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andere gesellschaftliche Themen Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen

vivienne
vivienne
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von vivienne
als Antwort auf Mareike vom 22.04.2024, 14:09:22

Krankenhäuser sind nicht die richtige Orte zum Sterben
Und die Hightechmedizin ist darauf ausgerichtet Leben zu erhalten.
Der Tod ist dort "unerwünscht" ....



Mareike
@Mareike, ich bin froh, dass in Krankenhäusern der Tod "unerwünscht" ist und hoffe, dass das auch so bleibt.
Ich jedenfalls wollte in keinem Krankenhaus behandelt werden, in dem "der Tod erwünscht" ist. Du etwa?

Wer am Ende seines Lebens keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte, kann dies schließlich schon seit langem in einer "Patientenverfügung" rechtsverbindlich festlegen ...

vivienne
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von Anna842
als Antwort auf jeweller vom 22.04.2024, 15:59:14
Jeweller, ja das verstehe ich. Niemand will eine " Last  " für
einen anderen sein.
Weil ich das Mädchen war, habe ich meine Großmutter mit
versorgt.
Sie konnte nichts mehr alleine.
Aber sie war mir keine Last, obwohl ich noch so jung war.

Sie war da und meine Liebe zu ihr war unvergänglich.
Ich war oft ganze Wochenenden mit ihr allein.

Sie spielte gerne mit einer meiner Puppen.
Das war ihr " Liebchen ".
Sie dachte, es wäre ein kleiner Mensch.
Ich war froh, dass sie da war.

Das einzige, das ich meinen Eltern zu gute halte ist, dass sie
meine Großmutter aufgenommen haben.

Da ich bereits in sehr jungen Jahren mit einer dementen
Großmutter auf engsten Raum zusammen lebte, hat die Demenz
an sich, jedes Grauen verloren.

Anna
Rispe
Rispe
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von Rispe
als Antwort auf vivienne vom 22.04.2024, 16:29:23

Danke, @Vivienne.
Ich kann nur sagen, dass heute niemand mehr an Maschinen gehalten wird, der es nicht will. Meine Mutter hatte keine Patientenverfügung, und man hat sie trotzdem in Ruhe sterben lassen, als sie nach einem Sturz mit anschließender Lungenentzündung zu geschwächt war.
Und mein Vater war jahrelang an der Dialyse, und als er eines Tages sagte, er wolle nicht mehr, da hat man ihn nicht mehr angeschlossen und auch sterben lassen.
In beiden Fällen waren wir froh, dass unsere Eltern im Kkhs. starben und nicht allein zu Hause.
Das alles ist viele Jahre her, schon damals war es nicht immer so, wie es oft horrormäßig kolportiert wird.
Im Übrigen finde ich die Nonchalance, mit der jetzt das selbstbestimmte Sterben gefordert wird, manchmal ziemlich irritierend.
Gerade ist ein Arzt verurteilt worden, weil er einer depressiven Person geholfen hat zu sterben. Bekanntlich schwanken die Stimmungen bei Depressionen oft stark, und hier sollte man keinesfalls jeder Stimmung nachgeben, denn wenn es einem oder einer Depressiven besser geht, kann er oder sie manchmal nicht mehr verstehen, warum er diesen Wunsch vorher geäußert hat.
(Ich schreibe das aus eigener Erfahrung, denn ich hatte so einen Fall in meiner engsten Familie und weiß, wovon ich spreche).
So einfach ist das alles nicht mit dem selbstbestimmten Sterben. Man lebt nur einmal, und niemand kann nach dem Sterben zurückgeholt werden; so endgültig wie Sterben ist nichts anderes. Ich glaube, manchen Menschen ist gar nicht bewusst, wie kostbar dieses einmalige Leben und was für ein Geschenk das letztlich ist. Es sei denn, sie glauben an ein Leben nach dem Tod. Und ich denke, das tun die wenigsten.
Man sollte sich das jeden ‚Tag bewusst machen, vor allem im Alter, wenn die Spanne immer kürzer wird. Damit man diese kurze Spanne bewusst lebt und alles Schöne besonders genießt.
 


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aixois
aixois
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RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von aixois
als Antwort auf Mareike vom 22.04.2024, 14:09:22

... ich sehe, es zeichnet sich ein Schwerpunkt-Thema ab,...

Wie sollte das 'Thema' denn aussehen ? 
Leben in Menschenwürde bis zum Tod, oder,  was ist menschenwürdiges Sterben (einschließlich der postmortalen Würde) ?

