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Aktuelle Themen Unser Bildungsssystem

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Wie stelle ich mir ein gelungenes Bildungssystem vor?

Voraussetzung wären allerdings genügend Lehrer und Erzieher - also bleibt es wohl ein Wunschtraum!!!

1. Ganztagsschulen von 8 bis 16 Uhr, dazu eine Betreuung von 6 bis 18 Uhr für die kleineren Kinder, deren Eltern beruflich eingespannt sind. Wir nannten das früher Hort.
Schülerspeisung frei, am liebsten "Schuluniformen". Und maximal 25 Kinder pro Klasse.

2. Einheitliche Lehrprogramme und Lehrbücher in allen Bundesländern! Es geht nicht, dass, wenn eine Familie in ein anderes Bundesland umzieht, das Kind einen völlig fremden Stundenplan vorfindet.

3. In der Grundschule vom ersten Tage an Zensuren. Inhaltliche Schwerpunkte müssen sein Schreiben, Lesen, Erzählen, Rechnen. Zum Schreiben gehören auch Schönschreiben und Rechtschreibung von der 1. Klasse an. Ein Bienchenstempel oder weiß der Geier was für Spielereien können und sollen bei den Kleinen sein, aber auf alle Fälle Zensuren.

3a. Statt "Sachkunde" in den unteren Klassen reichen Lesestücke mit entsprechendem Inhalt. Der ganze Kram kommt "oben" noch mal in erweiterter Form.

3b. Sport, Sport, Sport! Auch wenn es manche Kinder nicht mögen werden (so wie auch ich einst, griiiiins), es muss ja nicht gleich Leistungssport sein. Spiele und Bewegung, mit Musik, mit Bällen, Wandern durch den Stadtpark. Dabei kann man auch noch Vögel beobachten oder Blumen bestimmen. Aber Bewegung.

3c. Musik, Zeichnen, Werkunterricht ist wichtig für die Entwicklung musischer und handwerklicher Fähigkeiten. Vor allem der Werkunterricht hilft vielen Erwachsenen später bei kleinen Reparaturen zu Hause. 

4. Ab der 5. Klasse dürften nun die Kinder im Satz sprechen, lesen, schreiben und rechnen können sowie in der Lage sein, 45 Minuten ruhig am Tisch zu sitzen. Dann kann der Fachunterricht beginnen mit Taschenrechner/Tablet/Handy/Laptop..., wobei auch das Lernen nicht vergessen werden darf. So richtig auswendig lernen und wiedergeben. Eine Fremdsprache - bevorzugt Englisch wegen Computersprache - als Pflichtfach. Ab 7. Klasse eine zweite Sprache für die, welche es leistungsmäßig bewerkstelligen können. Also fakultativ.
Latein oder so etwas erst am Gymmi. Und dort bis zum Schluss ALLE Fächer mit Zensuren und nix von wegen Abwahl. Das Punktesystem ist doch ein Witz!

5. Traumhaft wäre, wie einst in der DDR, ab der 9. Klasse ein berufspraktischer Unterricht. Wir hatten teilweise 14-tägig, teilweise jede Woche einen Tag (6 Unterrichtsstunden) in einem Betrieb/Landwirtschaftsbetrieb/Kaufhalle, was möglich war. Das wechselte im halben Jahr. Ich hatte damals im ersten Halbjahr theoretischen Unterricht, da es nicht so viele Betriebe hier gab, um für alle Schüler einen Platz zu bekommen. In dem halben Jahr wurden wir von einem Betriebsingenieur unterrichtet und bekamen einen Einblick in die Wirtschaftsstrukturen. Für 14-jährige durchaus machbar. Im 2. Halbjahr habe ich mit meiner Klasse LKW-Führerhäuser auseinander genommen. Im 3. Halbjahr war ich beim Produktionselektriker und habe Honmaschinen verkabelt. Und im 4. Halbjahr war ich beim Betriebselektriker und habe von der normalen Verlängerungsschnur bis zur Bohrmaschine alle Reparaturen mitgemacht.
Das hat den meisten von uns gefallen. Und wir bekamen einen Einblick ins Berufsleben, auch Interesse an Handwerksberufen.


6. Mehr Möglichkeiten für Lehrkräfte, Forderungen durchzusetzen. Auch gegenüber Erziehungsberechtigten. Weniger Mitspracherecht der Eltern im Schulalltag, dafür wäre bei der Zusammenstellung der Lehrprogramme die Mitarbeit von Elterngremien wünschenswert. Aber für den Unterricht ist die Lehrkraft verantwortlich.

7. Inklusion - Auf alle Fälle! Aber die Klassengemeinschaft darf nicht unter einem Kind leiden. Damit meine ich, wenn ein Kind bestimmte Dinge nicht tun kann, dann muss für die betreffenden Stunden eine andere Lehrkraft da sein, die das Kind auffängt. Es kann nicht sein, dass eine Lehrkraft 25 Kinder unterrichten soll, einem Kind aber ständig zur Seite stehen muss, weil es sonst Unsinn macht.

