;
- ein Mechanismus wohl gestört.
*
Ist’s etwa Erinn’rung, - ist’s Phantasie ?
- Wer vermag es schon zu sagen ?
Vielleicht werde erfahren ich es nie;
-- Keiner, den man könnte fragen.....
*
BMG



 


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Kommentare (18)

ehemaliges Mitglied

Hallo lieber Bernd,
mich hat Dein in der Aussage so ungewöhnlich starkes Gedicht sehr beeindruckt. Ich habe es mehrfach lesen müssen und bin mir immer noch nicht sicher, ob ich die darin versteckten Botschaften überhaupt alle verstanden habe.

Mittlerweile hege ich die Vermutung, das, was Deinen Protagonisten so sichtlich verstört, ist nichts anderes als ein übergroßer Wust noch nicht aufgearbeiteter Sequenzen eines ungewöhnlichen Lebensweges.
Er klagt ja über „fremde Gestalten, fremde Landschaften“ usw.
Vielleicht ist er gerade dabei, wie alle Menschen, evtl. sogar schon im reiferen Alter, seine „Festplatte“ aufzuräumen. In seinen Tag- oder Nachtträumen verbinden sich, wie Du es  beschreibst, Begebenheiten, die oftmals den Schein eines fehlenden Bezuges zueinander haben. Ich kann mir diese Heftigkeit, die Du da so anschaulich in Worte fasst, nur laienhaft so erklären, dass es sich um eine Verknüpfung von zurückliegenden starken Wahrnehmungen, innerhalb einer fremden Kultur, mit den heutigen Erlebnissen handelt. Du schriebst ja von „fremden Gedichten und fremden Trachten“.
Man stelle sich vor, selbst in einem Land als Fremder, mit den unterschiedlichsten Eindrücken konfrontiert zu sein. Sie für sich nicht abklären zu können, weil man Sprach unkundig ist. So könnte es der Person aus Deinem Gedicht doch anfänglich ergangen sein. Er konnte die Sprache nicht verstehen, konnte nur beobachten und sich bemühen, Bilder und Eindrücke aus Mimik, Gestik, Ritualen, Gerüchen usw. aufzunehmen, ohne dass sie ihm im gleichen Moment in der Bedeutung zugänglich wurden. Er saugt erst einmal wie ein Schwamm alles auf und verstaut es in seinem Archiv, dem Gedächtnis. Je mehr er sich dann in diesem fremden Kulturraum etabliert, um so deutlicher wird das vornehmlich Visuelle in den Hintergrund gedrängt, er findet zur fremde Sprache Zugang und beginnt zu versteht. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich sein Umfeld erschließen. Zeitgleich kommt er vielleicht mit Glaubensrichtungen wie dem Hinduismus und dem Buddhismus in Berührung, in deren Anhängerschaft der Glaube an die Reinkarnation eine bedeutende Rolle einnimmt. Wer als Einzelperson über lange Zeit in einer fremden Kultur lebt und nicht in einer Diaspora weitreichend vor fremden Einflüssen abgeschirmt wird, nimmt bewusst oder unbewusst die Lebensart, die Denkweisen, die Rituale und manchmal auch den Glauben an. Das ist eine wichtige Überlebensstrategie und daher völlig normal.
Und nun wieder in der Reflektion mit seinem eigentlichen Kulturkreis, beginnen sich die Bilder, die Eindrücke in seinem Kopf, die fremden Sprachfetzen, die er einst nicht deuten konnte, vielleicht auch kriegerische Geschichten aus der Historie mit dem Hier und Jetzt zu verwaschen. Er ist unfähig zuzuordnen, mischt die Eindrücke aus seiner früheren sinnlichen Wahrnehmung mit der Logik, dem Denk- und Sprach-Verständnis seines heutigen Lebens. Und wie ich meine herausgelesen zu habe, schwingt unterschwellig die Idee der Reinkarnation weiterhin mit. Es ist nach meiner Ansicht eigentlich kein wirklicher Kampf, der sich da in seinem Kopf abspielt und der, wie Du schreibst, eine Angst vor dem „Wahn“ auslöst. Es könnte die Aufarbeitung einer Ausnahmesituation sein, einer sinnlichlastigen Phase bei der Erschließung seines Umfeldes und die erst zeitverzögerte Verknüpfung mit dem Ratio, der sprach- und denkgesteuerten Erkenntnis. Beide Stufen der Erkenntnis stehen sich bei ihm momentan noch diametral gegenüber und erzeugen Zerrbilder und Ängste. Das ist nachvollziehbar.
Wir Menschen sind wahre Meister im Bestreben alles in ein Ordnungssystem zu pressen.. Ich meine das versucht er gerade und die Zuordnung einzelner Bilder und Erinnerungsfragmente fällt Deinem Protagonisten sichtlich schwer.
Syrdal schrieb ja von -sich disziplinieren. Das hieße ja nichts anderes als verdrängen und nicht aufarbeiten. Verdrängung, genau das scheint ja bei diesem Menschen so nicht zu funktionieren und das ist sein eigentliches Problem. Wenn alles aufgeräumt und verarbeitet ist, zieht auch wieder Ruhe in seinem Kopf ein.
Die andere Möglichkeit wäre natürlich der tatsächliche Beginn einer Schizophrenie mit Wahnvorstellungen, desorientiertem Sprechen und Denken und einem sonderbaren Verhalten. Das ist dann aber pathologisch und gehört in die Kategorie -fachärztliche Behandlung.

