Innenpolitik Würde

olga64
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RE: Würde
geschrieben von olga64
als Antwort auf Lorena vom 08.02.2021, 18:44:56

Welch ein kluger und ehrlicher Beitrag, der uns aufzeigt, wie schnell wir mit Worten vorbildlich sind - bei den Taten es aber hapert. Über Ihre Worte sollten wir alle nachdenken, denn so einfach ist das ja alles nicht.
Und nur in diesen Seuchenzeiten sind wir mehr oder weniger separiert von anderen - in normalen Zeiten sind wir alle keine Insel und müssen uns mit den anderen, ob sie uns passen oder nicht, laufend konfrontieren.
Das beginnt ja schon im Mikrokosmos Familie oder Freundes- und Bekanntenkreis:  wenn Menschen anders leben (wollen), eine andere sexuelle Orientierung, Religion oder politische Einstellung haben oder einen anderen Weg gehen als wir selbst. Woher nehmen wir die Sicherheit, zu sagen, nur unser Weg ist der richtige? Olga

Tina1
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RE: Würde
geschrieben von Tina1
als Antwort auf Bias vom 07.02.2021, 10:53:51

Was, es wird für alle gesorgt? Das was man jetzt liest, das ist eine Ausnahme.  Hast du dich schon mal mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt? Hast du mal mit welchen gesprochen? Ich schon. Mir geht es nicht nur um die jetzige Hilfe, sondern die Hilfe generell. Und besonders um die Hilfe in den vergangenen Wintern.

Da wird ständig über "die Würde des Menschen, ist unantastbar" gesprochen, aber diese Menschen haben schon lange keine Würde mehr. Die gehören nicht dazu. Sie hat man schon jahrelang vergessen. Menschen die ganz untern sind, die nichts mehr haben, werden einfach ignoriert. Besonders von der Gesellschaft. Hilfe bekommen sie nur von Sozialarbeitern, von Privatleuten, besonders von vielen jungen Menschen, von einigen Ärzten in privater Mission, Sozialverbänden die von Spenden abhängig sind, von privaten Initiativen, wie Kälte-Bus usw.. Die Politik, besonders die Politik der Städte, macht nichts für die armen Menschen, nicht mal wenn sie schwer krank sind. Das sieht man in dem Video..

Wenn sie jetzt mal wegen der sehr großen Kälte versuchen zu helfen, dann ist das gut, aber für mich auch Heuchelei, denn das macht man doch nur, weil man als Politiker der Stadt nicht in einen schlechten Ruf kommen darf, wenn viele der Obdachlosen erfrieren würden. Jetzt mussten sie handeln. 11 Menschen sind schon gestorben u das in Deutschland. Wo war denn die Hilfe in den anderen Wintern, wo war u. ist sie generell? Es ist eine Schande was da passiert.Ich habe das alles selber erlebt, wie es mit der Hilfe aussah.Selbst Flüchtlinge konnten nicht begreifen, dass es in Deutschland Menschen gibt, die auf der Straße leben und schlafen und das bei allen Wettern u bei großer Kälte. Ein Syrier hat dann für die Obdachlosen gekocht und ihnen auch heißen Tee zum Aufwärmen angeboten.

Und jetzt zu Coronazeiten, wo wir alle nicht herausgehen sollen, nur 1 Person treffen dürfen, wollen die Verantwortlichen der Stadt diese Menschen in Massenunterkünfte stecken, wo die Ansteckung vorprogrammiert ist, denn sie alle haben keine Hygienemaßnahmen einhalten können auf der Straße. Und in Massenunterkünften kann kein Abstand eingehalten werden. Es wird laufend gesagt, schon zu viert treffen ist eine große Gefahr! Das muss man sich mal vorstellen.

Und dann müssen sie früh um 6 Uhr wieder raus in die große Kälte.
Überall wo sie sich früher mal aufwärmen konnten, von dort wurden sie vertrieben. Wie Bahnhöfe, wie Bahnen usw. Diese Menschen haben keine Lobby, ganz im Gegenteil. Dieses Thema beschäftigt mich schon lange und nicht nur im Winter, aber da besonders. Ich habe genug Obdachlose zeitig früh auf den Straßen liegen sehen und das bei sehr großer Kälte. Ich hatte deshalb auch hier mal einen Blog über Obdachlosigkeit eingestellt und das mit Videos belegt. Keiner der hier Vielschreiber hat einen Kommentar zu diesem Thema geschrieben. Der einzige war Dutch der kommentiert hat, das werde ich nie vergessen. Daran hat man doch gesehen, welches Interesse für dieses Thema bestand.

