Eigentlich war es immer so recht, in einem der dahin rollenden Schnellzüge einen Sitzplatz im Sechser-Abteil einnehmen zu können. Und wenn das dann noch ein Fensterplatz war, dann war die Welt total in Ordnung. Herrlich, dem Telefonleitungsgespinst zu folgen, dieses so von Mast zu Mast sich leicht zur Mitte senkend und wieder anhebend, und das Vorbeiflutschen der Masten in gleichmäßigem Abstand und Rhythmus, so, wie der Zug dahineilt.

Ich hatte nur einem Platz in einem Nichtraucher-Abteil gefunden. Die Fensterplätze hatten zwei ältere Damen bezogen, ich hatte eben einen Platz an der Abteiltür zum Gang bekommen, und den so, dass ich in Fahrtrichtung auf mein Gegenüber schauen konnte.

Damals war ich noch Raucher. Also ging ich hinaus auf den Gang des D-Zug-Wagens, schlängelte mich an sich da aufhaltenden Fahrgästen an den Kopf des Wagens. Da war ja immer eine „Diele“, wo die Türen zu Ein- und Aussteigen waren und wo man auch das Rollende Örtchen besuchen konnte. Schließlich auch eine Schiebetür, die aus dem Wagen über eine verkleidete Brücke zum nächsten Wagen führte. Da konnte man also rauchen, was da im Nichtraucher-Abteil nicht gestattet war.

Nach dem Genuss der Zigarette kehrte ich zu meinem Sitzplatz zurück. Ich saß noch nicht lange, da sprachen mich die Damen auf den Fensterplätzen an. Sie stellten gekränkt fest, dass ich geraucht hatte und noch den Dampf mit mir herumschleppte. Das war mir peinlich. Innerlich nahm ich mir vor, eben nicht mehr im Nichtraucher-Wagen zu rauchen.


Viele Jahre später – ich war zu dem Nichtrauchern „übergelaufen“ – fuhr ich im IC im Großraum Wagen. Der Zug war voll. Mein Gegenüber war eine Dame in Tracht, eine Nonne. Ich hielt mich schüchtern zurück, beobachtete diese zierliche Person, was sie wohl ebenso registrierte. Wer hat angefangen? Ich weiß es nicht mehr. Und was haben wir uns alles erzählt! Es ging um die Computerei. Wenn ich glaubte, das so etwas in Kloster und so wohl wenig bekannt wäre, dann wurde ich des Besseren belehrt. Wir tauschten recht lebhaft unserer Beiden Fachkenntnisse aus. Keinerlei Langeweile. Abschied in Mainz, ich musste umsteigen, die Schwester dagegen fuhr weiter nach Köln.


Wenn wir Herren mal wieder nach München, Stuttgart oder wer weiß wohin Dienst reisten, dann vertraten wir uns die Beine im Zug, indem wir bis zum letzten Wagen wanderten. Es war so spannend, der über dem Wagen sich hin und her schlängelnden Oberleitung zuzuschauen, das Heranführen eines neuen Fahrdrahtes und das Wegleiten des alten Fahrdrahtes zu den Spannwerken. Oh, das interessierte dieses alles, sollte es doch auf unserer Modellbahn mal ganz genauso, aber eben viel kleiner aussehen.


Und wie war das früher noch viel spannender, nämlich, wenn ein Dampflok-Wechsel stattfand. Da stand man dann neben dem dampfenden und zischenden, schwarzen Ungeheuer. „Fachwissend“ waren wir stolz, den Typ von Lokomotive zu kennen. Zu gerne wäre man oben im Führerhaus einmal mitgefahren. Damals nach langem Antragsweg nur mit doppeltem Fahrpreis möglich. So durfte ich einmal in der Kur einem pensionierten Lokomotivführer zuhören, was er, der recht alterssteif war, von seinen Fahrten zu erzählen wusste. Er fuhr Dienste so vom Anhalter Bahnhof nach München und so weiter, musste auch einmal einen Regierungszug mitziehen, alles noch vor dem Kriegsende. Und er erzählte von erlebten Luftangriffen, bei denen er nicht, aber seine Lok Blessuren erlebte.

Langeweile? Auch heute mit den flinken Zügen oder bei dem Taktverkehr kann es nicht langweilig sein. Wie schön, dass ich jetzt wenigstens noch die Berliner S-Bahn erlebe – wenn alle zehn Minuten sich nahe meinem Fenster zwei Züge im Haltepunkt begegnen. Mich stört das sirrende Geräusch der Bahnen nicht, im Gegenteil: wehe sie fallen aus, dann … man spürt das selbst im Schlaf, dass der Fahrplan gestört ist.

ortwin

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