Innenpolitik schavan

Re: schavan
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 16.10.2012, 08:47:12
"Ich kann mir vorstellen, dass es in den Geisteswissenschaften besonders schwierig ist, eigene Gedanken immer gut von den Gedanken anderer abzugrenzen, denn wir lesen und hören ja so viel und verweben dies in unsere eigenen Überlegungen, so dass nach x Reflexionen eventuell auch die Erinnerung verloren geht, dass der Anstoß zur Formulierung irgendwo aufgeschnappt wurde."
geschrieben von karl


Das ist ganz sicher richtig und bestätigt meine Beobachtungen.
Ich weiß von ehemaligen Schülern, die im "Phil-Hist"- Bereich promoviert haben, dass sie die meiste Zeit mit Literaturstudium verbracht haben, um herauszufinden, ob es sich bei ihren Gedankengängen immer wirklich um die eigenen Gedanken handelt - oder jemand vorher diese schon zu Papier gebracht hat ( vereinfacht ausgedrückt).

Mir ist auch klar, dass es im Internetzeitalter vielleicht sogar leichter ist, obige Schwierigkeit etwas auszugleichen - gleichzeitig aber neue Schwierigkeiten auftauchen, wenn es um die Überprüfbarkeit v. Plagiaten oder Ansätzen davon geht.

Was mich allerdings irritiert, ist die Tatsache, dass alle angeprangerten Plagiateure aus dem CDU/CSU/FDP- Bereich ermittelt wurden.
Auch bei Vroniplag ist eine deutliche "politische Sichtung" sichtbar.
Das darf nicht sein, denn damit wird die vielleicht gute Absicht zur politischen Richtungsbestimmung.

Mich irritiert auch, dass eine vertrauliche Analyse einer UNI nicht erst beim Promotionsausschuss eintrifft, sondern in Auszügen bei der Presse ankommt.

Ich glaube da nicht an Zufall, sondern Absicht.
Marija
Marija
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von Marija
als Antwort auf Karl vom 16.10.2012, 08:47:12
Guten Morgen Marija,

Guten Morgen Karl,

es gibt tatsächlich wichtige Unterschiede zwischen "geisteswissenschaftlichen" Arbeiten und z. B. naturwissenschaftlichen Dissertationen. Bei Letzteren reicht es zur Überprüfung nicht, Textvergleiche mit vorhergehenden Publikationen zu machen. Man müsste die Experimente "nachkochen", was wegen Zeit- und Arbeitsaufwand nur in begründeten Zweifelsfällen überhaupt noch vor Abschluss des Promotionsverfahrens geschehen kann. Naturwissenschaftliche Betrugsversuche fliegen deshalb häufig erst dann auf, wenn Nachfolger versuchen, auf die Ergebnisse aufbauend weiter zu kommen und das partout nicht gelingt. Solche Betrugsversuche verursachen also immer für andere hohe Kosten und verschlingen Arbeitszeit.

Wie ich oben schrieb,
es sind Schlampigkeiten erkennbar.Auch Umformulierungen finden sich, auch vergessene Quellenangaben.
Das hätte aber der Dr-Vater erkennen müssen - bei sorgfältiger Prüfung - meiner Meinung nach.


Jeder Wissenschaftler, egal ob in den Natur- oder Geisteswissenschaften baut auf der Arbeit von Vorgängern auf. Wichtig ist, dass immer sauber zu erkennen ist, was der eigene, neue Beitrag ist. Deshalb müssen die Arbeiten von Vorgängern zitiert werden. Ich kann mir vorstellen, dass es in den Geisteswissenschaften besonders schwierig ist, eigene Gedanken immer gut von den Gedanken anderer abzugrenzen, denn wir lesen und hören ja so viel und verweben dies in unsere eigenen Überlegungen, so dass nach x Reflexionen eventuell auch die Erinnerung verloren geht, dass der Anstoß zur Formulierung irgendwo aufgeschnappt wurde. Eigentlich basiert gerade kreatives Denken ja auf der freien Rekombination (Assoziation) älterer Gedankenbruchstücke.

Richtig.


Im Falle von Frau Schavan liegt nun ein Fachgutachten vor. Ich kenne dies nicht und ein Vergleich mit Guttenberg kann ich weder in die eine noch in die andere Richtung ziehen. Ich gehe davon aus, dass es nicht aus der Luft gegriffen ist, aber wir alle sollten die Beurteilung durch die Fakultät abwarten.

Ihr Dr-Vater hat sich schon zu Wort gemeldet und die Wissenschaftlichkeit der Arbeit betont.

