Diskussion historischer Ereignisse Korruption im Wilden Westen

Westernlady
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Korruption im Wilden Westen
geschrieben von Westernlady
Ich setze in unserem Westernforum jeden Tag einen Kalenderblattartikel rein der zur USA des 19. Jahrhunderts passt. Am 27.04. hatte ich den folgenden drin.

27.04.1865

Explosion des Dampfschiffes Sultana

Es war die schwerste Schiffskatastrophe in der Geschichte der USA. Bei einer Explosion starben etwa 1700 Menschen. Die genaue Anzahl der Todesopfer ist nicht bekannt, aber es waren rund 200 Tote mehr als beim Untergang der Titanic, das meist als das größte Schiffsunglück dargestellt wird. Dies wurde nur damals von den Zeitungen nicht so hervorgehoben, da es bei den Opfern des Bürgerkrieges um sehr viel höhere Zahlen ging.

Dabei sollte es für 2300 befreite Kriegsgefangene eigentlich die Heimkehr sein. Der Raddampfer Sultana wurde von den Konföderierten als Truppendampfer eingesetzt. Die geschwächten Männer saßen im Süden fest und wurden deshalb nach Vicksburg, Mississippi gebracht und von dort mit Raddampfern nach Cairo, Illinois. Dafür erhielt der Kapitän 5$ pro Kopf, wovon dieser wiederum den Offizieren 1,15$ Bestechungsgeld zahlte damit sie möglichst viele an Bord schickten.

Eigentlich war der Raddampfer nur für 356 Personen (einschließlich Mannschaft) zugelassen. Es befanden sich einschließlich der Mannschaft und "normalen" Passagieren aber 2485 Personen an Bord. Sie war nicht nur stark überladen, sondern ein Leck in einem der Kessel wurde nicht fachgerecht repariert weil es bis vier Tage hätte dauern können und sonst ein anderes Schiff gekommen wäre und den rentablen Auftrag erhalten hätte. Stattdessen wurde nur ein Stück Metall über das Leck genietet. Dies wird als mögliche Ursache angenommen.

Die zuständigen Offiziere waren darüber informiert, aber sie wollten nicht auf das Schmiergeld verzichten und ließen so 2300 Kriegsgefangene an Bord. Diese waren nach der Hölle des Krieges und des Gefangenenlagers bereit alles auf sich zu nehmen um so schnell wie möglich heim zu kommen. Es war so voll, dass sie kaum im Stehen noch Platz fanden. In Memphis nahmen sie dann auch noch Kohle auf. Das war mehr Gewicht, dals das Schiff verkraften konnte.

Um 2:40 Uhr morgens - 13 Kilometern von Memphis entfernt - explodierte dann der reparierte Kessel. Zwei weitere Kessel explodierten und das Schiff fing Feuer. Die Menschen auf dem Hurrican Deck wurden von den glühenden, scharfkantigen Eisenteilen getötet. Die unteren Decks stürzten durch das Feuer ein. Die 800 Überlebenden der Katastrophe waren diejenigen, denen es gelungen war in den Fluß zu springen und sich an irgendetwas festzuhalten, bzw. draufzusetzen.

Hätte also verhindert werden können wenn nicht die Offiziere und der Kaptitän korrupt gewesen wären. Oder war es gar nicht nur billigend in Kauf genommen worden sondern sogar eine gute Möglichkeit die Veteranen, die ja Kosten verursachten, los zu werden? Was meint ihr?
qilin
qilin
Mitglied

Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von qilin
als Antwort auf Westernlady vom 30.04.2013, 12:42:04
Das ist ja eine Horrorstory...
Aber zur Frage - ohne zusätzliche Information würde ich Absicht für sehr unwahrscheinlich halten. Der Kapitän hätte dann ja nicht nur sein Schiff riskiert, sondern auch seine Mannschaft und sein eigenes Leben (ist der überhaupt 'rausgekommen?) - und das für ein Ergebnis, von dem er gar nicht profitiert hätte (außer er wäre dafür nochmals sehr großzügig 'geschmiert' worden...)
Karl
Karl
Administrator

Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von Karl
als Antwort auf qilin vom 30.04.2013, 13:49:25
Absicht war es sicher keine, aber die Gier von Kapitän und Offizieren, möglichst viel Geld zu verdienen, war wohl die Ursache für die Überladung und den nicht fachmännisch reparierten Kessel.

Karl

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Westernlady
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Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von Westernlady
als Antwort auf qilin vom 30.04.2013, 13:49:25
Das ist ja eine Horrorstory...
Aber zur Frage - ohne zusätzliche Information würde ich Absicht für sehr unwahrscheinlich halten. Der Kapitän hätte dann ja nicht nur sein Schiff riskiert, sondern auch seine Mannschaft und sein eigenes Leben (ist der überhaupt 'rausgekommen?) - und das für ein Ergebnis, von dem er gar nicht profitiert hätte (außer er wäre dafür nochmals sehr großzügig 'geschmiert' worden...)


