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Innenpolitik Kinderarmut in Deutschland

karl-hagen
karl-hagen
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Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von karl-hagen
Deutschland ist das kinderärmste Land.
Die Kommentatoren beklagen dies und verweisen auf die Folgen für die Sozialsysteme und den bevorstehenden Arbeitskräftemangel.
Ich denke dies werden die kleinsten Probleme sein.
Die Gesellschaft verändert sich allmählich. In Städten bzw. Stadtteile, mit hohen Anteil an Senioren ist das jetzt schon zu beobachten. Das Leben verändert sich gewaltig.

Woran liegt es wohl, dass es in Deutschland so wenig Kinder gibt.
Ich sehe die Ursache in einer verfehlten Familien- und Gesellschaftspolitik.
Kinder werden als großes Armutsrisiko dargestellt. Warum eigentlich. Nicht die Kinder machen arm, sondern die Scheidungen.
Die Familienpolitik der letzten 30; 40 Jahre diente vor allem der Wirtschaft. Diese benötigte die Frauen als billige Arbeitskräfte. Daraus wurde ein Bild gebastelt und die moderne Frau war geboren. K;K;K Kirche, Küche und Kinder galten als rückständig. (Gleichzeitig hat man den Versucht gemacht, genau dies den Männern schmackhaft zu machen)
Politiker verkündeten lauthals, dass Familie und Beruf vereinbar sein müssen. Es wurden Kinderbewahranstalten geschaffen und Tagesstätten genannt. Auf Qualität wurde nicht geachtet. Es war nur wichtig, das die Zahl der Betreuungsplätze dem vermeintlichen Bedarf angepasst wurden.
In den Schulen hat man es nicht vermocht, die bei den Hausaufgaben helfende Eltern zu ersetzen. Kinder die auf diese Unterstützung verzichten mussten, blieben benachteiligt.
Zum erwachsen werden gehört nicht nur, das Aneignen von Schulwissen, sondern auch die Übernahme von Wertvorstellungen. Ich habe bis heute noch von keiner Diskussion gehört, die dies zum Thema gemacht hätte.
Ausgleichen sollen die Kinderarmut nun die Zuwanderer. Das ist wieder eine Milchmädchenrechnung. Wenn man sehen will, was es bringt, kann es in Duisburg Marxloh oder Berlin-Neukölln sehen.
Nur noch eine Bemerkung. Die Gesellschaftspolitik führt der Wirtschaft immer mehr Arbeitskräfte zu. Die Folge ist, dass diese Kapazitäten der Familie entzogen werden. (Kindererziehung und Pflege). Nur, wenn man diese Dienstleistungen den Profis überläst, wird es um das vielfache teuerer. Hier nur ein Hinweis auf den Streik der Erzieherinnen. Das wiederum will die Gesellschaft nicht zahlen.
Klaro
Klaro
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von Klaro
als Antwort auf karl-hagen vom 30.05.2015, 17:12:09
Die Kinderarmut ist für mich dadurch begründet, dass in den 60er Jahren die "Pille" eingeführt wurde und man somit die Nachkommenschaft "regulieren" konnte. Dazu kam die Emanzipation der Frau (bessere Schul/Berufsausbildung), das gelockerte Scheidungsrecht und vor allem - die steigenden Lebenshaltungskosten, mit denen die Löhne eines Durchschnittarbeiters/Angestellten (wenn es überhaupt genügend Stellenangebote gab) nicht mehr mithalten konnten, sowie der steigende Lebensstandard.
Heute muss eine Alleinerziehende, sowohl wie auch eine Familienmutter zumindest halbtags arbeiten gehen, um sich das zu leisten (Urlaub, Auto usw.) was eben Standard ist.

Klaro
ehemaligesMitglied41
ehemaligesMitglied41
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von ehemaligesMitglied41
als Antwort auf karl-hagen vom 30.05.2015, 17:12:09
karl-hagen,

..du schreibst u.a.:


Es wurden Kinderbewahranstalten geschaffen und Tagesstätten genannt.


