Von Freiheit und Hemden bügeln


Von Freiheit und Hemden bügeln

Es war ein wunderbarer Frühlingstag.
Am See Bänke, Bootsstege.
Auf den Bänken saßen Paare, alte Paare auch.
Auf den Bootsstegen lagen Menschen.
Kinder hüpften und kreischten.
Und quängelten....
(muss sein, dass die Idylle nicht unerträglich wird...).

Am Tisch neben mir im Cafe saß ein schweigendes altes Paar.
Wie viele Jahre sie wohl schon miteinander gelebt haben?
Miteinander geschwiegen haben?
Ihr Schweigen hatte nichts Verwerfliches.
Das Vertrauen darin schwappte zu mir.

Es ist Wehmut, die ich spüre.
Die zum Leben gehört wie Freude.
Und sei es nur dazu, Freude zu relativieren.

Man stelle sich vor....wie anstrengend nur Glück wäre.
Solch ein Maß an Endorphinen wäre ein Giftdosis.
Tödlich wie das Gift Bitterkeit.
 
Es ist eine süße Bewusstseins-Wehmut, von der ich schreibe.
Das bewusst Hinsehen.
Und spürend das Bild eines vertraut schweigenden Paares als schön zu sehen.
Die Melancholie in Erinnerung und Sehnsucht fühlen.
 
Und wissen, dass man selbst wo anders ist.
Da ist in mir nicht die Sehnsucht nach an einem Lebensort sein,
den ich mir niedlich herzchenförmig ausmale,
seufzend grell in drängendem Wunsch.
Der die  Poesie einer Alltagsszene übermalen würde mit bitterem Hadern.
Ich hadre nicht...ich bin gerne da, wo ich bin.
 
Ich hätte auch vom ätzenden Schweigen dieses Paares schreiben können.
Selbstzufrieden sich belügen, wie gut, wenn ohne.

Es sind viele inzwischen,
die ein Leben lang diese Alleinelebensfreiheit genießen könnten
und diese Sonntage- Montage- Dienstage ausfüllen dürfen.
Mit Musik, die sie so laut hören können, wie sie wollen.
Mit der Option, tun und lassen zu können, was sie wollen.
Ohne Erwartungsenttäuschung.
Ohne Hemden bügeln zu müssen.

Und ohne die Vertrautheit im Schweigen.
Und ohne das Kratzen eines Männerkinnes.
Ohne die sanfte Haut einer Frau.
Ohne albernes Lachen miteinander.
Ohne die Ernsthaftigkeit eines wesentlichen Streites.
Ohne Versöhnen hinterher.
Ohne jener Millionen Jahre alten Begegnung zwischen Mann und Frau,
die nichts ersetzt.
Die Hemden bügeln und Reifenwechseln zu einem Füreinander macht.
Das die so sehr vergessen, die es leben.
Das die sich nicht wirklich sehnen wagen, die es verloren haben.

Morgen ist ein neuer Tag..
Und dann eile ich durch den Alltag und vergesse die Elegie dieses Tages.
Und freue mich über alles, was da so ist.
Und werde abends meine Blusen bügeln und mir vorstellen, es wären
Hemden……………

 


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Kommentare (2)

Manfred36

Fragwürdig würde diese Freiheit nicht nennen, wenn man im hohen Alter allein zurückgelassen wird. Wenn ich zur Stadt gehe, spüre ich noch immer die Hand, die nicht mehr "belegt" ist. Und wenn ich häusliche Verrichtungen tue, wie Waschen und Bügeln, tue ich es, wie ich es immer getan habe, und fühle mich fast nicht allein dabei. Es ist ein Leben auf einem
Ast, der früher mal ein Baum war.
Gruß von Manfred 

Syrdal


Diese Nachdenklichkeit macht nachdenklich...
Heute bügele ich meine Hemden... nachdenklich,
ach nein, ich tue es im sanftschönen Angedenken
an die vergangenen Jahre. – Es ist November -
Gedenktag des allzu frühen Abschieds...

 
Mit stillem Gruß
Syrdal


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