8. Einwandererkinder - zunächst ein Jahr Deutschunterricht. Sport, Kunst oder Musik könnte mit deutschen Schülern unterrichtet werden, aber kein Fachunterricht. Nach einem Jahr sind die Kinder in der Regel in der Lage, genügend Deutsch zu verstehen um am Fachunterricht teilzunehmen. Wenn doch nicht, dann eben noch ein Jahr Deutsch.

Seit 2015 haben wir den starken Zuzug von Ausländern. Warum in der Zeit bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen ist, das Lehramtsstudium und die Bedingungen für Lehrkräfte an den Schulen attraktiver zu machen, weiß ich nicht. Ich will auch lieber nicht darüber nachdenken.

Und wenn ich höre, dass so viele Lehrer in Teilzeit arbeiten, da muss ja etwas an den Schulen schief laufen. In der Regel arbeiten Lehrer maximal 6 Unterrichtsstunden pro Tag. Die Arbeitszeit zu Hause soll ja nicht unterschätzt werden, aber auch das kann man wahrscheinlich einteilen und hat einer Arbeitskraft im Betrieb gegenüber sicherlich Vorteile. Man muss ja nicht Deutsch und Mathe zusammen unterrichten, wo viele Arbeiten geschrieben werden.

Das war mein Wunschtraum zu einem anderen Bildungssystem.

Simiya
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Mareike vom 13.03.2023, 08:32:51

Mittlerweile fehlen in NRW 8000! Lehrer.

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/bildungsnotstand-lehrkraefte-ueberlastung-100.html

"... immer weniger halten den Beruf bis zum Erreichen der Regelalterszeit durch."

Mareike

 

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 13.03.2023, 10:25:05
Mittlerweile fehlen in NRW 8000! Lehrer.

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/bildungsnotstand-lehrkraefte-ueberlastung-100.html

"... immer weniger halten den Beruf bis zum Erreichen der Regelalterszeit durch."

Mareike

 
Also wäre es endlich an der Zeit Ursachenforschung zu betreiben, was die Lehrer kaputt macht. Ich kann mich noch an meine alten Lehrer erinnern, die teilweise mit 70 unterrichteten.

Möglicherweise sitzen in den verantwortlichen Bürostühlen Leute, die den Lehrerberuf nur aus der eigenen Schulzeit kennen. Da kann es ja nicht viel besser werden.

Simiya

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Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von Mareike
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/bildungsnotstand-lehrkraefte-ueberlastung-100.html

Zitat aus diesem Bericht:

" "Die Situation war für alle sehr beängstigend", schildert eine Grundschullehrerin einen Konflikt mit einem Schüler, der außer Kontrolle geriet. "Ich habe ihn aus der Klasse rausgezogen. Er hat mich getreten, gebissen und dabei furchtbar geschrien. Irgendwann hat er sich losgerissen und ist auf unsere Schulleiterin losgegangen."

Hat schon mal jemand überlegt, was passiert, passieren kann, wenn Lehrer*Innen mit den Nerven am Ende sind?

Obengenannte Situation hat in der Regel ein "Vorspiel". Da ist einiges außer Kontrolle geraten.

Ich plaudere mal - das Geschehen liegt inzwischen 8 Jahre zurück, aber wirkt immer noch nach, wenn auch meist vom Umfeld unbemerkt:

Die Situation: Ein Kind hat ein anderes Kind bespuckt. Der Spucker wird in die Mitte eines Kreises gestellt, die Klassenkameraden sollen ihn als Lektion der Reihe nach bespucken. Einer weigert sich lautstark. Dieser "Verweigerer" wird mit Tritten und Schlägen von der Lehrkraft in den Flur befördert.
Es war das erste Mal in seinem Leben, das er geschlagen und getreten wurde ..

Ein Schulwechsel folgte und er hatte das große Glück an der neuen Schule gut und verständnisvoll aufgefangen zu werden.

Besagte Lehrperson wurde ein halbes Jahr später wegen psychische Probleme vom Schuldienst suspendiert.

Das Gefühl von Machtlosigkeit und Verlassenheit kommt beim besagten Schüler mitunter in Stresssituationen wieder hoch - er kann es artikulieren aber nicht ignorieren. Er fühlt sich dann vorübergehend miserabel.

Mareike
RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 13.03.2023, 11:29:20
Also die von dir beschriebene Situation ist unter aller Sau! Die Lehrkraft hätte noch am gleichen Tag entlassen werden müssen. Wie kann ich einen Schüler von allen andern bespucken lassen? Und dann noch einen Verweigerer dessen bestrafen? Schon mal ein Kind in die Mitte zu stellen, praktisch an den Pranger, geht gar nicht!

Ich glaube dir aufs Wort, dass der Junge, der bei dem bösen Spiel nicht mitmachen wollte und dafür bestraft wurde, dies sein ganzes Leben mit sich herumträgt.

Ich glaube aber nicht, dass besagte Lehrerin nervlich am Ende war. Da hätte sie dem Spucker vielleicht eine Ohrfeige verpasst oder etwas in dem Sinne. Was natürlich auch nicht erlaubt ist. Aber die Klasse zu veranlassen, das Kind zu bespucken, das zeugt von Überlegung und war keine Kurzschlussreaktion.

