Internationale Politik Hindukush

olga64
olga64
Mitglied

RE: Hindukush
geschrieben von olga64
als Antwort auf Bandagenanderl vom 10.08.2021, 19:25:44

Das stimmt alles, was Sie schreiben. Völlig unverständlich ist mir seit langem, wie die Amerikaner zusammen mit den Taliban verhandeln konnten, ohne aber die afghanische Regierung mit einzubinden. DAs ist bis heute nicht nicht geschehen.

Anderer Meinung bin ich aber schon, dass "wir" nicht wissen, was in Afghanistan wirklich geschieht. Da waren auch deutsche Soldaten,die teilweise gute Verbindungen zur Bevölkerung hatten und sicher über Insiderwissen verfügen. Aber das alles hilft ja jetzt nichts mehr, wenn das Militär weg ist und die Menschen schutzlos diesen vorsintflutlichen Taliban ausgeliefert sind,
Wenn Menschen mit dem Tode bedroht werden, schliessen sie sich schnell auch den grössten Verbrechern an, nur um zu überleben. DAs sah man am IS und noch weiter zurück auch bei den deutschen Nazis.
Fast verzweifelt versucht Herr Röttgen hier nun im Alleingang die Bundeswehr nochmals auf militärische Mission in dieses Land zu entsenden (wofür er natürlich nie eine Mehrheit im deutschen Parlament finden wird).

Unsinnig ist nur, jetzt wiederholt einen Satz zu zitieren,den ein mittlerweile verstorbener, deutscher Verteidigungsminister vor Jahrzehnten sagte. Der kann übrigens nicht mehr interpretieren oder sich verteidigen. Da sollte einfach die Nachwelt mal aufhören, eigene Klugheiten,die am Ende vermutlich auch keine sind, zu verbreiten. Denn auch hier gilt das Motto: hinterher ist sogar der Dümmste klüger. Olga

RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Bandagenanderl vom 10.08.2021, 19:25:44

Wenn deine Frau und Kinder umgebracht werden und dir eine Pistole vorgehalten wird, dann begehrst du auch nicht auf. Es war vorauszusehen, dass Afghanistan dort endet wo der Irak und Libyen ist. Es ist pure Arroganz zu glauben, dass wir, die Ungläubigen, Einfluss ausüben können. Die islamische Welt tickt heute so, wie die christliche Welt zur Zeit der Kreuzritter.
Bruny

MarkusXP
MarkusXP
Mitglied

RE: Hindukush
geschrieben von MarkusXP
als Antwort auf Bandagenanderl vom 10.08.2021, 19:25:44
Die ganzen Argumente, wie auch das Gedankengut der Taliban waren der Trump Administration bewusst. Trotzdem hat die damalige US Regierung mit diesen ehemals verteufelten Terroristen einen Vertrag geschlossen. Nachfolger Biden ist vermutlich sehr froh über Trumps Aktion. Damit hat er den ungeliebten Einsatz vom Tisch und darum revidiert er auch die Entscheidung Trumps nicht. Die Bevölkerung Afghanistans ist für ein Wahlversprechen Trumps geopfert worden. 
 Nur eines sollten wir bedenken. Wir alle kennen die Situation in Afghanistan nur aus zweiter Hand. Wie weit die Taliban auf dem Land Rückhalt genießen ist uns nicht bekannt. Schließlich ist es ein altes Lied, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt. 
Anderl    
Ich denke das unter dem Strich all die westlichen Staaten froh sind als ihr Einsatz beendet war. Das Chaos im Land ist es auch nach 20 Jahren nicht! 

Es sind doch immer die gleichen Fragen! Kann man so einen Krieg überhaupt gewinnen? Wenn ja: was machen dann die Sieger mit ihrem Sieg? Ist es möglich nachhaltige, friedliche Strukturen zu schaffen ... denn irgendwann müssen die Soldaten ja das Land wieder verlassen! Wie kommt man dann wieder raus?

Und Verträge? Ist es vielleicht sogar unislamisch mit Ungläubigen Verträge zu machen? Die Hölle droht sicherlich keinem Muslim als Strafe wenn man selbige nicht einhält!

Ich stimme dir aber ausdrücklich zu: ganz ohne Rückhalt in der Bevölkerung könnten auch die Taliban aktuell nicht so einen Durchmarsch machen! Das ganze Land ist mir ein einziges Rätsel ...
MarkusXP

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Mitglied_3fbaf89
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RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.08.2021, 19:56:35

Danke für Deine klare Meinung, Bruny.
Man sollte auch ein wenig über den Vielvölkerstaat Afghanistan und wie er "zu Stande" gekommen ist, wissen, um zu verstehen, warum die verschiedenen Stämme und ethnischen Gruppen sich seit so viele Jahren bekämpfen. Es ist sicher auch zu kurz gedacht, wenn man nur bis 9/11 und dem wenig später folgendem Einmarsch der US Truppen denkt. Ich versuche mal einen zusammengefassten Abriss der Geschichte seit dem 18. Jh ..

