Forum Politik und Gesellschaft Diskussion historischer Ereignisse 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang

Diskussion historischer Ereignisse 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang

stange
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von stange
als Antwort auf bongoline vom 03.10.2008, 12:33:26
Aber grad "Senioren" müßte es beim Fall der Mauer ein Leichtes gewesen sein, sich einzubinden, denn es müsste ja noch irgendwo verborgen ein anderes Gedankengut in ihnen schlummern.
Kann mir jemand erklären, warum das aber nicht so ist, warum man nach 18 Jahren immer noch das Gedankengut der DDR mit sich schleppt?



Aber Bongoline
rechne doch mal selbst. Ich bin Jahrgang 36. Als der schreckliche Krieg zu Ende ging war ich neun Jahre alt, und die Russen waren die Besatzungsmacht. Was meinst Du welches Gedankengut schon mit neun Jahren vorhanden ist, wenn dann nur das faschistische Gedankengut was dann vom stalinistischen abgelöst wurde. Von einem westlichen Gedankengut, wie Du es wahrscheinlich kennengelernt hast, konnte da natürlich noch keine Rede sein, und mir währes es auch viel lieber, wir würden nach 18 Jahre Einheit nicht mehr vom östlichen und westlichen Gedankengut sprechen, sondern vom gesamtdeutschen Gedankengut. Dann wären wir nach meiner Sicht schon wieder eine Stufe weiter

stange
bongoline
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von bongoline
als Antwort auf stange vom 03.10.2008, 13:12:21
danke stange,

und Du hast recht. Ziemlich blauäugig waren meine Gedanken, denn ich habe wirklich komplett auf das faschistische Gedankengut vergessen, das ja schon lange vor der DDR aufgezwungen war. Ich war ja Baby mitten im Krieg und ehrlich gestanden, es wurde bei uns auch damals in den Schulen nur am Rande über den Osten unterrichtet, erst so um 1968 herum wurde mehr informiert, da hängten sich dann auch die Medien hinein, gewisse Zusammenhänge wurden auch mir hinterm Berg dann klar.

Du hast mir mit Deinen wenigen aber für mich aussagekräftigen Sätzen mehr gesagt als manch Abhandlung.

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bongoline
simba
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von simba
als Antwort auf bongoline vom 03.10.2008, 13:36:05
Als die Mauer 1989 fiel, wurde das auch bei uns übertragen und ich zwang meinen Sohn sich dies alles anzusehen, denn dies war für mich ein Tag besonderer Geschichte. Der eiserne Vorhang war auch für uns Österreicher bedrückend, da er bei uns im Osten gar nicht so weit von entfernt war. Es kamen ja auch immer wieder Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei und Ungarn, die uns berichteten, wie es "Drüben" war. Einmal war ich mit meinem Mann für ein paar Tage in Ungarn, die Grenze von Soldaten bewacht mit Maschinengewehren. Als wir auf einer Landstrasse fuhren, kam uns ein Trupp russischer Soldaten entgegen. Wir bleiben mit dem Auto am Strassenrand stehen und ich hab mich sehr gefürchtet, als plötzlich ein Soldat sich von der Truppe löste und zu uns zurücklief und dachte" jetzt ists aus mit uns!" Doch der Soldat fragte bloss: Kamerad - Zigaretten ?" Ich wühlte schnell die Taschen durch und gab ihm die Päckchen die wir dabei hatten - der hatte sich richtig gefreut und lief schnell wieder zu seiner Truppe zurück. Mein Mann und ich waren erschüttert, denn wir hatten ein völlig anderes Bild von den russischen Soldaten - aber das da waren ganz arme Kerle, die betteln mussten dass sie ein bisschen was ausser der Reihe abbekamen - ich werd das nie vergessen - das war sozusagen meine persönliche Begegnung mit dem Kommunismus....
Ich wünsche den Deutschen, dass sie sich auch mit Kopf und Herz wiedervereinigen, es wird sicher noch einige Zeit brauchen und ich verstehe es auch, denn wenn man von Kindheit nach diesem System erzogen wurde, findet man die damaligen Zustände wohl normal und nicht so schlimm, wie es für uns aussah....
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simba

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luchs35
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von luchs35
als Antwort auf bongoline vom 03.10.2008, 12:33:26
Haben die in den Jahren der DDR wirklich alle Werte über Bord geworfen und nur mehr DDR-Gedankengut in sich gespeichert oder ist da nicht oftmals das Denken an (jetzt blöd ausgedrückt) westliche Werte aufgekommen?