Da hast du natürlich Recht mit der Gefahr für sein eigenes Leben, aber ich hab mal wieder ungünstig formuliert (das krieg ich sogar von meinen Kindern und meinem Freund und meiner Freundin zu hören obwohl die mich genau kennen oder vielleicht gerade deshalb). Die Absicht habe ich der Regierung unterstellt, die ja für die Soldaten aufkommen müsste.
So ganz ausschließen möchte ich das allerdings auch nicht für den Kaptiän wenn es sein Schiff und gut versichert war. Immerhin hatte der Kessel ja schon einen Schaden weil sie das Flußwasser benutzt haben. Ich weiß noch nicht einmal ob er überhaupt an Bord war. Ich hab immer nur was von der Besatzung gelesen. Und über die Überlebenden wurde nichts weiter berichtet als das was ich zum Schluß geschrieben habe.

@Karl: das war es auf jeden Fall, die Geldgier!
Aber jedem war sicher klar, dass das Schiff das eigentlich nicht schaffen kann mit dieser immensen Überladung.
Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
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Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Westernlady vom 30.04.2013, 14:12:29
Ich habe einmal auf der englischsprachigen Wiki-seite[/url] nachgelesen. Demnach gehörte der Kapitän J. C. Mason zu den Vermißten, die so wie viele andere tödlich Verunglückte nicht gefunden wurden.

Es wird auch berichtet, dass die Unglücksursache im folgenden Prozeß hauptsächlich auf 3 (zusammenhängende) Ursachen zurückgeführt wurden:

[i]The official cause of Sultana disaster was determined to be mismanagement of water levels in the boiler, exacerbated by the fact that Sultana was severely overcrowded and top heavy. As the steamship made its way north following the twists and turns of the river, Sultana listed severely to one side then the other. Sultana's four boilers were interconnected and mounted side-by-side, so that if the ship tipped sideways, water would tend to run out of the highest boiler. With the fires still going against the empty boiler, this created hot spots. When the ship tipped the other way, water rushing back into the empty boiler would hit the hot spots and flash instantly to steam, creating a sudden surge in pressure. This effect of careening could have been minimized by maintaining high water levels in the boilers. [u]The official inquiry found that Sultana 's boilers exploded due to the combined effects of careening, low water level, and a faulty repair to a leaky boiler made a few days earlier.

[/indent]

Es gab dann noch ein Geständnis auf dem Totenbett von einem Herrn, der einen Anschlag mit einer Kohlenbombe gestand.
Die meisten Historiker folgen nicht dieser Theorie, wird gesagt (obwohl es ein paar wenige Indizien dafür gibt.)

Interessant fand ich auch folgende Information, dass die Wahrnehmung dieses Unglücks in den Medien ziemlich mäßig war, da der Mörder von Präsident Lincoln tags zuvor auf der Flucht erschossen wurde.

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Mir drängt sich der Vergleich mit dem Unglück in der Düngemittelfabrik in Texas auf, das auf die jahrelange Mißachtung von Sicherheitsvorschriften und mangelnde Kontrolle trotz vieler Warnungen zurückzuführen ist. Es war nur eine Frage der Zeit, wann dort eine schleckliche Explosion stattfinden würde. Auch in diesem Fall war die Gewinnmaximierung auf Kosten von Menschen die Grundursache - und wurde von den Medien wegen der Anschläge von Boston nicht besonders analysiert.
Westernlady
Westernlady
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Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von Westernlady
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 30.04.2013, 15:11:49
Danke für deine Information über den Kapitän.
Das mit der Aufmerksamkeit in den Medien hatte ich auch gelesen. Meine Quelle (weiß nicht mehr welche) führte dies allerdings mehr auf den zurückliegenden Bürgerkrieg zurück. Was waren schon 1700 Tote im Verhältnis zur Menge der Gefallenen und zivilen Opfer. Dieses mangelnde Interesse der Medien ist ja auch der Grund warum der Untergang der Titanic und nicht dieses Unglück als größte Schiffskatastrophe gilt.
qilin
qilin
Mitglied

Re: Korruption im Wilden Westen
geschrieben von qilin
als Antwort auf Westernlady vom 01.05.2013, 09:10:38
Es wird zwar gern die Titanic genannt - die größten Schiffskatastrophen dürften aber die Versenkung der Wilhelm Gustloff, der Goya und der Steuben 1945 durch russische U-Boote gewesen sein, mit jeweils zwischen 4000 und 9000 Toten. Es waren de facto Flüchtlingsschiffe, aber nicht als solche erkennbar...

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