..es entzieht sich meiner Kenntnis, ob du überhaupt weißt, was der Unterschied zwischen beiden ist und ob du je solch eine Einrichtung besucht hast.

Ich könnte jetzt viel dazu schreiben, mich empören oder dich einfach fragen, in welcher Zeit lebst du denn?

Nein, es ist nicht damit getan, genügend Betreuungsplätze zu schaffen, es müssen die Rahmenbedingungen insgesamt stimmen.

Das ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und hat mit Scheidungen nichts zu tun.

Mit gesamtgesellschaftlich meine ich alle, auch dich und mich.

So lange, wie in nicht wenigen Köpfen noch verankert ist, dass eine Mutter zuhause sich um das Wohl des Kindes zu sorgen hat und die Kindertagesstätten als „Bewahranstalten“ bezeichnet werden, so lange wird sich nicht viel ändern (obwohl sich in der Vergangenheit diesbezüglich schon sehr viel getan hat).

Bis du schon mal auf die Idee gekommen, dass es für nicht wenige Kinder viel besser ist, wenn sie diese Einrichtungen besuchen?

Du erwartest, auch zu Recht, dass den Kindern Wertevorstellungen vermittelt werden.

Ich bin der Auffassung, dass sie diese vorurteilsfrei in jeder Kindertagesstätte vermittelt bekommen. Zuhause werden diese nicht immer so vermittelt.

Eigentlich weiß ich wirklich nicht, was du willst.

Am Anfang beklagst du dich darüber, dass die Kinder „verwahrt“ werden und zum Schluss schreibst du folgenden Satz:


Hier nur ein Hinweis auf den Streik der Erzieherinnen. Das wiederum will die Gesellschaft nicht zahlen.


Was denn nun?

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Tina1
Tina1
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von Tina1
als Antwort auf ehemaligesMitglied41 vom 30.05.2015, 18:50:57
Ich glaube der Gedanke ist nicht das die Frauen nicht arbeiten gehen sollen. Schön wäre es aber wenn sie die Möglichkeit hätten sich für halbtags entscheiden zu können um dann noch Zeit u. vorallem Ruhe für ihre Kinder hätten. Mindestens bis zur 4. Klasse um dem Kind in Ruhe nicht im Streß bei den schulischen Aufgaben u. dem Lernen helfen zu können. Die Kinder also nicht die ersten im Kindergarten (teiweise 6.30 Uhr )u. in der Schule und dann die letzten 17 Uhr u später sein müssten. Das ist nur Stress für die Kinder u sie erleben kaum noch die Familie.
Die Frauen kommen heute fix u fertig von der Arbeit, oft auch nicht pünktlich weil ein Job oft Arbeit für zwei beinhaltet, sie den Arbeitsanfall kaum in der regulären Arbeitszeit schaffen können . Ihnen fehlt am Abend dann die Kraft u. die Nerven für ihre Kinder die auch total gestresst sind, weil auch von ihnen viel zu viel verlangt wird. Sie haben zeitlich einen Ablauf wie Erwachsene, denn nach dem Hort gehen sie dann noch in Sportvereine 2x in der Woche sie kommen also 19 Uhr nach Hause. Und das dann von früh um 6.30 Uhr. Das erlebe ich alles bei meinem Enkel.
Die Arbeitgeber nehmen aber keinerlei Rücksicht auf Frauen mit Kindern. Sie stellen sie oft garnicht erst ein.

