Verwunschene Gedanken XXIX.


Verwunschene Gedanken XXIX.

Licht und Schatten
 
Wo Licht ist, muss es auch Schatten geben. Wer kennt diese Weisheit nicht? Es gibt stets zu allen Erfahrungen des Lebens immer auch den Gegenpol. Wenn es in Europa beispielsweise Mitternacht ist, hat Australien Mittagszeit, das weiß jedes Kind. Es gibt kein Minus ohne Plus, kein Ich ohne Du. Wer das verneint, negiert auch sämtliche Gegensätze der Welt.        In der vieltausendjährigen Geschichte der Menschheit gab es stets dieses Auf und Ab, das Kommen und Gehen von Menschen, von Staaten und von Kulturen.
       Zu allen Zeiten gab es herausragende Führungsgestalten, große Menschen von Geist und Willen. Sie holten die Menschheit heraus aus den Höhlen und Hütten und brachten sie empor zu den Höhen des kulturellen Olymps. Die Geschichte ist voll von ihren großen Taten.
Ebenso aber gab es auch die Kräfte, die alles daran setzten, solche Menschen in den Abgrund zu stürzen, um selbst die Macht an sich zu reißen. Und sehr oft, sicher viel zu oft gingen diese Pläne dann auch auf. Die Schattengestalten, wie ich sie mal nennen möchte, katapultierten sich einfach an die Spitze der jeweiligen Institutionen, meist aus völlig egoistischen Gründen. Und auch ihre Namen sind in der Geschichte der Menschheit unzählig vertreten.
       Bertolt Brecht, der große Dramatiker und Lyriker beschreibt in seiner Dreigroschenoper »die Einen, die im Licht« sind, daneben auch »die Anderen, im Dunkeln, die man nicht sieht!«
       Ist es nun möglich, dieses Naturgesetz auch auf das menschliche Leben auszudehnen? Wollen wir hier einmal versuchen, dieser Frage nachzugehen. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Man sieht also nur die Menschen, die im Licht stehen, all die vielen Menschen auf des Lebens Schattenseite sind nicht sichtbar. Eigentlich logisch, nicht wahr? Dabei taucht aber die Frage bei mir auf: Sind alle, die nicht im Licht stehen, negative Gestalten? Kann es sein, dass man nur deshalb verachtet, ausgestoßen oder gar verfolgt wird, weil man nicht zu den Lichtgestalten gehört? Was ist das denn für eine Welt, in der, nur der zählt, der ›oben‹ ist, eine inhumane, fürchterliche Erde wäre das doch.
       Aber es scheint ja so oder ähnlich zu sein. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass immer und immer wieder Machtmenschen die Gewalt über andere ausüben? Wie ist es zu erklären, dass auf der Erde fast 7,5 Milliarden Menschen leben und einer von neun Menschen weltweit jeden Abend hungrig schlafen gehen muss. Wie kann es sonst sein, dass mehr als 160 Millionen Kinder unter fünf Jahren für ihr Alter zu klein und unterernährt sind, weil sie eben nicht genug zu essen haben. Die Hälfte von diesen Kindern lebt in Asien, ein Drittel in Afrika. Jedes siebte Kleinkind ist stark untergewichtig. (Quelle: State of Food Insecurity in the World)
       Ist das nun alles die Schuld der "Menschen in der Dunkelheit"? Ich denke: Wir alle stehen zum Teil im Licht und teilweise auch mit in der Dunkelheit! Man stelle sich vor - im Jahre 2050 wird die Erdbevölkerung ca. 9 Milliarden Menschen betragen! Glaubt da noch einer, dass die Spitze des Eisbergs schon erreicht wäre??
       Licht und Dunkel sind polare Gegensätze. Genau wie Reich und Arm, Groß und Klein. Das sind Tatsachen, sie unumstößlich sind. Warum aber, und das frage ich mich schon seit ewigen Zeiten, warum ist der eine Teil der Negative, während der Andere stets positiv gesehen wird?
Wir stellen uns gegen die, die unsere Freiheit beschränken wollen, das ist auch unser gutes Recht. Schöne Worte, nicht wahr? Wer sind eigentlich diejenigen, die uns den Freiraum beschränken wollen? Sind es diejenigen, die nach Volksmeinung angeblich im Schatten sind? Ja, ganz eindeutig!
       Aber, und das soll nicht vergessen werden, diese Machthaber, sie sind ja gar nicht im Schatten, sie stehen stets im hellen Licht! 
Gegen wen müssen wir denn kämpfen, wer will uns denn unser Besitztum verringern, uns die Lebensgrundlage wegnehmen, etwa die Menschen, die niemand sieht, die auf der Schattenseite des Lebens?
       Also - ich habe da meine starken Zweifel! Wir selbst sollten uns da wirklich auch prüfen! Wie viel tragen wir dazu bei? Beispiel: Es wird immer mehr und mehr Mais angebaut, jedem wird das schon aufgefallen sein. Da geht es nur noch um Gewinnmaximierung!  Wenn nun aber 40% der Maisernten - allein bei uns in Deutschland - zu Kraftstoff und Energie verarbeitet werden, stehen wir selbst da nicht auch in der Dunkelheit? Gehören wir alle dann nicht auch zu den Ausbeutern, die so etwas zulassen? So etwas finde ich durchaus beunruhigend. Aber doch nicht für uns, für die dort in der tiefsten Dunkelheit ist es erheblich beunruhigender, da geht es um das Leben, das Überleben!
       Da aber stellt sich doch die Frage: Wer ist das da eigentlich im Dunkeln? Das ist nun eine Sache der Relation. Bertolt Brecht sieht das ganz eindeutig: Es sind die seit Jahrhunderten Ausgebeuteten, es sind die Armen, die nicht wissen, was sie ihren Kindern in die verbeulten Blechschüsseln geben sollen. Allein von den Lebensmitteln, die in Europa achtlos weggeworfen werden, könnte man unzählige Menschen ernähren! 
       Wer Interesse hat, schaue doch nur mal in die Hinterhöfe der großen Supermärkte. Er oder Sie wird dort mit Entsetzen erfahren, welche Mengen von Nahrung allein dort einfach weggeworfen werden! Oder: die unzähligen Textil-Sammelbehälter, in denen wir unsere getragene Kleidung entsorgen! Auf den Märkten von Lagos, Mombasa oder Nairobi können wir diese Kleidungsstücke wiederfinden, wo sie dann für billiges Geld verramscht werden. Mancher findet das dann auch noch gut! Leider aber wird dadurch der dort ansässigen Textil- und Bekleidungsindustrie jede Überlebenschance genommen, dieser Umstand wird dabei gern übersehen. Die eine Menschengruppe ist im Dunkeln! Wie wahr! Und diese »Einen« sind es, die diese Misere ertragen müssen, »die sieht man nicht«. Aber es sind die im Lichte, die dafür sorgen, dass sie selbst immer beachtet werden, hell angestrahlt von allen Scheinwerfern der verschiedenen Medien. 
       Da helfen auch keine Hundert-Euro-Scheine, die großzügig bei Good-will-actions gespendet werden, sie dienen nur zur Beruhigung des eigenen Gewissens! Neun Milliarden Menschen im Jahre 2050. Ist ja noch lange hin, nicht wahr? Aber bereitet euch vor, macht schnell alle Grenzen dicht, schließt Türen und Fenster, denn bald kommen sie zu uns, alle die im Dunkeln sind, weil in ihrer Heimat kein Leben mehr möglich ist!
Heinrich Heine schrieb vor rund 180 Jahren:
       Die Sterne sind klug, sie halten mit Fug
 von unserer Erde sich ferne;
              am Himmelszelt, als Lichter der Welt,
              stehn ewig sicher die Sterne.