Aber vielleicht hattest Du beim Schreiben ein total anderes Bild von diesem Menschen vor Augen. Dann gib uns allen die tatsächliche Lösung für dieses rätselhafte Gedicht und lass uns nicht auf unseren Hypothesen sitzen.
Veronika

ehemaliges Mitglied

@Veko  Liebe Veronika - alles 'könnte' natürlich so sein, wie von Dir geschildert, doch habe ich eingangs extra erwähnt, dass ich selbst nicht damit gemeint bin. Es ist im Grunde Niemand speziell damit gemeint, doch lernte ich im Laufe meines Lebens Menschen kennen, die Stimmen vernahmen, ich lernte 'Medizinmänner/Zauberer unterschiedlicher Coleur bei meinen Einegorenen kennen, 'Hellsichtige' usw. Für Jeden 'könnte' eine andere Erklärung greifen, doch 'weiß' ich es nicht - und so sind meine Verse eben als Frage hingestellt.
Danke für Deinen ausführlichen Kommentar.
Gruß, Bernd

ehemaliges Mitglied

@BerndMichaelGrosch  
Genau lieber Bernd, davon bin ich ausgegangen, Du hast ja im Vorfeld eindeutig erklärt, dass es in der Aussage Deinen Überlegungen entspringt, aber nicht Deine Person betrifft.
Also für alle anderen, ich sprach deshalb auch ganz bewusst von einem Protagonisten.  
Ich sehe Dich aber als einen guten sensiblen Beobachter und deshalb habe ich das Erlebnis in den Raum gestellt, in dem Du Dich zeitweise aufgehalten hast. So verkehrt lag ich ja damit wohl nicht. Wir reflektieren schließlich alle, was um uns herum passiert, nehmen es auf und verarbeiten es für uns. Und Deine Erklärung, dass es von allen und von allem etwas ist, scheint plausibel. 
Deine Schilderung ist für mich unglaublich fassettenreich und wie ich jetzt feststelle ein Mix quer durch einen Kulturraum. Aber Du siehst, ich unterliege ebenfalls dem Zwang alles in ein Ordnungssystem einfügen zu wollen. Habe das, was Du aus einer Streuung wie ein Puzzle zusammensetztes auf eine Person projiziert. Jetzt haben wir Deine Erklärung und des Rätsels Lösung.
Aber lassen wir das Gedicht einfach als Fragestellung im Raum stehen und staunen weiterhin, wie gut Du zu beobachten und wie tief Du in die menschliche Psyche einzudringen vermagst.
Ich grüße Dich herzlich!
Veronika

ehemaliges Mitglied

@Veko  Danke für das Lob, auch wenn es vielleicht nicht ganz gerechtfertigt ist. Wissen tue ich nämlich nicht wirklich viel, ich kann nur vermuten und ahnen. Mit Bestimmtheit kann ich nicht einmal sagen, ob die Welt denn so ist, wie ich sie wahrnehme, oder ob ich mir alles nur zurechtphantasiere. Vielleicht bin ich ja Patient in einer Mental-Klinik oder ich schwebe irgendwo im Weltall, bin ganz alleine und bilde mir alles Materielle nur ein.
Du siehst, ich denke zwar gern und hinterfrage Dinge – doch wirklich wissen kann ich nicht. Wenigstens aber bin ich mir dessen bewusst, dass es Dinge gibt, die sich mir vielleicht nie erschließen werden.
Gruß von Dichter zu Dichterin...

