Warum in Radeberg keine Zigarettenfabrik entstand


Warum in Radeberg keine Zigarettenfabrik entstand

Die Geschichtsphilosophie vertritt die These, dass die Zukunft einer Gesellschaft offen ist, was ja durch eine Vielzahl von Ereignissen der Vergangenheit bewiesen scheint. Eine etwas andere Philosophie ist es, rückwärts zu schauen und sich auszumalen, was wäre denn geworden, wenn ein Ereignis anders ausgegangen wäre.

Ein solches Ereignis hätte die „Zigarettenfabrik Radeberg“ werden können. Wenn sie um 1905 entstanden wäre, ob dann sich die anderen Industrien angesiedelt hätten, wäre nur die eine Variante der Frage. Der aus Österreich stammende Julius Leysaht hatte sich 1904 in Radeberg mit der Herstellung von Zigaretten in Heimarbeit begonnen zu etablieren. Doch das Aufwendige der Heimarbeit veranlasste ihn, bei dem Radeberger Stadtrat den Antrag auf den Bau einer „Cigaretten – Fabrique“ zu stellen. Leysaht konnte hierfür bereits das Ankaufen von Bauland im Friedrichsthal nachweisen und war bestrebt in der ersten Ausbaustufe etwa 200 weibliche Arbeitskräfte einzustellen.

Das traf den Radeberger Stadtrat gleich doppelt in seiner Anschauung. Zum einen hatte man erst zwei Jahre zuvor eine Petition an den Deutschen Reichstag gesandt, demnach man „verheirateten Frauen die Industriearbeit per Reichsgesetz verbieten lassen wollte“. Das führte zu satirischen Betrachtungen in der Berliner Presse und Radebergs Bürgermeister wurde nicht nur einmal als „Provinztrottel“ hingestellt. Doch eine zweite Anschauung sollte den Ausschlag für die Ablehnung geben. Radebergs Stadträte waren durchweg passionierte Pfeifenraucher und gehörten in ihrer Mehrheit zum mitgliederstärksten Pfeifenclub „Victoria“. Zu dieser Zeit gab es in Radeberg auch noch ähnliche Klubs mit den Namen „Dampf“, „Qualmaria“, „Einigkeit“ und „Donnerstagclub“. Man entschloss sich Aufklärungsabende über die Schädlichkeit des Zigarettenrauchens zu organisieren, von denen mindestens neun stattfanden.

Leysaht war nicht untätig. Er gründete den Donnerstagsklub der etablierten Frauen Radebergs im Cafe „Zur Post“, gegenüber der Brauerei. Zweck dieses Vereins war es, das Zigarettenrauchen unter den Frauen attraktiv zu machen. Unter anderem enthielt die Vereinssatzung den Passus, dass es zum Vereinsabend zehn Zigaretten kostenlos gab. Doch auch die Frauen konnten ihre Männer nicht umstimmen, zumal die Radeberger Männerwelt jenen Klub mit dem Laster des „Fremdgehens“ in Verbindung brachte. Leysaht kapitulierte und verließ die Stadt im Frühjahr 1909. Alle Bauprojekte wurden zu den Akten gelegt, im nahen Dresden entstand 1909 die Zigarettenfabrik „Yenidze“.

haweger

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Kommentare (2)

omasigi meine Tochter war. Wochenende bei uns.
Da es an einem Tag regnete holte sie eine eine Kiste mit
Ur-Alt-Fotos aus der hinterster Ecke hervor.
Darin waren u.A. auch Bilder meines Opas von vor dem Krieg.
Wir hatten viel Spass an der damaligen Damenmode.
Nachdem ich jetzt Deine Geschichte gelesen habe kann ich mir das Donnerstags -Damenkraenzchen bildhaft vorstellen.

gruss
omasigi
finchen was ein Glück, daß die Brauerei entstanden oder erhalten blieb!
Zu meinen Kindheitszeiten wurde der Tabak noch selbst angebaut, entweder zum Pfeifchen stopfen oder um sich °eine°zu drehen. Gekaufter Tabak wäre für die °Arbeiter-Klasse° viel zu teuer gewesen.
Ich hatte immer meinen Spaß daran, wenn oben auf dem Dachboden die Tabak-Blätter schön aufgereiht an den Schnüren zum trocknen hingen.
Dann gab es den sogenannten Tabak-Abend, an dem sich die Familie traf und alle die trockenen Blätter von den Rispen streifte. Das waren dann noch wirkliche Familientage.
Ach ja, heißes Braunbier gab es bei dieser Arbeit auch dazu.
Das ist eine schöne Erinnerung..............
Sei herzlich gegrüßt
vom Moni-Finchen

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