Immerhin war es schon Zar Peter der Große und sein Plan, das Land zu erobern, um dann weiter nach Indien, um dort einen eisfreien Hafen zu bekommen. Diese Pläne kollidierten dann aber mit der machtbesessenen Kolonialpolitik der Briten und nach einem 3 oder 4jährigem Krieg unterlag die schlecht ausgerüstete afghanische Armee den Briten und die besetzten das Land- 
das war Mitte des 19. Jahrhunderts ... die Briten zogen dann aber nach blutigen Gemetzeln und großen Verlusten wieder ab, erklärte dem Land dann aber keine 25 Jahre später wieder den Krieg.  
und wie immer waren die Royal  Britains auch da nicht zimperlich , brannten Kabul nieder und setzten eine Marionettenregierung samt König ein. Im Mai 1919 kam es schli8eßlich zum 3. anglo-afghanische Krieg, nach dem das Land endlich unabhängig, hatte dadurch aber die mehr als undankbare Rolle, als Puffer zwischen russischen und britischen Interessen herzuhalten. 

Und nun zur Demokratie, die es angeblich nie gab .. (Text zum Teil aus wikipedia kopiert)
Mit Mohammed Zahir Schah (Mohammedzai) bekam das Land schließlich im Jahr 1933 einen Mann an die Spitze eines nun konstitutionellen Königreichs. Zahir Schah läutete jedoch eine demokratische Wende in Afghanistan ein. Unter seiner Herrschaft wurden unter anderem Wahlen, ein Zwei-Kammern-Parlament, die Emanzipation der Frauen bis hin zum Frauenwahlrecht, eine Modernisierung der Infrastruktur und Pressefreiheit etabliert. Schahs fortschrittliche und westliche Politik war jedoch nicht unumstritten unter der afghanischen Bevölkerung.

1973 stürzte der sich an die Sowjetunion anlehnende Mohammed Daoud Khan das Königshaus und rief die Republik aus. Nach Daouds Sturz 1978 in der Saurrevolution übernahm die von Nur Muhammad Taraki geführte, kommunistisch geprägte Demokratische Volkspartei Afghanistans die Macht in Kabul, rief die Demokratische Republik Afghanistan aus und versuchte mit sowjetischer Unterstützung eine gesellschaftliche Umgestaltung, zum Beispiel eine Alphabetisierung der Landbevölkerung. Diese stieß in einigen Regionen auf militärischen Widerstand.

Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen im Dezember 1979 entwickelte sich der Bürgerkrieg zu einem zehnjährigen Stellvertreterkrieg (→ Sowjetischer Einmarsch in Afghanistan) zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den von den Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten islamischen Guerillas (Mudschahedin). Dieser endete schließlich mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989. Die sowjetisch gestützte Regierung unter Präsident Mohammed Nadschibullāh konnte sich noch bis zur Einnahme Kabuls 1992 durch die Mudschahedin halten.

Im April 1992 wurde der Islamische Staat Afghanistan durch die Peschawar-Abkommen gegründet. Gulbuddin Hekmatyār begann mit der Unterstützung Pakistans einen jahrelangen Krieg in Kabul gegen den Islamischen Staat, der weite Teile Kabuls zerstörte.

Zusätzlich kam es zum grausamen Krieg zwischen weiteren verfeindeten Milizen. Der Süden Afghanistans war weder unter der Kontrolle der Zentralregierung noch unter der Kontrolle von außen kontrollierter Milizen wie der Hekmatyārs. Lokale Milizen- oder Stammesführer beherrschten den Süden.

1994 traten die Taliban in der südlichen Stadt Kandahar erstmals in Erscheinung. Die Taliban-Bewegung stammte ursprünglich aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die meist von der politischen pakistanischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam geführt wurden.

Im Laufe des Jahres 1994 übernahmen die Taliban die Macht in verschiedenen südlichen und westlichen Provinzen Afghanistans.

Ende 1994 gelang es dem afghanischen Verteidigungsminister Ahmad Schah Massoud, Hekmatyār und die verschiedenen Milizen militärisch in Kabul zu besiegen. Die Bombardierung der Hauptstadt wurde gestoppt.

Massoud initiierte einen landesweiten politischen Prozess mit dem Ziel nationaler Konsolidierung und demokratischer Wahlen. Es fanden drei Konferenzen mit Vertretern aus vielen Teilen Afghanistans statt. Massoud lud die Taliban ein, sich diesem Prozess anzuschließen und sich an der Schaffung von Stabilität zu beteiligen . Die Taliban lehnten jedoch ab. Statt einer Demokratie wollten sie ein islamisches Emirat errichten.

Bis März 1995 hatten die Taliban sechs Provinzen eingenommen und Kabul erreicht. Am 27. September 1996 marschierten die Taliban in Kabul ein und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan, das lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Die Regierung des Islamischen Staates Afghanistans, zu der der Verteidigungsminister Massoud gehörte, blieb jedoch die international anerkannte Regierung Afghanistans (mit Sitz bei den Vereinten Nationen).