Inzwischen ist es in Deutschland so das die Frauen mit arbeiten gehen müssen u das voll, denn der Lohn des Mannes langt bei einer großen Masse von Familien nicht mehr.
Also schon aus dem Grund können die Frauen es sich nicht mehr leisten für eine gewisse Zeit mal auszusetzen, denn sie würden dann ihren Job verlieren. Oder sie bekommen eine andere Tätigkeit die niedriger ist u damit auch das Gehalt. Das habe ich bei meiner Schwiegertochter erlebt. Dazu kommt dann noch das der Mann auch nicht weiß wie lange er seinen Job noch hat, denn kein Job ist heute noch sicher oder ob er in einer anderen Stadt plötzlich arbeiten muss weil die Firma schließt und nur noch der andere Standort in Frage kommt. Auch das habe ich in meiner Familie erlebt. Also entweder du gehst mit oder du kannst gehen. Das alles sind Zustände die schon länger herrschen u. das zwingt doch die jungen Menschen dazu das sie sich nur ein Kind anschaffen
können. Sie schaffen es finanziell nicht und die Unsicherheit bremst natürlich sich für mehr Kinder oder überhaupt für Kinder zu entscheiden.
Und dann wundert sich der Staat das es so wenig Kinder gibt u. macht aber nichts dagegen! Die Kindergärten sind auch viel zu teuer u Personal fehlt in den Kindergarten u. Schulen und auch die Menschen sind alle überfordert.

Der Staat hat also kein Interesse für Wachstum ihrer Bevölkerung, kein Interesse das sich junge Familien ein sicheres Nest bauen können ohne finanzielle Sorgen u Ängste. Die einzige Antwort die man darauf gibt u. das schon jahrelang "wenns dann nicht mehr langt holen wir uns Menschen von außen". Was ist denn das für eine Politik, eine "Jugendpolitik?? Sie sollten lieber was tun das es anders wird!
Kein Wunder das sich immer mehr auch die jungen Menschen von der Politik im Stich gelassen fühlen. Zumal es dann noch die Generation ist die sowiesoo schlecht dran ist, denn sie werden kaum noch ihre 45 Jahre in Arbeit schaffen, wenig verdienen u daher kaum noch eine staatliche Rente bekommen und wenn nur sehr wenig und können aber nicht für die Rente vorsorgen.
In meinen Augen geht alle immer mehr nach unten anstatt nach oben.
Nur das Wachstum der Konzerne wächst. Aber wie lange noch da hört man auch schon anderes. All die Ängste musste man in der DDR nicht haben. Ich würde heute sagen das das viel wert ist! Was nützt die Reisefreiheit, das Riesenangebot von Waren wenn man es sich sowieso nicht leisten kann. Das höre ich jetzt von vielen jungen Menschen aus meiner Heimat sagen.
Tina
ehemaligesMitglied41
ehemaligesMitglied41
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von ehemaligesMitglied41
als Antwort auf Tina1 vom 30.05.2015, 20:23:34
Hallo Tina,

du hast dir sehr viel Mühe gegeben mit deinem Beitrag und ich kann alles nur bestätigen.

Ich war nur zu faul, um soweit auszuholen.

Ich kann mich noch erinnern, wie die Politik und die Presse zu Wendezeiten über die DDR Kindereinrichtungen geschimpft haben.
Es gipfelte darin, dass unterstellt wurde, dass diese Kinder alle geschädigt sind.

Es werden nur sehr wenige verstehen, wie ich es meine, wenn ich sage, die Eltern hatten nach ihrer Arbeit noch genügend Zeit für die Kinder.

Du kennst ja die „klugen“ Argumente auch die da kommen.
Wir haben ja nicht gearbeitet, wir haben uns ja überwiegend ausgeruht.

Und es hat durchaus nichts damit zu tun, dass irgendwer den alten Zeiten nachtrauert.

Ich weiß es nicht genau, aber ca. 50 % des Staatshaushaltes werden für soziale Leistungen zur Verfügung gestellt und es wird durch die wachsende Armut noch mehr werden.

Der Staat unterstützt großzügiger Weise all die Unternehmen, die keinen Mindestlohn zahlen wollen, indem die Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse zum Lebensunterhalt bekommen.

Der Staat unterstützt die großen energieintensiven Betriebe, indem sie von der Stromsteuer befreit werden und der Staat unterstützt die großen Unternehmen, indem sie keine oder wenige Steuern zahlen.

Die Auflistung könnte noch weiter gehen.

Es wäre also genügend Geld vorhanden, um die Schwachstellen abzubauen.

Ich habe einen interessanten Artikel zur Thematik:

„…der Mensch als Ware“ gefunden.