ehemaliges Mitglied

@BerndMichaelGrosch  
Ja Bernd, wir sind alle nur ein kleines Staubkorn im Getriebe dieser Welt!
Mehr wollen wir auch nicht sein, denn es währe zu kompliziert. Und wer kann schon von sich behaupten, er wisse alles?
Dir alles Gute für den heutigen Tag
Veronika

ehemaliges Mitglied

@Veko  natürlich es wäre und nicht es währe! so ein Quatsch aber auch!
Sorry!!!!!!!😂

ehemaliges Mitglied

@Veko  Dann machen wir es passend: Es währe die Rechtschreibung...😁

ehemaliges Mitglied

@Veko  Dankeschön und auch Dir alles Guten und Gesundheit. 😃

fluechtling

das macht sehr nachdenklich

ehemaliges Mitglied

@fluechtling  Dann hat es seinen Zweck erfüllt - freut mich.

fluechtling

@BerndMichaelGrosch  daS  erinnert mich an die letzte Zeit meines Vaters

ehemaliges Mitglied

@fluechtling  Oh, das tut mir dann leid, dass Du persönlich davon betroffen warst.

fluechtling

@BerndMichaelGrosch  muß Dir nicht leid tun, es hat mir vieles nochmal vor Augen geführt, was ich damals noch nicht verstanden habe. 
 

ehemaliges Mitglied

@fluechtling  in dem Fall hoffe ich natürlich, dass es Dir auch später weiter helfen kann und wird. Der Mensch glaubt zwar, viel zu wissen, doch am Ende wird es sich vielleicht erweisen, dass wir nur fehlten in unseren Beurteilungen des Lebens....

fluechtling

@BerndMichaelGrosch  wie heißt es so schön? Nichts ist wie es scheint
 

ehemaliges Mitglied

@fluechtling  Wie wahr...😃

Syrdal


Nun, lieber BMG, was du da in „tausend Strophen“ beklagst, ist reinster Beschreibung eines ungebändigten fluiden Gedankenchaos. Dabei handelt es sich wie bei vielem in der physischen Welt um eine arglos zugelassene „Verschmutzung“ – so wie es Luftverschmutzung, Lichtverschmutzung udgl. gibt, hier eben um eine „Sinnes- oder Gedankenverschmutzung“. – Ein jeder Mensch ist von frühester Kindheit an gut beraten, sich und somit freilich auch seine Gedankenströme zu disziplinieren, weil er sonst schwerlich in der Lage sein wird, sich ein wirklich erstrebenswertes Lebensziel zu formulieren und dann unbeirrt seine Lebensaufgabe zu erfüllen.
Wie das zu bewerkstelligen ist… höre ich da fragen. Nun ja, diesen Weg gilt es nun wirklich selbst zu suchen. Hilfreich aber ist z.B. alles zu meiden, was man nicht „denken“ möchte, z.B. keine Filme mit Gewaltszenen (Krimi‘s) konsumieren oder Kriegsfilme ansehen usw. Denn auch wenn man sich sagt „es ist ja nur ein Film“, bleiben die Bild- und Toneindrücke unweigerlich im Tiefenbewusstsein hängen und… werden ganz schnell zum (siehe oben) „ungebändigten fluiden Gedankenchaos“. Dabei gibt es so viel Schönes, Sinne und Seele Erhebendes auf unserer wunderbaren Erde, als dass man sich mit dem Negativen „unterhalten“ müsste und dabei ungefragt in sich hinein lassen dürfte

...meint
Syrdal

ehemaliges Mitglied

@Syrdal    Leider zwar etwas kurz gedacht, dennoch danke für den Kommentar.
Des Dichters Aufgabe sollte es sein, nicht in Gedanken-Starre zu verharren, sondern auch das für Andere Unsagbare und Undenkbare an und in sich zu lassen. Nichts, absolut nichts darf als unmöglich gelten. Wer sind wir, zu behaupten, wir wissen um das Spiel der Welten Bescheid?


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