Es kann auch nicht jeder, der die Muttersprache beherrscht, Lehrer werden. Da gehört ein bisschen mehr dazu, das vielleicht in der Ausbildung vernachlässigt wird oder wurde.

Simiya
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.03.2023, 11:55:37

Diese Person war bereits mehrmals versetzt worden.

Klar, man hätte Anzeige erstatten können und sollen ...

Wegen "Nichts" wurde sie gewiss nicht vom Dienst suspendiert.


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Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.03.2023, 11:55:37
...
Es kann auch nicht jeder, der die Muttersprache beherrscht, Lehrer werden. Da gehört ein bisschen mehr dazu, das vielleicht in der Ausbildung vernachlässigt wird oder wurde.

Simiya
Da sehe ich u a eine Ursache dafür, dass vieles schief läuft: Die Lehrerausbildung ist zu akademisch. Die soziale Komponente wird nicht berücksichtigt, Pädagogik sollte Pflichtfach sein.
Immer noch herscht die Vorstellung vor, dass Lehrer an erster Stelle Wissen vermitteln sollen.
Das war vielleicht vor 100 Jahren so ...
heute brauchen wir an erster Stelle Pädagogen. Vor allem im Grundschulbereich.

Lehrergewalt ist übrigens ein Tabuthema  ..

Mareike
olga64
olga64
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von olga64
als Antwort auf Mareike vom 13.03.2023, 12:12:45
 
Da sehe ich u a eine Ursache dafür, dass vieles schief läuft: Die Lehrerausbildung ist zu akademisch. Die soziale Komponente wird nicht berücksichtigt, Pädagogik sollte Pflichtfach sein.
Immer noch herscht die Vorstellung vor, dass Lehrer an erster Stelle Wissen vermitteln sollen.
Das war vielleicht vor 100 Jahren so ...
heute brauchen wir an erster Stelle Pädagogen. Vor allem im Grundschulbereich.

Lehrergewalt ist übrigens ein Tabuthema  ..

Mareike
Wie definieren Sie eigentlich Pädagogik?
Und glauben Sie wirklich,dass Sie durch Ihre Vorschläge mehr junge Menschen motivieren, den Beruf des LehrerIn oder Pädagogen ergreifen zu wollen? D.h., in jedem Fall eine längere Hochschulausbildung zu durchlaufen und dann Kinder aus unterschiedlichsten Kreisen mit viel Engagement ins Erwachsenen-Leben zu begleiten?
Vor 100 Jahren war der Beruf des Lehrers sicher noch viel angesehener als heute - auf  allen Seiten: den Schülern, den Eltern und den Lehrern selbst. Olga
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von Mareike
als Antwort auf olga64 vom 13.03.2023, 18:45:12
Wie definieren Sie eigentlich Pädagogik?

Grundsätzlich geht es darum, praktische Erziehungsmethoden an der Hand zu haben, die im Alltag auch angewendet werden können.
Hierfür legt die Pädagogik die Grundlage. Durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Erziehung kann der richtige Erziehungsstil entwickelt werden, der Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu einem selbstständigen und selbstbewussten Individuum fördert und sie so zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft werden lässt.

Während meiner Ausbildung in den Niederlanden Mitte der 60er Jahren stand Pädagogik und Didaktik ganz oben an ...

Mitunter habe ich den Eindruck, dass sich wesentlich mehr Gedanken gemacht wird über Erziehung von Hunden, als über Erziehung von Kindern.

Erziehung nicht im Sinne von "Abrichten" (ich weiß, es ist ein provokanter Vergleich), sondern Erziehen als Begleiten - aufmerksam die Stärken des jeweiligen Kindes erkennen und fördern.
Das kann man lernen.
Dafür braucht es kein langes Hochschulstudium sondern eine soziale Haltung, die auf das Kindeswohl ausgerichtet ist.
In einem solchen Klima lernen Kinder gerne.

Die Didaktik zeigt auf was, wie, warum, wozu vermittelt werden soll und kann.

Mareike
 
Mitglied_162e28b
Mitglied_162e28b
Mitglied

RE: Unser Bildungsssystem
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 14.03.2023, 00:07:35

Dafür braucht es kein langes Hochschulstudium sondern eine soziale Haltung, die auf das Kindeswohl ausgerichtet ist.
In einem solchen Klima lernen Kinder gerne.


Da gebe ich dir Recht.

Es braucht nicht nur "eine soziale Haltung", es braucht die "richtigen" Menschen.
Menschen, die von ihrem Charakter her vieles mitbringen, das nicht erlernbar ist, so z.B.
Sponaneität, Schlagfertigkeit, ehrlich gemeinte liebevolle Zuwendung, engagiertes Interesse
am Wohlergehen der anvertrauten Schüler, wohldosierter und nachvollziehbarer Umgang mit Strenge
und Konsequenz uvm.

Ein "langes Hochschulstudium" ist da erforderlich, wo es um den Erwerb von Sach- und Fachwissen geht.
Das betrifft dann weitgehend die weiterführenden Schulen.
Aber auch hier ist ein Mindestmaß der o.g. sozialen Kompetenzen erforderlich.

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