Dir wird die diese Thematik von der Schule her noch bekannt sein. Damals war es Theorie für uns, wir hatten ja keinen direkten Vergleich; jetzt ist es tatsächliche Wirklichkeit

...der Mensch als Ware

ein_lächeln
karl-hagen
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von karl-hagen
als Antwort auf Klaro vom 30.05.2015, 17:35:36
Ich gebe dir in Vielen recht. Nur ist diese Entwicklung nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer Wirtschaft freundlichen Politik. Da stehen sich die beiden großen Parteien in nichts nach.
Die Lobbyisten stehen den Parteien näher als das Wahlvolk.

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karl-hagen
karl-hagen
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von karl-hagen
als Antwort auf ehemaligesMitglied41 vom 31.05.2015, 00:24:37
Danke für die Rückmeldung. Der Artikel ist sehr interessant.
karl-hagen
karl-hagen
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von karl-hagen
als Antwort auf Tina1 vom 30.05.2015, 20:23:34
Ich habe nicht in DDR gelebt. Ich erlebe nur, dass die Versorgung der Kinder in der DDR vom Westen immer getadelt wurde. Die Kinder würden nur im Sinne der SED erzogen.
Nun, wie ist es jetzt bei uns?
Dass die wirtschaftliche Situation so ist, wie du beschrieben hast, liegt wohl auch an den Hartz IV Gesetzen.
Die Marktwirtschaft hat längst die von Ludwig Erhard eingeführt Soziale Marktwirtschaft abgelöst.
Ich wünschte mir CDU und SPD würden sich an ihre Parteiprogramme aus den 50 Jahren erinnern.
Ich war lange Zeit aktives SPD Mitglied. Mit Schröders Rede zu 2010 habe ich die Mitgliedschaft gekündigt. Ich wollte eine solche Politik nicht unterstützen.
karl-hagen
karl-hagen
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von karl-hagen
als Antwort auf ehemaligesMitglied41 vom 30.05.2015, 18:50:57
Zu deiner Frage, ob ich Kindertagesstätten kenne. Von 1972 bis 1990 habe ich innerhalb einer Erziehungsberatungstelle, Modelkindergarten, normale Kindergärten und Tagesstätten beraten.
Einzugsgebiete waren gutbürgerliche Wohngegenden, aber auch soziale Brennpunkte.
Warum wird man bei diesem Thema immer falsch verstanden. Von mir aus kann jede Mutter arbeiten gehen, so viel sie will, wenn nur die Kinder entsprechend versorgt sind. Versorgt heißt nicht einfach untergebracht, sondern dass Zeiten, Umgebung und emotionale Zuwendung kindgerecht sichergestellt sind.
Als ich mit der Beratung im Kindergarten begann, waren 1 Erzieherin, und eine Jahrespraktikantin für 25 Kinder von 3 bis 6 Jahre verantwortlich. Die Nachmittage dienten der Nach- und Vorbereitung. Damals hieß es, dass diese Ausstattung verbesserungswürdig sei. Im laufe der Zeit wurden die Bedingungen immer schlechter.
Um auch noch eins deutlich zu sagen. Ich bin jeder Mutter, jedem Vater dankbar, wenn sie oder er sich um Kinder kümmert.
Noch eine Frage zu den Werten. Welche werden vermittelt.
Wenn ich mir den Schulhof einer Grundschule ansehe, kommt dann schon die Frage auf.
lupus
lupus
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Re: Kinderarmut in Deutschland
geschrieben von lupus
als Antwort auf Tina1 vom 30.05.2015, 20:23:34
Deine nostalgisches Lamento kann ich nicht teilen.
Die jungen Leute würden sich schön wundern, wenn sie in DDR-Verhältnisse versetzt würden.

Es war schon in der DDR wie auch jetzt so , daß Menschen mit Kindern materiell ärmlicher leben als Menschen ohne Kinder. Das wird sich wohl kaum grundsätzlich ändern und führt zu den aufgezeigten Entwicklungen.

lupus

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