Kartoffelferien und Einkellerungskartoffeln


Kartoffelferien und Einkellerungskartoffeln
Erinnerung und Geschichte
Immer wenn der Oktober herankommt, habe ich in meiner Erinnerung den großen „K(r)ampf“ mit den Kartoffeln. Herbstferien als Kartoffelferien und Einkellerungskartoffeln als Arbeitsaufgabe. Ersteres war mit einem Einsatz als Kinder verbunden als Klasse oder privat. Pro Korb gab es eine Wertmarke, die man am LPG – Stützpunkt gegen Bargeld eintauschte. Und dann die Kaffeezeit. Bei einem Bauern gab es oft Eierschecke, die Mehrzahl hatte Fettbemmen und Malzkaffee. Das Einkellern wurde mit dem Handwagen besorgt, vom Konsum, wo man bestellte hatte. Nach Hause, einige aus dem Sack heraus und dann auf dem Rücken den Rest in den Keller. Manches Jahr hatten wir 18 Zentner geholt, es gab ja noch eine Ziege und Hühner, die auch davon bekamen. Solche Geschichten kann wohl fast jeder in unserer Gegend erzählen. Heute sind kaum noch Kartoffelfelder zu sehen. Dabei war die Kartoffel in den letzten 250 Jahren das Grundnahrungsmittel.
Ich will mich im Folgenden eher der lustigen Seite widmen. „Jeden Tag Kartoffeln, das ist ‚ne wahre Lust!“ schrieb einer im Jahre 1907. Und dann zählte er die Machart auf: Montags Kartoffelbrei, dienstags Kartoffelsalat, mittwochs Kartoffelpuffer, donnerstags Kartoffelklöße, freitags Pellkartoffeln, sonnabends Bratkartoffeln und sonntags Salzkartoffeln mit Fleisch. So oder so ähnlich lief es vielfach ab. Und die Sehnsucht nach großen Kartoffeln war groß. Die sollten in Amerika wachsen. Und so sang man: „Die Kartoffel wächst auch prächtig, drei, vier Pfund wohl an Gewicht; und es ist kein Mensch so mächtig, dass er sie vom Stocke bricht!“
In den Leineweberliedern des frühen 19. Jahrhunderts wurde u. a. gesungen: „Auch an Kartoffeln fehlt es sehr und an Butter noch viel mehr!“ Und dann klärte man auf: „Herbei, herbei, zu meinem Lied, Hans Görgel und Michel Stoffel! Ich sing Dir das Ehrenlied vom Stifter der Kartoffel!“
Zwei Scherzlieder hatten die Kartoffel zum Inhalt, so auf die Arbeit der polnischen Erntehelfer in Schlesien, Sachsen und Brandenburg gemünzt. Hierin hieß es: „Dobsche, dobsche, tralala, - Macht sich Antek Bratkartoffel, rührt sich um mit Holzpantoffel!“ oder das weit verbreitete Scherzlied mit dem Refrain „Wenn im Tal die Bratkartoffeln blühn…“
Sei noch an den sozialistischen Wettbewerb zur Kartoffelernte erinnert. Unabhängig von der Vegetation gab es Funktionäre, die den Plan zum 7. Oktober auch hier erfüllen wollten. Da gab es den Propagandaspruch: „Ohne Gott und Sonnenschein – bringen wir die Ernte ein!“ Worauf hier oft in Ergänzung zu hören war: „Ohne Sonnenschein und Gott, geht die DDR bankrott!“ Manche ahnten es wahrscheinlich… Und als nach dem strengen Winter 1962/63 die Pflanzkartoffelvorräte stark zurück gingen, wurden nahezu alle Haushalte auf Reserven überprüft. Da es ein buntes Gemisch von Kartoffelsorten gab, brachte mein Vater eines Tages die Nachricht mit „In der DDR gibt es eine neue Kartoffelsorte! – Die Sorte Bettelstudent!“

haweger

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