Forum Blog-Kommentare Diskussion zum Artikel "Brief an die Mutter - damit es nicht vergessen wird"

Blog-Kommentare Diskussion zum Artikel "Brief an die Mutter - damit es nicht vergessen wird"

kolli
kolli
Mitglied

In Liebe Dein Sohn
geschrieben von kolli
Sind diese zwei Sätze von ein und der selben Person?

Meine Mutter hat klug daran getan, zu schweigen, um uns beide zu schützen.! Na, also, dann würd’ ich doch sagen : „Für alle Zeit Danke liebe Mutter“
Statt:
Doch ich fürchte, ihr habt ((du)hast) dies alles nicht gewusst, weil ihr (du) es nicht wissen wolltet.(wolltest)
Wie kannst du das deiner Mutter antun!!?
kolli
Horst
geschrieben von ehemaliges Mitglied
ich habe dieses System nicht kennen gelernt, aber ich habe in der DDR erlebt, wie Eltern schwiegen, weil ihre Töchter oder Söhne - überzeugte FDJlerInnen zur Türe herein kamen. Ich habe diese Angst als Kind gespürt.
Aber es ist mir klar, dass Dein Erleben noch viel viel intensiver und nicht nachzuvollziehen ist, für diejenigen, die diesen Situationen nicht ausgesetzt waren. Dein Einfühlungsvermögen spricht dafür, dass Du in einer entsprechenden menschlichen Erziehungsform großgeworden bist. Denn es gab auch Kinder, die anders reagierten, weil ihre Eltern es ihnen vorgemacht hatten.
marianne
marianne
Mitglied

Hallo Horst,
geschrieben von marianne
du hast das erlebt....ich bin noch ein paar Jahre jünger.
Und mein Mann sagt, er hat vom Kindergarten aus gesehen, wie die jüdischen Männer in ihren schwarzen Anzügen die Straße fegen mussten! (Er weiss das nicht, ich auch nicht- wahrscheinlich wurden sie später auch nach Lettland deportiert.)

Ich war einige Male in Israel, hatte mich mit meinem Mann zusammen darauf vorbereitet gehabt.... aber erst beim 3. oder 4. Mal dort, brachte ich es fertig, Yad Vashem zu besuchen.

Stolz bin ich, von einer Pfarrwitwe zu wissen (heute 103 Jahre alt!), die mit ihrem Mann auch Juden versteckte... es gab einen richtigen Ring von Pfarrhäusern, wo Juden versteckt wurden.
Ein Tropfen auf heissen Stein, ich weiss.
Bewegt und aufgewühlt,
Marianne

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harfe
harfe
Mitglied

Auch damals mussten Eltern
geschrieben von harfe
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.08.2008, 23:19:54
gegenüber ihren unmündigen Kindern schweigen. Wenn sie in in deren Gegenwart etwas Abwertendes über das damalige System gesagt hätten, dann hätten sie durchaus mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Leicht hätte ich als Sechsjähriger in der Umgebung fanatischer Nazis ja etwas äußern können, ohne die Folgen ermessen zu können.

harfe
harfe
Mitglied

Danke für deinen Kommentar.
geschrieben von harfe
als Antwort auf marianne vom 22.08.2008, 20:06:46
Ein mir befreundetet katholischer Pfarrer nahe der französischen Grenze, wo 1939 viele deutsche Soldaten einquartiert wurden, verbarg ab 1938 bis 1945 ein jüdisches Ehepaar mit Kleinkind in dem Pfarrhaus der Gemeinde, die weitgehend von den Nazis geprägt war. Er selbst trat allen Militärs entgegen, wenn sie ihn aufsuchen wollten. Da er im ersten Weltkrieg selbst als Militärgeistlicher und Offizier mit dabei war, trug er stets seine Auszeichnungen in Miniaturform auf seiner Soutane und stellte sich – er war für damalige Zeiten sehr groß - abwehrend in den Türrahmen – mit Erfolg.
Karl
Karl
Administrator

Ich bin erschüttert
geschrieben von Karl
als Antwort auf harfe vom 24.08.2008, 10:39:29
Lieber Horst,


zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich deinen Text erst gestern Abend gelesen habe. Ich bin diesen Sommer sehr mit dem Lesen im ST im Verzug, bei deinem Text hätte ich es nicht sein sollen. Er hat mich sehr erschüttert. Ich frage mich, ob dies ein fiktiver Brief an deine Mutter ist oder ein real abgeschickter. Wir haben hier im Seniorentreff schon oft die Frage erregt diskutiert, was hätten die Menschen damals von den Verbrechen wissen können, wenn sie wissen gewollt hätten, was hätte verhindert werden können, wenn den Anfängen gewehrt worden wäre. Deinem Brief nach zu schließen und deinem Erlebten nach, hätte sehr viel gewusst werden und demnach auch verhindert werden können. Ich weiß, ich habe gut reden wegen der Gnade meiner späten Geburt (1948). Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass ich wahrscheinlich kein Held gewesen wäre und mein Leben unter den damaligen Umständen wohl nicht aufs Spiel gesetzt hätte. Ich habe deshalb nicht das Recht über die damaligen Menschen zu urteilen, aber ich leite aus meinem Wissen um die schreckliche Vergangenheit die Pflicht ab, alles zu tun, um damalige Zustände erst gar nicht entstehen zu lassen.

Wir dürfen nicht mit dem Widerstand gegen Unmenschlichkeit warten, bis dass es lebensgefährlich wird etwas zu tun. Wir leben (noch) in einem Staat in dem es möglich ist seine Stimme zu erheben, wenn Entwicklungen eingeleitet werden sollen, die ein totalitäres Regime wieder möglich machen. Wir haben heute die Möglichkeit Widerstand zu leisten, wenn Kriege vom Zaun gebrochen werden sollen oder der Nachbar wegen seiner Rasse oder Religion verfolgt wird.

Es ist gut, Horst, dass du mit deinem Text aufrüttelst, aber du solltest nicht deine Mutter anklagen, sondern dich/uns in die Pflicht nehmen, den Anfängen heute zu wehren, wo es noch möglich ist.

Mit einem herzlichen Gruß
--
karl

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kolli
kolli
Mitglied

Mit einem herzlichen Gruß
geschrieben von kolli
Ein dreifaches Danke schön an Karl !!.

Kolli

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