Es gab sogar auch schlimme Äußerungen über diese Menschen, die sind doch alle selber dran schuld, es sind alles Säufer, also total abwertend. Ich hatte das Gefühl, für sie waren es überhaupt keine Menschen mehr. Obwohl keiner die Schicksale, die hinter jedem der Menschen steckt, kennt. Wenn man bissel denken kann, kann man sich vielleicht vorstellen, dass man dieses unwürdige, unmenschliche Leben besonders im Winter, ohne Alkohol überhaupt nicht aushalten kann. Der Alkohol wärmt von innen und läßt sie vergessen, nicht mehr zu merken wie sie eigentlich leben.

Wenn es um "die Würde des Menschen" geht, dann geht es um die Würde jedes Menschen! Auch für Menschen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, die vielleicht auch trinken usw. Aber bei manchen gehören die Obdachlosen nicht dazu. Anders kann ich manches Verhalten in der Vergangenheit, nicht mehr einordnen.

Dieses Thema macht mich fix u alle, vor allem das Verhalten von einem großen Teil der Gesellschaft. Deshalb wollte ich nicht mehr zu dem Thema schreiben. Aber ich musste es jetzt tun. 
Das sind meine Gedanken. Ich kann nur den Kopf schütteln, wie manche mit Menschen die ganz unten sind, umgehen. Es keinerlei Empathie gab, gemessen an meinem Thread.
Tina

Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt“ (Gustav Heinemann).
 

Bias
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RE: Würde
geschrieben von Bias
als Antwort auf Tina1 vom 09.02.2021, 16:41:56

Wenn Du es so siehst, Tina, fühle ich mich verstanden.
Dass Du obendrein noch Gustav Heinemann zitierst,
toppt es.


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olga64
olga64
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RE: Würde
geschrieben von olga64
als Antwort auf Tina1 vom 09.02.2021, 16:41:56

Ja, es ist ein immerwährendes Thema, gerade im Winter und dies aber nicht nur in deutschen Grossstädten, sondern weltweit.
Aber nach meiner Einschätzung wird gerade in Deutschland schon versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Aber sehr oft hört man auch von den Betroffenen selbst, dass sie nicht in Unterkünfte wollen, weil dort z.B. Alkohol verboten ist und auch Hunde nicht mitgenommen werden können. Bzw. dort untereinander geklaut wird, sich Schlägereien entwickeln und die hygienischen Standards nie so gehalten werden können, wie sie müssten.
Aber mal eine ganz ehrliche Frage: was tun wir selbst, um diesen Menschen zu helfen? Haben wir überhaupt persönliche Kontakte in diese Kreise? Unterstützen wir die Hilfsorganisationen, die auch in der Seuchenzeit dort Essen verteilen, Decken anliefern usw.? Oder gehen selbst mal dorthin, wo sie sich aufhalten und fragen wir sie, wie wir helfen können und helfen dann auch, wenn sie es uns sagen?

Oder wären wir bereit, so jemanden bei uns aufzunehmen oder ihm gar, soweit vorhanden, eine Wohnung zu vermieten?
Ich glaube schon, dass bei vielen Menschen hier echtes Mitleid vorherrscht, weil ja im Grunde genommen jeder Mensch in diese Situation kommen kann, wenn er oder sie auf dem Lebensweg mal falsch abbiegt.
Aber sind es nicht auch oft nur Lippenbekenntnisse,b zw. die üblichen Forderungen an "die Politik", wobei ich mich wirklich frage, was "die Politik" hier noch machen kann und sollte.
Vergessen sollte auch nicht werden ,dass ein Grossteil der Obdachlosen aus Leuten besteht, die, obwohl sie keinerlei Chancen haben, sich hier eine Zukunft aufzubauen, trotzdem arme, osteuropäische Länder verliessen. Oft höre ich mich auch verstörende Kommentare, dass sie es hier dann immer noch besser haben als in ihren eigenen, armen Ländern. Olga


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