Hallo Bongo, nun muss ich doch erst mal vorsichtig fragen, was du meinst mit der Frage, ob in der DDR *alle Werte* über Bord geworfen worden seien?
Ich habe seit 1990 in Ostdeutschland wunderbare Freunde gefunden, auch eine * beste Freundin*. Mit ihnen habe ich von Beginn an nächtelang diskutiert, ich wollte einfach alles wissen und habe sicher manchen geduldigen *Ossi* genervt. Eines konnte ich dabei feststellen, dort wurden zumindest die kulturellen Werte höher geschätzt als in Westdeutschland, wo längst die Amerikanisierung gerade diese Werte in den Hintergrund geschoben hatten.

Ich habe in die Bücherschränke geschaut, die Musikplatten- Sammlungen gesehen, wusste, welches Theaterstücke etc. bevorzugt wurden und habe tief bedauert , wie wenig davon bei uns im Westen vor allem bei jungen Menschen zu finden war.

Sicher darf man das alles nicht verallgemeinern, aber man sollte auch auf keinen Fall die Ansicht haben, dass die Menschen in der DDR keine Wertevorstellungen hatten.
Dazu gehört ja wohl auch die Tatsache, dass nicht der Westen, sondern die Menschen der DDR die Wiedervereinigung erzwungen haben - eine stille Revolution ohne Blutvergiessen!

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luchsi35
bongoline
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von bongoline
als Antwort auf simba vom 03.10.2008, 14:25:52
Eben simba, wir haben nicht viel davon mitbekommen. Ich denke an die Fernsehsendungen, da sah man den Erich Honecker bei allen möglichen Festivitäten, wir bestaunten die tollen Sportler aus der DDR, Kathi Witt war das Aushängeschild. Ich war 1979 in Rumänien und habe mich da lang mit einem Siebenbürgener unterhalten, habe viel über Rumänien erfahren und es kam die Sprache auf die DDR und der meinte, ja das ist ja der goldene Westen Auch der Mann bat mich, nachdem ich ihn auf ein Bier einladen wollte, ob ich ihm 1 DM geben könne. Ja meine Frage, wofür denn, erklärte er mir, die rumänischen Rasierklingen taugen nichts, da geht er dann mit der Mark zu einem der Intershops und bittet einen Touristen, daß er ihm eine Wilkinsonklinge mit raus bringt. War doch selbstverständlich, daß ich mit ihm ging und ich habe ihm nicht nur 1 Stück sondern 3 Packungen gekauft - mehr waren nicht da.

Klar haben wir doch dann auch einiges mitbekommen, was hab ich mich gefreut, als die Mauer fiel, als ich die Bilder im Fernsehen sah, wie sich Fremde vor lauter Glück in die Arme gefallen sind und ich dachte an ein großes Stück heile Welt.

Ich habe dann auf meiner Thüringenreise von sogenannten Ossis die Aussage gehört, vor dem Mauerfall war alles besser, dann habe ich im Gegenzug von Wessis gehört, nachdem ich die damals neu ausgebauten Straßen so für toll fand - alles mit meinem Geld. Diese Diskrepanzen haben mich regelrecht kirre gemacht. Nachdem bei uns dieses Ost-West-Denken (wobei wir Tiroler Wien - politisch gedacht - auch mal als Wasserkopf Österreichs bezeichnen) nicht vorhanden ist, war es einfach für mich unfassbar, daß ein geeintes Volk noch immer so getrennt sein kann.

Also man verzeihe mir meine eingangs sehr naiv gestellte Frage, ich habe mit wenig viel dazugelernt.

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bongoline
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von bongoline
als Antwort auf luchs35 vom 03.10.2008, 14:42:29
Tja luchsi,

es scheint eine Manie zu sein, etwas aus dem Sinn gerissen zu kopieren, kommt ja auch besser oder reißerischer rüber. Wenn Du meinen ganzen Absatz zusammenhängend gelesen hättest ....

Diese "Senioren" wurden doch wohl mit gesamtdeutschen Werten vom Kleinkind an aufgezogen und erst nach Errichten der DDR in dieses System gepeitscht. Haben die in den Jahren der DDR wirklich alle Werte über Bord geworfen und nur mehr DDR-Gedankengut in sich gespeichert oder ist da nicht oftmals das Denken an (jetzt blöd ausgedrückt) westliche Werte aufgekommen?

Aber grad "Senioren" müßte es beim Fall der Mauer ein Leichtes gewesen sein, sich einzubinden, denn es müsste ja noch irgendwo verborgen ein anderes Gedankengut in ihnen schlummern.


Erstens wollte ich die Generation ansprechen, die ihre Kindheit vor dem DDR-Regime erlebt hatte, bin aber inzwischen ja eines besseren belehrt worden, denn ich habe die Jahre unter dem Hitlerregime komplett außer Acht gelassen.

