Mimesis

 
Das Humane haftet an der Nachahmung: ein Mensch wird zum Menschen überhaupt erst, indem er andere Menschen imitiert. 
(Theodor Adorno)
 
Ich stelle jetzt fest: ich kann überhaupt nicht schreiben. Jedenfalls nicht so, dass ein jeder das gelesene gleich verstehen und nachvollziehen kann. Das ist mein Manko, leider. Aber ich tue so, als ob ich es könnte. Außerdem versuche mich als Nachahmer von denen, die wirklich schreiben können.
Irgendwann sagte mir mal ein Freund, dass er gern so schreiben würde wie ich. Ich sagte ihm, dass es genau so richtig wäre, wenn er mich nachahmen könne, so wie ich es auch machen würde!
        Bedarf es eines ausgefallenen oder originellen Stils, um als Persönlichkeit in Erscheinung zu treten? Was unterscheidet einen Romanschreiber, (der glaubt, einer zu sein), von einem Philosophen? Es gilt als charmant, jemandem zu sagen, er oder sie sei eine inspirierende Persönlichkeit. Genauso gut könnte man ihm oder ihr vorsichtig sagen, dass ihre oder seine Art zu schreiben, unnachahmlich sei. Die Kunst besteht darin, alles schön zu verpacken, damit der Inhalt interessant wird!
      Im Grunde müsste man dreimal leben, um im dritten Versuch vielleicht einmal weise genug zu sein, nicht mehr improvisieren zu müssen. Aber wir leben nur einmal. Wir wissen nicht, was das alles soll. Deshalb ahmen wir jene nach, die auf uns den Eindruck machen, sie wüssten, worauf es in diesem rätselhaften Dasein ankommt.
Weisst du’s? Oder Wir? Wir alle haben - man ahnt es - auch bei anderen abgeschaut, wie man einen solchen Eindruck erwecken kann. Sind wir deshalb weniger wert? Bestimmt nicht.
        Eines Tages, früher oder später, werden wir selbst zur Grundlage eines Elaborats. Und daran ist nichts verkehrt, sondern es ehrt uns im Grunde genommen. Weil wir dann wissen: Wir gehören in die Reihe der Menschheit, die Leben und Wissen weitergibt!

 

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Kommentare (2)

Syrdal


Sind wir nicht alle "geborene" Mimetiker? Absolut unerfahren werden wir ins Erdenleben geworfen und schauen ab sofort von anderen rund herum ab, was zu tun ist, um zu (über)leben. - Wir beobachten, ahmen nach… probieren, wiederholen, erkennen, üben und manchmal verfeinern (oder verderben) wir das Nachgeahmte. Nur eine Sache können wir weder wiederholen noch üben und nur ein einziges Mal nachahmen… das Sterben. Zwar können wir Sterbende fürsorglich begleiten, aber  selbst erfahren werden wir es nur ein einziges Mal. Und dann kommt es darauf an, es beim Nachahmen ohne jegliche Übung sofort zu können! Das aber hat bisher noch eine jeder gebracht...

...überlegt
Syrdal

Pan

Ja, lieber Syrdal, einmal und nie wieder, da ist es völlig gleich, ob Sunrise oder Sundown, Ernte oder Blütenzeit. Da gibt es kein Nachahmen mehr, und jede Bewertung macht keinen Sinn!
»Jeder stirbt für sich allein« schrieb einst E.M.Remarque, und was ist wahrer als das? Aber das Licht ist noch hell, wenn es einst verlöscht, ist es dennoch ein Neuer Tag!
Lasst uns daran denken, dass wir nichts üben müssen - denn:
es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen ... 
meint mit herzlichem Abendgruß
Horst


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