Diskussion historischer Ereignisse Selbstverortung

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Mareike vom 02.02.2021, 12:36:29

Liebe Mareike,

genauso sehe ich das auch. Aber wir sind ja hier in einem Medium, das NUR das geschriebene Wort zeigt. Ich bin sicher, dass man das in einer vis-á-vis-Diskussion ganz anders machen würde. Sicherlich würde man dort auch primär mit Menschen diskutieren, die man näher kennt, und auch das erleichtert vieles. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass man auch mittels "geschriebenem Wort" sachlich und respektvoll diskutieren kann *mir-manchmal-selbst-an-die-Nase-fass*

Lieben Gruß

DW

 

Edita
Edita
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Edita
als Antwort auf pippa vom 02.02.2021, 12:08:34

Das sehe ich etwas anders Pippa, sie hat die übrige Bevölkerung oder das damalige Bürgertum explizit abgegrenzt von Eichmann und hat gesagt, " ich habe keineswegs gemeint, der Eichmann sitzt in uns, jeder von uns hat den Eichmann und weiß der Deiwel was ..... "
Sie hat wirklich nur Eichmann und seine "empörende Dummheit" gemeint.

Daß die Mehrheit der Bürger auf Hitler abfuhr, das ist der ununterbrochenen Propagandamachinerie mit all den dreisten Lügen geschuldet, wie so etwas läuft, hat uns Mr. Trump ja bis zur Genüge vorgeführt, nur das Hitler erfolgreicher war, die Lüge wurde zur Weltordnung gemacht und seine Politik als alternativlos und notwendig erklärt und dann von der Mehrheit der Menschen auch so angesehen!

Edita
 

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Bias vom 02.02.2021, 12:15:04
Das mag für den einen oder anderen unangenehm sein - ich, beispielsweise, suche mir im Alltag gerne aus wem ich begegnen mag und wem lieber nicht - aufschlussreich und unterhaltsam ist es allemal.
 
geschrieben von Bias

Aber auch SEHR anstrengend. Das eine oder andere Mal...

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Mareike
Mareike
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Edita vom 02.02.2021, 12:42:47

Arendt schrieb auch: " ... der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, bezeichnete sie als irrelevant für das juristische Urteilen. Er wurde, so Arendt, mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel nennt sie eine Reihe antijüdischer Maßnahmen, die dem Massenmord vorangegangen waren und die in jedem Einzelfall gebilligt worden waren, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte“. Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“.

Bias
Bias
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Bias
als Antwort auf Mareike vom 02.02.2021, 12:17:25
Zu Hannah Ahrendt habe ich noch eine Ergänzung eingestellt.
Wesentlich ist darin für mich der Satz: " Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“, sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“
Gehorcht haben damals sehr viele (Selbstschutz); Unterstützung ist ein aktives Handeln aus eigenem Antrieb - da fängt die Schuld an. Was waren die Motive für die Unterstützung des Regimes?
Auf heute übertragen bedeutet das für mich, mich immer wieder zu fragen, ob, wozu und warum ich Maßnahmen zustimmen und unterstützen kann. Immer dann, wenn ich Skepzis spüre, versuche ich für mich zu klären, warum das so ist. Denn ich bin und bleibe immer für mein eigenes Tun verantwortlich.
"Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese hohen Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte:
„Wer hat je behauptet, dass ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“

Darin, Mareike, wird für mich Hannah Arendts Reflektionsfähigkeit ebenso erkennbar wie ihr gewissenhafter Umgang mit den Themen welchen sie sich widmete.
Als unabhängiger Geist war sie in der Lage sich selbst infrage zu stellen. Für wohlfeile Empörung war bei ihr wenig Platz.
So gesehen würde sie vermutlich meine Eingangsbitte um Selbstverortung und um Vorstellung dessen was wäre wenn die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte, nicht als unsittlichen Antrag auffassen und ihr ausweichen, sondern sie als etwas betrachten, was ihrem Selbstverständnis entspricht.
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Nachtrag, weil eben erst bei Dir gelesen:
Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“.
Der damals angesehensten Gesellschaft;
und ich vermute, dass insbesondere die Gebildetsten unter derselben die überzeugensten Argumente dafür fanden, schlüssig zu begründen weshalb sie so und nicht anders handeln;
wenn sie denn je danach gefragt worden sein sollten - damals.

Einfacheren Leuten fehlts für gewöhnlich an einer solchen sophistischen Begabung.
- Sie machen halt mit,
- tun etwas wie Georg Elser
- oder  verzweifeln im Selbstvorwürfen ob ihrer (feigen) Ohnmacht wenn sich ihr Gewissen in schlaflosen Nächten meldet.
 
Edita
Edita
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Edita
als Antwort auf Mareike vom 02.02.2021, 12:51:58

Das wissen wir doch alles Mareike, das haben wir ja oft genug und viel früher hier schon selber auch klargestellt, mir ging es eben nur um die unselige "Verknüpfung" des Arendt-Zitates mit der politischen Stimmung von damals und insbesonders heute!
Und was Du unten jetzt nochmals herausgestellt hast, dafür müssen wir uns heute gerade machen, daß das nicht mehr passieren darf und kann, alles was damals als antijüdisch verpönt und entmenschlicht wurde, ist heute antiausländer, antischwul, antimuslimisch, antichristlich, antieuropäisch, antisozial, kurz ........ antimenschlich, und das muß verhindert werden, wir müssen das verhindern .......
Gerade heutezutage, 2015 war das ganz besonders zu merken, als die Mehrheit der Deutschen die Geflüchteten solange warmherzig begrüßte, bis die AfD und Anhänger ihre Hetzkampagnien startete und die Willkommenskultur ins Wanken brachte ....... in dem Sinne kann ich Bias' Begriff von Verführung nachvollziehen, aber dann nicht weiter, irgendwann muß die Selbstverantwortung greifen! 