Zweitens - ich schrieb von Werten aus dem Gedankengut und nicht von Kulturgut - da ist ein gewaltiger Unterschied - jedenfalls für mich. Aber, wie schon vorher angeführt - und ich habe mich in meiner letzten Antwort ja auch für meine naiv (ohne großartiges Nachdenken) gestellte Anfrage entschuldigt - habe ich nicht bedacht, daß die Generation, die ich eigentlich ansprechen wollte, sicher nicht mehr im Forum anzutreffen ist.

--
bongoline

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simba
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von simba
als Antwort auf bongoline vom 03.10.2008, 18:38:44
Das glaube ich eigentlich auch Bongoline, hier ist die Generation, denen zuerst die Ideologien des Nationalsozialismus eingetrichtert wurden, dann war dies alles falsch und man bekam die Richtlinien der vormaligen Feinde aufgezwungen und hatte sie anzuerkennen.....
Wie wenig ich von den Ostdeutschen wusste, erfuhr ich erst in einem Chat wo ich mich mit einem Berliner aus dem Osten unterhielt. Er war zuerst furchtbar misstrauisch aber dann unterhielten wir uns recht gut und über unsere gemeinsame Vorliebe für Bücher. Als ich ihn nach seinen bevorzugten Autoren fragte, schrieb er "Aitmatow, Strittmatter und noch einige. Ich war ganz erschüttert, weil ich von diesen Schriftstellern noch nie gehört hatte.... Er schickte mir dann mal die Trilogie von "Der Laden" und dafür bin ich ihm heute noch dankbar.
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simba
luchs35
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von luchs35
als Antwort auf bongoline vom 03.10.2008, 18:38:44

Nein, Bongo, ich wollte da nichts reisserisch aufwerfen, deshalb fragte ich ja, was du mit "Werte" meinst. Ich hörte das nämlich schon einigemale, dass die Werte in der DDR zerstört worden sind, was ich nicht so sehen kann. Da ist wohl was durcheinander geraten, was nicht beabsichtigt war. Tut mir Leid, ich wollte dich nicht "schräg angehen", aber du hast es ja nun geklärt, was gemeint war.


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luchsi35
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von luchs35
als Antwort auf luchs35 vom 03.10.2008, 19:25:42
Auch wenn der Feiertag beendet ist, wäre es doch schön, wenn wir die Diskussion, beziehungsweise das Formulieren der Gedanken darüber fortsetzen könnten.

Ich fand die einzelnen Beiträge sehr interessant, zeigten sie doch fern von Streitereien um Ideologien die Sichtweise der Menschen auf das wohl wichtigste Ereignis nach dem Krieg.
Wölfin hat es am Anfang geschrieben, wie die Tränen flossen, wie sich wildfremde Menschen in den Armen lagen. Diese ganz besonderen Momente kann und darf man nicht vergessen. Ich habe damals diese Stunden auf Video aufgenommen und habe sie unlängst meinen sehr interessierten Enkeln gezeigt. Sie waren damals ja noch nicht geboren, aber sie sollen einmal alles über Deutschland wissen, auch wenn sie hier in der Schweiz leben - oder gerade deshalb.

Und für uns selbst sollte auch die Sichtweise der Menschen aus Ostdeutschland wichtig sein und umgekehrt. Nur so wird Verständnis und echtes Zusammenwachsen entstehen können.

Die üblichen, ideologischen Wertungen sollen aussen vor bleiben. Nur so erfahren wir, wie in der Zeit der Trennung die Menschen hüben und drüben gelebt und sich auf die Gegebenheiten eingerichtet haben.

Es gäbe sicher sehr viel zu erzählen, das bisher in den "Grabenkämpfen" in verschiedenen Threads untergegangen ist.





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luchsi35
hisun
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hisun
als Antwort auf Drachenmutter vom 03.10.2008, 10:11:05
Wie Recht Du doch hast Luchsi.

Ich erinnere mich mit einer Gänsehaut an diese Zeit. Vor meinem geistigen Augen sehe ich die Trabikolonnen, vollbesetzt mit jubelnden Menschen, empfangen von jubelnden Menschen. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen und heulten wie die kleinen Kinder und ich habe vor dem Fernseher mitgeheult.

Was für eine Zeit durften wir miterleben. Sowas wiederholt sich nicht so schnell, nicht in diesem Leben. Sowas ist einmalig für jeden, der es erleben durfte.
geschrieben von woelfin



Wir haben das am Fernsehen mitverfolgt. Und auch ich habe geheult. Es war so was wahnsinniges, einmaliges, einfach toll!

Meine Mutter war eine Deutsche. Ich habe viele Verwandte in Deutschland. Wir haben immer mitgelitten. Und an diesem Tag, haben wir uns einfach wahnsinnig mitgefreut.

Es ist eine Freude, alle diese Beiträge zu lesen. Auch wir Schweizer freuten uns riesig, als die Mauer fiel.

Liebe Grüsse aus der Schweiz an Euch alle
Sonja


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hisun

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