Eine Wissenschaftsministerin hat natürlich eine besondere Vorbildfunktion. Zudem hat sie ständig mit Wissenschaftlern zu tun und sie wäre völlig unhaltbar, wenn sie tatsächlich betrogen hätte. Verjähren tut in der Wissenschaft nichts und "Gutes tun" ist immer relativ. Zu Schavan wäre da einiges zu sagen, man bräuchte nur Lehrer in Baden-Württemberg fragen (Schavansinn).

Ist auch mir bekannt.

Was mich an dem Fall sehr gewundert hat, war zu erfahren, dass Frau Schavan ohne jeden akademischen Abschluss promoviert hat.

Es gab damals in einigen Bereichen der Geisteswissenschaften den direkten "Weg" zur Promotion.
In Heidelberg war dies z.B. in Christlicher Archäologie bis vor fünf Jahren möglich
.

Bisher hatte ich geglaubt, dies sei nur in der Medizin möglich, jedenfalls wäre das an unserer Fakultät in der Biologie völlig undenkbar. Da war jemand sehr ehrgeizig und hatte wohl auch entsprechende Förderer, die dies möglich gemacht haben. Da stand Frau Schavan dann sicherlich unter einem enormen Erfolgsdruck.

Erfolgsdruck weiß ich nicht - Ehrgeiz sehr sicher. Ob sie Förderer hatte, das bleibt Spekulation.

Ich bin interessiert daran, wie die Geschichte ausgeht. Jedenfalls würde mich das gestern abgelegte "Vertrauensvotum" der Kanzlerin an Schavans Stelle nervös machen.

Marija

Karl
geschrieben von karl
sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf hobbyradler vom 16.10.2012, 07:22:33
Als Laie frage ich mich, ob nicht z.B. bei den Doktoren der Medizin das wissenschaftliche Niveau mit der Lupe zu suchen ist.


das hängt ganz davon ab , was du als mediziner später machen willst .
man kann komplexe wissenschaftliche arbeiten abliefern oder
eine statistische fleissarbeit verfassen .

für den einfachen (fach)arzt , ist der titel eh nur eine dreingabe...
doktor ist er im landläufigen sinne eh .
in manchen ländern wird der titel , glaube ich , auch gleich mit der approbation verliehen .

zu schavan :

was die sache bei leuten wie schavan (evtl.) , guttenberg oder der FDP-tusse so unappetitlich macht , ist deren "standesdünkel" und "gnadenlosigkeit" in ihrem verhältniss zum gemeinen volk .
arbeitslosen "faules schmarotzertum" unterstellen , sie in demütigende verhältnisse zwingen
und für sich selbst "sonderregeln" gelten lassen ... geht eben nicht .

sitting bull

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justus39
justus39
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von justus39
als Antwort auf Karl vom 16.10.2012, 08:47:12
Jeder Wissenschaftler, egal ob in den Natur- oder Geisteswissenschaften baut auf der Arbeit von Vorgängern auf. Wichtig ist, dass immer sauber zu erkennen ist, was der eigene, neue Beitrag ist. Deshalb müssen die Arbeiten von Vorgängern zitiert werden. Ich kann mir vorstellen, dass es in den Geisteswissenschaften besonders schwierig ist, eigene Gedanken immer gut von den Gedanken anderer abzugrenzen, denn wir lesen und hören ja so viel und verweben dies in unsere eigenen Überlegungen, so dass nach x Reflexionen eventuell auch die Erinnerung verloren geht, dass der Anstoß zur Formulierung irgendwo aufgeschnappt wurde.

Karl
geschrieben von karl

Ein Naturwissenschaftler hat meist die Gelegenheit, seine Arbeit auf eigenen Versuchsreihen aufzubauen. Er kann Messreihen, Diagramme und eigene Photos einbringen, so dass man tatsächlich eine individuelle eigene Arbeit erkennen kann.
Geisteswissenschaftler, Philosophen und Juristen müssen sich vorwiegend auf vorhandene Veröffentlichungen stützen, wenn sie nicht das Glück haben einen aktuellen Fall oder ein wirtschaftliches Ereignis ganz für sich zu bearbeiten.

Schön ist so ein Doktorhut
wenn man ihn besitzen tut.

Doch ich leb ganz sorgenfrei
ohne die Promoviererei.
So kann mir nicht nach dreißig Jahren
noch jemand an die Karre fahren
um Eifer, List und Tücken
meine Arbeit zu zerpflücken

justus
Marija
Marija
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von Marija
Es ist schon sehr merkwürdig, wenn man in Philosophie, Pädagogik, Theologie an junge Studenten Themen vergibt, über welche sich bereits alte, lenbenserfahrene Menschen den Köpf zerhirnt haben und Schriftwerke hinterließen..

