Martinstag

Die köstlichste Scheibe Brot meines Lebens bekam ich an einem nassen kalten Novembertag geschenkt. Am Martinstag war ich mit einer Gruppe Kinder im Dorf umhergezogen, um „Matten Matten Meeren “zu singen.

Matten Matten Meeren,
die Äpfel und die Beeren.
Lasst uns nicht so lange steh’n,
wir wollen noch nach Bremen geh’n.
Bremen ist 'ne große Stadt
da geben alle Leute was.
Den Großen und den Kleinen,
sonst fangen sie an zu weinen.
 
Wir waren den ganzen Nachmittag von Hof zu Hof gelaufen und hatten überall eine Kleinigkeit geschenkt bekommen – einen Apfel oder eine Birne, ein Bonbon, einen Keks oder sonstige Nascherei. Es war bereits dunkel und hatte angefangen zu regnen, mir war kalt, meine noch so kurzen Beine waren müde und ich hatte Hunger. Deshalb lief ich rasch ins Haus, als die Gruppe dort vorbeizog. Doch leider war die Wohnungstür abgeschlossen, meine Mutter war ausgegangen. So lief ich rasch wieder hinter den größeren Kindern hinter her. Die hatten sich auf den Weg ins nächste Dorf gemacht, um noch mehr Geschenke zu sammeln. Meine Beine wurden schwerer und schwerer, am liebsten hätte ich mich ins nasse Gras gesetzt, um zu weinen.Doch dann wäre ich in der Dunkelheit ganz allein gewesen, also lief ich weiter mit. Schließlich kamen wir zum Bäcker im nächsten Ort. Aus der Backstube strömte schöne warme Luft und der köstliche Geruch nach frischem Brot. Der Bäcker kam mit einem noch warmen Laib Brot zu uns an die Haustür, schnitt für jedes Kind eine Scheibe ab und reichte sie uns. Ausgehungert biss ich sofort hinein und habe bis heute den herrlichen Duft und Geschmack dieser Scheibe Brot nicht vergessen.
 
 

Anzeige

Kommentare (4)

ehemaliges Mitglied

Da kommen Erinnerungen auf nach dieser schönen Beschreibung.
Gruß, Bernd😃

ehemaliges Mitglied

Liebe Donna,
was für ein schönes Kindheitserlebnis. Wir Kinder sind früher auch gerne am Martinstag singen gegangen und am Abend waren unsere Tüten gut gefüllt mit Süßigkeiten, Obst und manchmal gabs auch ein paar Pfennige. Wir waren ja noch bescheiden und die große Tüte teilte man sich ordentlich auf mehrere Wochen auf. Immer mal eine Kleinigkeit naschen, was war das schön!👍 Meine Tüte hielt meistens bis Weihnachten, dann gabs Nachschub in Form eines bunten Tellers.😆
Leider gibts diesen schönen Brauch heute kaum noch. In den letzten Jahren kamen schon gar keine Kinder mehr. Irgendwie doch traurig.
Ich danke Dir fürs Einstellen der Geschichte und wünsche einen gemütlichen Abend
Jutta
 

Donna_R

@Juttchen  Ich glaube, es gibt immer weniger Kinder. Deshalb klingelt niemand mehr an der Haustür und singt.

nnamttor44

@Donna_R
Halloween kommt vor dem Martins-Tag und da dürfen sich die Kinder auch noch verkleiden, gruselig schminken ... Und dann singen sie an den Haustüren teils Droh-Liedchen! Dafür muss man sich dann mit ein paar Klimper-Geldstückchen oder Süßigkeiten "freikaufen". Da kommt St. Martin nicht mehr mit. Dann haben sie oft keine Lust mehr, am Martins-Umzug teilzunehmen. Für die Kindergartenkinder ist ddas Basteln einer eigenen Laterne oft viel wichtiger. Und überhaupt: wer war St. Martin??

Noch früher, Mitte September, gabs in Münster zu meiner Kinderzeit "Lambertus". Die Größeren bastelten ein hölzernes Dreibein, das mit "Franzosenkraut" umwunden wurde und eine Woche vor Lambertus (17.09.) konnte man von der Straße das einladende Singen hören:

Kinder kommt runter, Lambertus ist munter!

Und dann liefen viele Kinder zur bereitstehenden Pyramide, steckten ihre Laternen darin fest und bildeten bald einen Kreis, manchmal auch zwei Kreise, weil so viele Kinder teilhaben wollten. Dann wurden, bis es dunkel wurde, Lieder gesungen: 

Der Buer, der kommt, der Buer, der kommt, der Buer der kommt noch lange nicht ...

Wenn dann aber am 17. September ein Erwachsener als Bauer verkleidet mit prall gefülltem Korb mit Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Süßigkeiten oder auch Brotfiguren, gab es ein Lied mit vielen Strophen, in denen der Bauer sich einen Hut, eine Frau, ein Kind, einen Hund aus den Kreisen der Jungs und Mädchen wählte, bis er zum Schluss mit einem "Knüppel" verjagt wurde, aber seinen Korb zurücklassen musste - und alle stürzten sich auf den Korb, um sich einen Teil seiner Ernte zu sichern. Und mit viel Gelächter ging es wieder nach Hause.

Danach konnte man dann von der Straße ein paar Tage hören:

Kinder bleibt oben, ist alles gelogen ...!

Damals war noch kein Halloween aus den USA herüber geschwappt und als stark katholische Stadt gab's in Münster auch keinen Martinstag ...


Anzeige