Da sehe ich - ganz grob - zunächst drei Ebenen, die zu entscheiden haben (kraft ihres Verstandes, ihrer Pflicht bzw. ihrer Funktion der Moral Geltung zu verschaffen) was menschenwürdiges Sterben ist, sein könnte, sein sollte :
  • der Einzelne, jeder selbst bestimmt, a) wie er und b) wann sterben will (falls dies ein prozesshafter Vorgang ist);
  • das gesellschaftliche Umfeld, das die Moral des Sterbens festlegt (Mindesterwartungen, was 'menschenwürdig' ist); das ist eine recht dehnbare Auffassung, die je nach Situation recht flexibel gehandhabt werden kann; ein Minimum wäre z.B. das sog.'Armengrab'
  • der Staat als Gesetzgeber, dessen vornehmste Aufgabe es ist, Leben zu schützen ( und ggf. die Grenzen die Schutzes im Einklang mit den Moral-Erwartungen oder seinen eigenen ideologisch fundierten Überzeugungen, durch Rechtsetzung festzulegen, wobei der staatliche Wille auch Moral-setzende Effekte haben kann oder bewusst haben sollte) .
In Deutschland kann jeder,  zumindest, was die medizinische Hilfe angeht, durch eine  rechtswirksame Patientenverfügung gegenüber den Ärzten zum Ausdruck bringen,  wie intensiv lebenserhaltende-/verlängernde Maßnahmen sein sollen.

D.h. der volle Einsatz aller apparativen und medikamentösen Möglichkeiten wird, je nach persönlicher Auffassung seiner eigenen Menschenwürde, erwünscht oder eingeschränkt bzw. gar nicht erst erlaubt.

Aber wer bestimmt eigentlich, was 'menschenwürdiges Sterben' ist ? Die Bevölkerung ? das Parlament ? die Regierung ? der Ethikrat ? Kann ich dabei überhaupt mitbestimmen, gar über mein Leben (mit dem Ziel : selbstbestimmte Menschwürdigkeit)  verfügen  ?

Ich finde das ist selbst als 'Mono-Thema' kein einfaches, sondern sehr komplexes  Vorhaben, wenn es nicht auf einfache Fragen begrenzt wird , wie z.B. dem Ausfüllen einer rechtlich wirksamen Patientenverfügung (aber ich denke das war schon Thema einer Diskusssion hier).
 

... Krankenhäuser sind nicht die richtige Orte zum Sterben ...


Was das "wo  Sterben ?" angeht, so will eine Mehrheit in vertrauter häuslicher Umgebung sterben. In Wirklichkeit stirbt man aber im Pflege- oder Krankenbett unter Bedingungen, die man sich nur sehr bedingt aussuchen kann, also de facto die "falschen Orte zu Sterben" sind.
Bedingungen, die sich absehbar verschlechtern werden, weil es an qualifizierten sterbebegleitendem Pflegepersonal fehlen wird . Ab wann wird es kritisch mit der 'Menschenwürde' ? Muss bzw. kann überhaupt der Staat dabei seiner Pflicht nachkommen, die Menschenwürde bzw. das menschliche Leben zu schützen ?

Sollte , ja kann, das Forum überhaupt für solche vielschichtigen Überlegungen ein geeignetes, ausreichend 'seriöses'  Forum sein ?
Wenn es nicht mehr nur um Theorie, sondern u.U. auch um die jede(n) betreffende konkrete Praxis geht, die emotionale bis hin zu 'intimen' Elemente umfassen kann ?

Der - Waldler hat ja schon dankenswerterweise darauf hingewiesen, wie 'nekrophob' die heutige Gesellschaft, selbst die engere Verwandschaft drauf ist.
Sterben/Tod/Lebensende sind weitgehend Tabuthemen. Enkelkinder sollen z.B. nur noch den Sarg, nicht aber mehr den darin liegenden Toten sehen dürfen .
Warum eigentlich ?

Ich vergesse die Worte meiner ein paar Jahre älteren Verwandten nie, als wir zusammen am Grab des letzten Verwandten der 'alten' Generation standen und sie sagte : "so aixois, jetzt sind wir dran , jetzt sind wir die 'Letzten', d.h. die Nächsten,  die man hier zu Grabe trägt".

Obwohl ich dem Tode schon vorher einige Male von der Schippe gesprungen war, empfand ich diese Aussage doch wie einen Schlag, der mir kalt den Rücken runter lief, und der Anlass für mich war, anzufangen mich doch etwas mit meiner eigenen "Endzeit" zu beschäftigen, dem "memento mori - bedenke, dass du sterben musst ... "und dem Verdrängen und Wegschieben ("ist ja noch lange hin"),  nicht immer erfolgreich, entgegenzuwirken.