Edita
 


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Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Selbstverortung
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Edita vom 02.02.2021, 13:23:54

Ich möchte da differenzieren oder zumindest ergänzen.
Muss jetzt aber erst mal zum Augenarzt.

Nur soviel. Sich von der AFD abzugrenzen, ist das Eine.
Sich zu fragen, warum gewisse Strömungen entstehen, ist das Andere.
Für mich ist es eine Frage von HEUTE und nicht von "Ewig gestern".

Wie ehrlich ist die Flüchtlingspolitik?
Warum werden keine oder nur wenige Möglichkeiten geschaffen für legale Einwanderung?
Welche Möglichkeiten habe ich da Einfluss zu nehmen? Und was möchte ich denn überhaupt in der Hinsicht?

Das lässt sich fortsetzen.

Der-Waldler
Der-Waldler
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Mareike vom 02.02.2021, 13:39:38

... berechtigte Fragen, Mareike. Gute Augenarztergebnisse ...

DW

Michiko
Michiko
Mitglied

RE: Selbstverortung
geschrieben von Michiko

Vor kurzem lief im TV der Film "Der Staat gegen Fritz Bauer", der eine oder andere wird ihn vielleicht gesehen haben. Der Jurist und ehem. Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war der Mann, der dafür sorgte, dass Eichmann aufgefunden und 1960 der Justiz übergeben werden konnte. Nicht ganz umstritten der Vorgang.

Neben Hannah Arendt halte ich ein Buch von Bettina Stangneth für aufschlussreich, was das "Rädchen" Eichmann hinterfragt und erklärt.

In "Eichmann vor Jerusalem" räumt Bettina Stangneth mit einer Fülle von Nachkriegslegenden und -lügen auf und enthüllt, wie der Menschheitsverbrecher Adolf Eichmann nach dem Krieg ein unbehelligtes Leben führen konnte - obwohl sowohl sein Aufenthaltsort als auch sein Deckname seit 1952 bekannt waren. Mit "Eichmann vor Jerusalem" dekonstruiert Bettina Stangneth die Lügengerüste der Nachkriegszeit und entlarvt deren unheilige Protagonisten - und wirft ein neue Licht auf die Probleme bei der Demokratisierung Deutschlands nach dem größten Zivilisationsbruch aller Zeiten.
Eichmann war beileibe kein Rädchen sondern ein eifriger Antisemit, der die Juden so gehasst hat, dass er sie alle loswerden wollte und dafür war ihm jedes Mittel recht. Seine Erscheinung im Prozess war eine Maskerade, von der er annahm, sie würde ihm nützlicher als die furchtbare Wahrheit.

 
Bias
Bias
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RE: Selbstverortung
geschrieben von Bias
als Antwort auf Michiko vom 02.02.2021, 13:46:46
Vor kurzem lief im TV der Film "Der Staat gegen Fritz Bauer", der eine oder andere wird ihn vielleicht gesehen haben. Der Jurist und ehem. Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war der Mann, der dafür sorgte, dass Eichmann aufgefunden und 1960 der Justiz übergeben werden konnte. Nicht ganz umstritten der Vorgang.

Neben Hannah Arendt halte ich ein Buch von Bettina Stangneth für aufschlussreich, was das "Rädchen" Eichmann hinterfragt und erklärt.
In "Eichmann vor Jerusalem" räumt Bettina Stangneth mit einer Fülle von Nachkriegslegenden und -lügen auf und enthüllt, wie der Menschheitsverbrecher Adolf Eichmann nach dem Krieg ein unbehelligtes Leben führen konnte - obwohl sowohl sein Aufenthaltsort als auch sein Deckname seit 1952 bekannt waren. Mit "Eichmann vor Jerusalem" dekonstruiert Bettina Stangneth die Lügengerüste der Nachkriegszeit und entlarvt deren unheilige Protagonisten - und wirft ein neue Licht auf die Probleme bei der Demokratisierung Deutschlands nach dem größten Zivilisationsbruch aller Zeiten.
Eichmann war beileibe kein Rädchen sondern ein eifriger Antisemit, der die Juden so gehasst hat, dass er sie alle loswerden wollte und dafür war ihm jedes Mittel recht. Seine Erscheinung im Prozess war eine Maskerade, von der er annahm, sie würde ihm nützlicher als die furchtbare Wahrheit.
geschrieben von Michiko
Frau Arendt beschreibt im Ergebnis ihrer Prozessbeobachtungen Adolf Eichmann als beflissenen Bürokraten, Michiko.
Als einen der keinen Hass gebraucht hat um das zu erfüllen was seine Aufgabe war: Möglichst effizient Lagertransporte zusammenstellen.
Ein bürokratischer Charakter wie ihn Erich Fromm beschrieb.
Einer, dessen Bibel ein Erlass oder eine Dienstverordnung gewesen ist.
Einer der heute für die effiziente Verteilung von Impfstoffen eingesetzt werden könnte und sich in dieser Aufgabe vermutlich bewähren würde.
Auch dieser Aspekt war Teil dessen, was Frau Arendt "banal" genannt hat.
 

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