Hören und Sehen


Hören und Sehen

»In den ersten drei Monaten des Jahres 2023 sind bei ihrer Flucht über das Mittelmeer nach Angaben einer UN-Organisation 441 Migranten ums Leben gekommen. So viele Todesfälle seien im ersten Quartal eines Jahres im Mittelmeer seit 2017 nicht mehr registriert worden, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch in Genf mit. Sie führte die steigende Zahl auf Verzögerungen bei staatlichen Rettungsmaßnahmen und Behinderungen von Rettungsschiffen von Nichtregierungsorganisationen zurück.« (dpa)
 
Wir können sie täglich hören, sehen. Eigentlich ist das eine Tatsache, die uns sehr zu schaffen macht. Nein - falsch ausgedrückt: Die uns zu schaffen machen sollte! Tut sie aber nicht, wir werden mehr und mehr abgestumpft von all dem Elend, das wir uns jeden Tag ansehen müssen. Und irgendwann reißt auch unser Geduldsfaden und wir schließen die Augen vor der apokalyptischen Ansicht der massenhaft Sterbenden, die in den Gewässern des Mittelmeers ihre Lebendigkeit verloren.
        Für sie scheint es der Styx in Achaia zu sein. Der Fährmann Charon nahm aber nicht nur die eine Münze, die sie unter der Zunge hatten - er nahm alles, was sie jemals besaßen und dazu noch ihr Leben. Es ziemt uns jedoch nicht, Krokodilstränen zu vergießen. Erst als sie starben, erkannten sie vielleicht, dass eine Flucht vor dem Tod unmöglich ist. Früher oder später wird allen, auch den Zuschauern, die Liste verlesen und das Einzige, dass sicher bleibt, ist das Ende.
        Da bleibt noch die Frage: Wovor laufen diese Leute weg? Welche Träume sind in ihrer unvollständigen Vorstellung verkrustet? Wo glaubst du, kommst du her, Mensch? Jeder von uns weiß mehr oder weniger, wovor diese Migranten (wie sie jetzt heißen) fliehen, es reicht schon, ihren Herkunftsort zu kennen. Manche fliehen vor Krieg, andere vor Hunger, wieder andere vor Elend, vor Unterdrückung oder angestammten Feinden. Sie fliehen Richtung Mittelmeer, nach Norden und Westen, Europa an der Spitze.
        Mich interessiert, was sie sich vorstellen, vorzufinden, wenn sie es schaffen, die europäischen Küsten zu erreichen? Wie stellen sich Migranten Europa vor? Wie das Land? Wie die Menschen hier? Wie das Leben, die Kultur? Sie sind jedenfalls da, die Überlebenden! Sie fliehen vor Kriegen und fallen in die Hände derer, die ihnen Waffen verkaufen, um sich gegenseitig zu töten!
        Diese Prosa und Poesie unserer Welt entzieht sich mir weiterhin, wird sich niemals meinen Gedanken öffnen, weil sie keinem gehorcht und vollkommen ungebunden daherkommt. Fragen darf ich, ja. Doch Antworten …?

 

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Kommentare (7)

Distel1fink7

Das ist ja das Dilemma, dass es keiner weiss.
Ich frage mich, wie lange das noch gut geht.

Distel1fink7
Renate

Agathe

Das Schicksal dieser Menschen ist unglaublich traurig. Ich frage mich oft, wie ich damit umgehen könnte, wenn ich in dieser Situation wäre.
So viel Leid ist fast nicht zu ertragen. 

Pan

Ich weiß, es ist einfach darüber zu schreiben. Aber keiner kann seine Gedanken durch ein Sieb fließen lassen ...
meint Horst

 

lillii

Lieber Horst;7

die Frage bleibt; vor was laufen sie weg  ..

sie haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft..und denken, dass alles, was sie vorfinden, besser ist als das, was sie haben.
Wir können uns das gar nicht richtig vorstellen.
Was werden sie finden.... ?
ist die nächste Frage...

wir wissen es häufig nicht recht zu schätzen, dass wir hier leben dürfen.....

LG Luzie
 

Pan

Ja, Luzie, wir alle sollten ganz schön behutsam mit unseren Vorurteilen umgehen, denke ich so bei mir. Wir allesamt dürfen uns glücklich schätzen! Danke für deine Meinung ...
Horst

Syrdal


Lieber Horst,
welche Antwort könnte es hierzu geben?
Wer könnte eine schlüssige Antwort haben?

...fragt so wie Du auch
Syrdal

Pan

Ich weiß auch keine. Ich kann nur immer wieder alles zitieren, damit nichts in Vergessenheit gerät - 
grüßt Horst

 


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