Last but not least: gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dem zivilen und  dem kriegsbedingten Sterben/Todeseintritt ? Und was wäre dann dabei 'menschenwürdig' ?



 
vivienne
vivienne
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von vivienne
als Antwort auf Rispe vom 22.04.2024, 16:48:49

Danke, liebe @Rispe für diesen Beitrag!
Jedem Deiner Worte schließe ich mich uneingeschränkt an.

LG vivienne

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf jeweller vom 22.04.2024, 15:09:07
Mareike, Sterbehilfe brauch ich nicht, dass kann ich selbst in die Hand nehmen.
Über was ich nachdenke, ist Demenz und dann nicht mehr weiss was zu tun.. 
Hoffentlich verpasse ich den Zeitpunkt nicht.Ich möchte nicht zum Gemüse werden.

LG Hubert

 

Hubert, sind demente Menschen für Dich "Gemüse"?

Genau da fängt Entwürdigung an bzw. wird Würde angegriffen.

DW


 

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jeweller
jeweller
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von jeweller
als Antwort auf schorsch vom 22.04.2024, 16:28:53

Danke schorsch.
Dass ist es eben. Aber ich werde mich genau beobachten und dann sehn ma schon.
Ihr hattet mal einen Industriellen, der hat bei den ersten Anzeichen, seine Konsequenzen gezogen. Ist schon einige Jahre her.

LG Hubert

Mareike
Mareike
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RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf vivienne vom 22.04.2024, 16:29:23

@Vivienne

Eine Erinnerung:
Ich lag auf der Intensivstation zur Überwachung: Ein Wespenstich im Mund, es bestand Erstickungsgefahr.

Es wurde eine sehr alte Patientin eingeliefert mit Luftnot.
Stundenlang haben mehrere Personen(Arzt, Pflegepersonal) alles dafür getan zu beatmen.
Die Patientin hat sich mit all ihrer Kraft, die sie noch hatte, dagegen gewehrt.
Am nächsten Morgen kam der Chefarzt und hat in einem sehr barschen Ton Klartext gesprochen: "Entweder sie unterschreiben, dass sie Hilfe wollen oder sie verfügen, dass sie sterben wollen. Dann sterben sie hier."

Dann zu mir: So hätte es bei Ihnen auch aussehen können.

Ja - die Ärzte haben die Aufgabe Leben zu erhalten. So sehe ich das auch.

Denke aber auch weiter ......

Mareike

jeweller
jeweller
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von jeweller
als Antwort auf Der-Waldler vom 22.04.2024, 16:55:27

D-W, ich gehe nur von mir aus. Bin totaler REALIST. Und ja, ich möchte nicht als Gemüse leben, obwohl Gemüse auch eine Berechtigung hat und lebt. 
Das sage ich immer den Vegetariern.😂

LG Hubert

Edita
Edita
Mitglied

RE: Ethik-Debatte: Die Würde des Menschen
geschrieben von Edita
als Antwort auf Rispe vom 22.04.2024, 16:48:49

Liebe Rispe, das alles kann ich auch bestätigen, ich habe es vor 23 Jahren mit meinem Mann erlebt!
Er litt an einem Bronchialkarzinom, er war keinen einzigen Tag bettlägerig, er starb mitten aus dem Leben raus, als es „ so weit war“, er ist mit einem Blutsturz zusammengebrochen, rief ich den Notarzt und er kam sofort ins Krankenhaus, die Kranken Akte von unserem Hausarzt gab ich mit, dann rief ich eine vertraute Abgestellte an, die die Kinderfrau für die Tochter ablösen konnte, es war kurz vor 24:00h, dann rief ich meinen Sohn an und als der kam gingen wir ins KKH, es war nur 10 Min. von unserem Haus entfernt!
Als wir im KKH ankamen, lag mein Mann frisch gewaschen in einem Einzel-Intensivzimmer im künstlichen Koma ganz friedlich „schlafend“, nach einer Weile kamen 2 Ärzte und wollten uns die Sachlage erklären, aber wir wußten schon von unserem Hausarzt, 
„wie das Ende aussehen wird“, also die Sachlage war aussichtslos, darum fragten uns die Ärzte ob meinSohn und ich einverstanden wären, wenn sie meinem Mann helfen würden friedlich und schmerzlos „einschlafen“ zu können, sie würden ihn im künstlichen Koma ganz langsam und peu á peu den Sauerstoff entziehen, bis zum unwiderruflichen Ende, 
wir waren einverstanden, 41/2 Std. später war mein Mann im Beisein meines Sohnes und mir eingeschlafen, 
ich denke das Erzählen und das Streicheln von uns hat ihm den Abschied erleichtert, denn er wußte ja, daß er sterbenskrank war! 
Es war ein sehr würdevolles, angstfreies und friedliches Sterben, auf beiden Seiten, ich bin dem KKH sehr dankbar dafür! 


Edita
 


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