Wir können das leider nicht. Wir stehen mitten drin im Kreislauf der Welten. Das aber ist auch eine Chance - wir sollten sie nutzen!


©by H.C.G.Lux

Anzeige

Kommentare (4)

silesio

2050 werden du und ich wohl nicht mehr erleben.
Aber 2022 können wir noch etwas tun, und sei es nur zeichenhaft. Selbst einschlägige Wissenschaftler geben der Menschheit noch eine Chance.
Pan und Silesio sind schon 2 (zwei)

Distel1fink7

Klasse Bericht !

Wie ließ B., Brecht seine Seeräuber-Jenny singend sagen
...  und ei n  Schiff mit ... Segeln wird entschwinden mit mir........

Passt  ... Richtung Europa

Wieviel Erden brauchen wir ?


Macht nachdenklich Dein Beitrag.


Distel1fink7

Pan

Eine - fürchte ich, wird in der Zukunft nicht reichen. 
Für uns geht's gerade noch - aber dann?
Aber im Ernst: wenn unsere Großeltern sich so viel Gedanken gemacht hätten, sähe die Welt dann anders aus?
Ist doch mal eine Frage wert, oder?
😵

Distel1fink7

@Pan  

Herr Pan

Unsere Eltern und Großeltern waren mit dem Krieg
und dann Nachkriegs-Deutschland beschäftigt.
Und wie, weiß ich von meiner Mamma,
schlängelte sich bei Hitlers JungMädel durch,
indem sie ohnmächtig wurde, wenn sie die Fahne 
hochhalten sollte. Kam sie mit durch.
Dan,n fuhr sie hamstern, ne gebettelt hat sie nicht,
sie nähte Kleidchen und Jäckchen und tauschte.
UNd dann gings auch noch auf dem Schwarzmarkt.

Es ging um nackte Überleben. Damit waren die
vielen Kriegerwitwen beschäftigt.
Nein,, ihnen blieb nix erspart und das Denken 
blieb auf der Strecke.

Wir müssten es eigentlich besser wissen, wie
es ist mit dem, Krieg. Aber was passiert ?
Waffen, Waffen und nochmals Waffen.

Tja, was wäre, wenn nicht.???


 


Anzeige