„Die Geblerin hatte Feuer unter das Pfannenloch gemacht“


Vor 275 Jahren brannte Radeberg zum zweiten Male - eine Aktenrecherche

„Die Geblerin hatte Feuer unter das Pfannenloch gemacht“

Innerhalb von 27 Jahren kam es in Radeberg im 18. Jahrhundert zum zweiten großen Stadtbrand. Waren es 1714 mehrere zündende Blitzschläge, die zur Katastrophe führten und über 600 Einwohner obdachlos hinterließ. Mehr als 120 Wohnhäuser waren nicht mehr bewohnbar. Und dann kam die hereinbrechende Nacht des 18. Mai 1741. Gegen 23 Uhr wurde das Feuer in der Stolpischen Gasse, heute Niederstraße, bemerkt. Da praktisch alle Radeberger im ersten Schlaf von dem ausbrechenden Feuer überrascht wurden, gab es eigentlich nur Chaos. Im Nu standen zehn Wohnhäuser der Stolpischen Gasse in Brand. Es war an ein planmäßiges Löschen nicht mehr zu denken, zumal praktisch jeder selbst versuchte noch etwas zu retten.
Radebergs Stadtschreiber notierte am 20. Mai1741: „Nichts hat widerstanden, denn zugleich trat ein heftiger Wirbelwind auf….Das kurz vor der Vollendung stehende neuerbaute Rathaus und vier Torhäuser, das Wachlokal des Corps de Garde auf dem Markt, drei Wohnungen der Geistlichkeit und 189 Privathäuser, dazu 7 Häuser im Burglehn wurden ein Raub der Flammen“.
Nach der Niederschrift zu urteilen, dauerte das Hauptereignis nur etwa eine Stunde. „Es hat alles in völliger Gluth gestanden“, schrieb der Stadtschreiber Christian Berger nieder.
Bisher unbekannt, es gab auch zwei Tote. „Die Muhme Sabine Thomaßin und die jüngste, nur mit einem Arm geborene Tochter, sind jämmerlich mit verbrannt. Es gab keine Rettung, es hatte nur jeder sein Leben, und jeder war bestrebt nur zu überleben“. Soweit die Notiz, die in den Folgetagen von fleißigen Kopisten vervielfältigt, gesiegelt und gestempelt wurde. Damit konnten Obdachlose zunächst die Stadt verlassen, um in den Dörfern und Städten Sachsens unterzukommen.

Bis heute ist oft geschrieben und berichtet worden, dass Anna Maria Geblerin durch das Flachs brechen und dörren die Brandkatastrophe heraufbeschworen hatte. Doch das stimmt nicht, denn in den Verhörprotokollen und weiteren Schriftstücken ist davon überhaupt keine Rede. Nur einmal wurde im Verhör dieses Thema gestreift und Anna Maria Geblerin sagte aus, dass sie zuletzt vor einem halben Jahr Flachs im Backofen gebrochen hatte. Die Schneiderswitwe, fast vierzig Jahre alt, und allein in dem Häuschen wohnend, hatte zu ihrem Unterhalt Erbgelder, zwei Kühe und zwei Hühner. Damit konnte sie ein bescheidenes Leben führen.
Zu ihrer Hilfe wird noch eine sechzehnjährige Magd, Rosina Börner von Mittelbach gebürtig, im Haushalt erwähnt. Sowohl die Geblerin als auch die Magd werden am 20. Mai festgenommen und im Schloss arretiert.

Nunmehr beginnt ein mehrfaches Verhören, immer wieder tauchen neue Versionen des tatsächlichen oder vermeintlichen Geschehens auf. Das Verhör wird unter Mithilfe des Amtes zunächst vom Ratsassessor Johann Christian Messerschmidt geführt. Stadtschreiber und weitere namentlich nicht genannte Hilfskräfte sekundieren das Verfahren. Da Anna Maria Gebler erst einmal alles bestreitet, greift Messerschmidt zu einem ungewöhnlichen Mittel. Er lässt die vermeintlich Schuldige am Ausbruch des verheerenden Brandes durch die abgebrannte Stadt führen. Es ist nicht überliefert was ihr dort begegnete, auf jeden Fall ist sie danach aussagewilliger. Zumal auch weitere Zeugen einzeln oder zu ihrem Angesicht auftreten.

Sie gibt zunächst an, dass sie nicht wisse, woher das Feuer komme, „auch wenn sie dies das Leben kosten würde!“ Die Geblerin war sich also schon mit ihrer Verhaftung ihrer Rolle zumindest bewusst. Vom Abend des Tages sagt sie zunächst, dass sie im Bette liegend ein Rascheln und Klopfen im Backofen bemerkt habe. Sie dachte es sei die Katze gewesen. Als es nicht aufhörte, sei sie aufgestanden und über der Kochstelle (der Backofen wurde dazu benutzt, wie sie später aussagt) hätte es „schon helle gebrannt“. Danach sei sie „im Hembd“ auf die Gasse gelaufen und habe dreimal „Feuer“ gerufen. Dann sei sie nochmals ins Haus gegangen um sich einen Rock anzuziehen. Ihre beiden Kühe habe sie danach aus dem am Haus angebauten Stall, den man durch das Haus betreten konnte, heraus getrieben und in Tritzschlers Garten gebracht. „Da habe die Stube schon gebrannt“.

In den nunmehr folgenden Zeugenaussagen werden die Widersprüche ihrer Aussage geklärt, sodass ein recht eigenwilliges Bild zustande kommt. Manche geben an, Anna Maria Gebler habe nur gebetet und „Gott, den Allmächtigen“ angerufen.
Es ist hier kein Platz alle interessanten Details widerzugeben. Brandsachverständige gab es damals noch nicht und so gibt es drei Versionen über die Ursache des Brandes. Die wichtigste Tatsache dürfte sein. dass der Backofen nach oben geöffnet war und praktisch über einen offenen Abzug in die Feueresse führte. Auf dem Backofen lag Scheitholz und im angrenzenden Boden des Stalles trockenes Reißig „von einem halben Schock“. Jeder kann sich vorstellen wie explosionsartig dieses Reißig zum Brennen kommt. Das Haus wie fast alle anderen nur in Holz gebaut und das Dach mit Holzschindeln gedeckt, dazu Lehm- und Stroh in den Wänden, eine vortreffliche Brandnahrung.
Zwei weitere Aussagen könnten die Ursachen zwei und drei beinhalten. So will die Geblerin mit einem Kienspan im Stalle gewesen sein und den Span an das Türeisen gesteckt haben. Die Magd machte darauf aufmerksam, dass im Backofen „Päppe gewärmt“ wurde. Vermutlich ein Grützbrei. Unter dem Tiegel war Feuer gemacht worden. Wahrscheinlich war Fett in den Ofen gelaufen und hatte sich entzündet. Mit Wasser gelöscht eine weitere mögliche Brandquelle. Das sie Feuer gemacht habe gab sie in einem späteren Verhör zu. Es kann auch schon da etwas aus dem Ofenloch gefallen sein, denn sie will „es gedämpft haben“.

Sei es wie es sei, Anna Maria Gebler wurde nachdem man in Leipzig ein Rechtsgutachten eingeholt hatte, am 26. Oktober 1741 verurteilt. Sie musste zwei Stunden am Pranger stehen und danach des Landes verwiesen. Ihr Vermögen wurde vollständig eingezogen. Daraus wurden die Gerichtskosten beglichen. Wahrscheinlich starb sie nach 1750 im Böhmischen. Das Haus durfte einhundert Jahre nicht aufgebaut werden.

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