Es ist eben nicht möglich über das z.B. Gewissen zu schreiben, ohne vorher z.B. auch eigene Felduntersuchungen bei Kindern gemacht zu haben - oder man muss das Thema auf theoretische Bereiche eingrenzen.

Ich wiederhole mich :
Es gab in den 70ziger und frühen 80ziger Jahren noch andere Prüfungs-Bedingungen und auch Reglementierungen, die gerade in der Geisteswissenschaft, nach heutiger Sicht, nicht mehr vertretbar sind.
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von silhouette
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.10.2012, 09:16:58


Das ist ganz sicher richtig und bestätigt meine Beobachtungen.
Ich weiß von ehemaligen Schülern, die im "Phil-Hist"- Bereich promoviert haben, dass sie die meiste Zeit mit Literaturstudium verbracht haben, um herauszufinden, ob es sich bei ihren Gedankengängen immer wirklich um die eigenen Gedanken handelt - oder jemand vorher diese schon zu Papier gebracht hat ( vereinfacht ausgedrückt).

Mich irritiert auch, dass eine vertrauliche Analyse einer UNI nicht erst beim Promotionsausschuss eintrifft, sondern in Auszügen bei der Presse ankommt.

Ich glaube da nicht an Zufall, sondern Absicht.

Zu dem zweiten Punkt: ich glaube dasselbe.
Zum ersten Punkt: In diesen Bereichen sammeln sich nun mal die Wortwerker. (Nicht unter den Journalisten, die haben ihren Heiligenschein längst verloren).
Man denke nur an die Notare, die vor Gericht plädierenden Juristen oder die Justiziare von Unternehmen, die gerichtsfeste Verträge auszuarbeiten haben. Oder an die Philosophen, die immer mal wieder ein Buch schreiben.

Da man das Gedankenrad nicht ständig neu erfinden kann, ist es für Wortwerker eine leichte Übung, bereits Gedachtes und Geschriebenes anders zu formulieren, ohne auch nur ein Fitzelchen Neues hinzudenken zu müssen. Dahinter muss sich nicht einmal eine betrügerische Absicht verbergen, das ist halt so. Und so etwas lernen die im Studium schon ganz früh - und setzen es natürlich auch in ihren eigenen Arbeiten um. Und manchmal schlüpft da vielleicht auch etwas dazwischen, was irgendwann mal gelesen und für nützlich befunden wurde und ohne Umformulierung verwendet wird.

Das bloße Kopieren von ganzen Absätzen oder Seiten, ohne jegliche eigene Veränderung, die auf eigene Gedankenarbeit schließen lassen könnte, zählt allerdings bei weitem nicht mehr in die Kategorie, die ich meine.

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Marija
Marija
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von Marija
..........eine alte Freundin schrieb anfangs der 50ziger ihre Diss auch grundständig und war bereits mit 25 Jahren in Theologie promoviert.
Ihre Diss hätte, mit Verlaub, nach heutigen Erfordernissen, nicht einmal für eine Hauptseminar-Arbeit ausgereicht.

Die Zeiten ändern sich halt.

Heute und Gestern lassen sich nicht 1 zu 1 vergleichen.

Wie ich bereits schrieb :

Schavan hat teilweise schlampig formuliert und, meines Erachtens nach, Quellenangaben verschludert -
für die damalige Zeit aber dennoch sehr gründlich gearbeitet.
justus39
justus39
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von justus39
als Antwort auf silhouette vom 16.10.2012, 11:43:18
Da man das Gedankenrad nicht ständig neu erfinden kann, ist es für Wortwerker eine leichte Übung, bereits Gedachtes und Geschriebenes anders zu formulieren, ohne auch nur ein Fitzelchen Neues hinzudenken zu müssen.

Es wird dann nur peinlich wenn man Denkfehler kritiklos mit übernimmt.
Marija
Marija
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von Marija
als Antwort auf justus39 vom 16.10.2012, 12:08:56
Da man das Gedankenrad nicht ständig neu erfinden kann, ist es für Wortwerker eine leichte Übung, bereits Gedachtes und Geschriebenes anders zu formulieren, ohne auch nur ein Fitzelchen Neues hinzudenken zu müssen.

Es wird dann nur peinlich wenn man Denkfehler kritiklos mit übernimmt.


Kann man Frau Schavan diesen Vorwurf mit Belegbeispielen machen ? Davon habe ich keine Kenntnis.
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: schavan
geschrieben von silhouette
als Antwort auf Marija vom 16.10.2012, 12:11:36
Das würde mich auch interessieren. Und weiter: über "Denkfehler" kann man in diesen Bereichen womöglich auch manchmal streiten. Wenn's ans Moralische geht, was ihr Titel suggeriert, dann sowieso.

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