Hasenessen zum halben Preis


Hasenessen zum halben Preis

Aus der Radeberger Advents- und Weihnachtszeit zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Zu den interessantesten Recherchen meinerseits gehört seit Jahren herauszufinden, wie unsere Vorfahren vor über 100 Jahren die Advents- und Weihnachtszeit begangen haben. Der unmittelbare Weihnachtstrubel fing in der Woche nach dem Totensonntag an, schon damals beherrschten Werbung, Verkaufsangebote und Rabattsysteme den Alltag. Eingeleitet wurden die Weihnachtsvorbereitungen jedoch mit dem Erinnern an die besonders Bedürftigen. So erreichten das Radeberger Land Bittbriefe aus Hermannseifen in Böhmen, aus Kabylagora bei Posen, Meisterwalde in Westpreußen und Silberberg im schlesischen Eulengebirge. Über die Kirchen wurden die Liebesgaben und Bargeldsammlungen zusammengetragen und erreichten pünktlich zum Fest die Bedürftigen. Alle 43 Männergesangsvereine, die Stadtkapelle, das Kraussche Orchester und manche weitere musikalische Vereinigung gaben ab dem 6. Dezember im Stadtgebiet Wohltätigkeitskonzerte, deren Reinerlös, 1904 waren es 3067,55 Mark, der Weihnachtsbescherung für Stadtarme zuflossen. Aus heutiger Sicht ist zum Beispiel schwer vorstellbar, dass es allein im Salon des Bahnhofs Radeberg sechs solcher Konzerte gab und an einem selbst Sachsens König Friedrich August III. teilnahm.

Zu den minder schwer vorstellbaren Gepflogenheiten zählen die der Öffnungszeiten der über 350 Geschäfte in der Röderstadt. Diese waren seit dem 1. Adventssonntag immer bis 21 Uhr an allen Tagen geöffnet, ab dem 11. Dezember bis zum 24. Dezember täglich bis 22 Uhr, etwa 40 Geschäfte hatten gar bis 23 Uhr geöffnet. Auch während der Feiertage hatten Milch-, Blumen-, Kohlen- und Haushaltwarengeschäfte geöffnet, vor dem Gottesdienst meist bis 8.30 Uhr und mittags bis 13 Uhr.

Zu den Adventstraditionen gehörten der Bockbieranstich „des hochfeinen Bockbieres der Radeberger Exportbierbrauerei“. Hierzu bewarben sich Radebergs Gaststätten bereits im August und nach und nach wurden diese Gaststätten in den Anstich einbezogen. Den Anfang 1904 machten Ungers Restauration und das “Edelweiß“. Ab dem 11. Dezember durften dann auch Bockbier der Dresdener Brauerei Feldschlößchen ausgeschenkt werden.
Da der Wettbewerb um Gäste frei war, versuchten Gastwirte mit den unterschiedlichsten Methoden Kunden zu gewinnen oder zu halten. So warben vier Gaststätten am 11. Dezember mit einem Hasenessen zum halben Preis. Wahrscheinlich war dieses Wild reichlich geschossen worden. Curt Hauswald, Gastwirt des renommierten Gasthofes „Zum Roß“, veranstaltete wegen eines fehlenden Tanzregulatives vom 9. bis zum 21. Dezember ein Preisschießen auf dem Saal, dessen Hauptpreise in 10 Wanduhren ausgelobt waren.

Auch wurde nun Gespartes für Weihnachten aktiviert. Die Bäcker gaben den Steuerstollen aus, so Bruno Hupfer auf der Friedrichstraße drei Stollen für 5 Mark. Radebergs Hausfrauen hatten seit Januar regelmäßig kleinere Beträge eingezahlt und sparten so bis zu 16 Mark. Die Sparklubs sorgten mit ihren Angaben gewiss für manchen Neid. Den Rekord im Radeberger Land verbuchte der Liegauer Sparklub mit 4320 Mark Auszahlung, da nimmt sich der Radeberger Spitzenwert aus Kaisers Restaurant am Bahnhof mit 2800 Mark fast bescheiden aus. Das Geld wurde nunmehr zum Erwerb der Geschenke und der Köstlichkeiten benötigt. Die größeren Kaufhäuser wie Rudolf Lederer oder Minna Ikenberg gaben neben einem Rabattsystem ab 1 Mark Warenerwerb an der Kasse ein Weihnachtsgeschenk aus. Eine Neuheit führte Rudolf Lederer mit einer organisierten Kinderbetreuung ein. „Damit die Frauen die Haushaltswarenausstellung sich genau betrachten konnten“, führte er die Neuheit ein. Wenn dann noch Waren für 5 Mark gekauft wurden, erhielt jedes mitgebrachte Kind ein Weihnachtsgeschenk gratis.

haweger

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