Anfang 2001 wandte die Vereinte Front eine neue Strategie von lokalem militärischem Druck und einer globalen politischen Agenda an. Ressentiments und Widerstand gegen die Taliban, ausgehend von den Wurzeln der afghanischen Gesellschaft, wurden nun immer stärker. Dies betraf auch die paschtunischen Gebiete.Insgesamt flohen bis Mitte 2001 schätzungsweise über 1,1 Millionen Menschen vor den Taliban.Hunderttausende Zivilisten flohen in die Gebiete von Ahmad Schah Massoud.

Im Frühling 2001 sprach Massoud vor dem Europäischen Parlament in Brüssel und bat die internationale Gemeinschaft um humanitäre Hilfe für die Menschen Afghanistans. Er bestätigte sein Bekenntnis zu einem moderaten islamischen Staat, dem Wahlrecht für Frauen und der Einberufung einer Loja Dschirga unter dem Vorsitz von Zahir Shah. 

Auf seinem Besuch in Europa, bei dem ihn die europäische Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine den „Pol der Freiheit in Afghanistan“ nannte, warnte Massoud davor, dass sein Geheimdienst Informationen.

Ja und dann kam 9/11 ... 

um auf gewisse kritische Einlassungen hier einzugehen, was den berühmten Satz des damaligen deutschen Verteidigungsministers angeht , so bitte ich doch höflichst um Aufklärung, wo denn da in den letzten 250 Jahren die Freiheit Deutschlands am Hindukusch bedroht war 

Schlussendlich wurde doch Afghanistan zum neuen (Truppen)-Übungsplatz  deutscher Außenpolitik und einem "modifizierten  Sicherheitsverständnis" der BRD. Die im Grundgesetz fest gelegten Schranken und geltendes Völkerrecht wurde dabei einfach mal so zum großen Teil unter den Tisch gefegt. Das  hatte man ja im Jugoslawienkrieg schon prima geübt. 

 

RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 10:33:20

Du hast dir viel Mühe gemacht mit der geschichtlichen Zusammenfassung, die natürlich nicht bei 9/11 ihren Anfang hatte. Ich bin schon lange müde geworden immer wieder auf die lange Vergangenheit hinzuweisen, denn die Retourkutsche ist ebenso ermüdend - das ist alles so lange her. Aber genau da liegt der Ursprung, nicht nur in Afghanistan, auch in Syrien, im Irak, in Libyen - im gesamten ehemaligen Mesopotamien und Persien. 
Ich würde mir wünschen, dass viele junge Menschen sich mit Geschichte befassen und verstehen lernen. Vielleicht würde es dann irgendwann zu gegenseitiger Anerkennung kommen. 

Danke für deinen ausführlichen Bericht, den ich persönlich als Wohltat empfinde.
Bruny
 

Mitglied_3fbaf89
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RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 11:59:30

Hallo Bruny, 
ja, die von Dir genannten Länder werden auch aktuell sowohl von Politikern, von Journalisten und eben auch von den ganz "normalen" Bürgern aller Altersgruppen eher aus der Denke des Kolonialismus beurteilt und zu viele Menschen glauben, dass einzig die westliche Denk-und Lebensweise die beste aller Welten ist. 
Wir haben hier in unserer privaten Büchersammlung 2 großformatige Bildbände mit Kunstgegenstände den und Kunsthandwerk des alten und neuen Afghanistans,  erschienen 1966.  Mein ältester  Bruder war Ende der 60er für 2 Jahre als Entwicklungshelfer in Afghanistan  und brachte sie uns mit. Ebenso einige Musikaufnahmen und hunderte von Fotos und Super ß Filme, die er heute noch hegt und pflegt. Daher wohl auch mein persönliches Interesse an diesem Land.  Unglaublich, was da inzwischen verloren ging und wie viel dieser unschätzbaren Kostbarkeiten heute treuhänderisch im Ausland, z.B. in der Schweiz, verwaltet wird. Wer weiß. ob und wann diese Dinge je zurück an ihren Ursprungsort gelangen. Was dort durch Extremisten und kriegerische Handlungen alles zerstört wurde - unvorstellbar. Und heute assoziieren die meisten Menschen das Land nur noch mit Krieg, Terror und Opium. Und die US-Armee sowie alle am Krieg beteiligten Länder, inklusive Deutschland und zuvor die damalige UDSSR hatten sicher weniger die Freiheit des eigenen Landes oder die Afghanistans im Sinn,  sondern viel mehr die enormen Bodenschätze. Darunter Seltene Erden, Labis Lazuli, Erdöl, Kupfer, Eisenerze und auch Lithium, Gold und Kobalt, Die Reserven an Lithium sollen mindestens so groß sein, wie die von Bolivien. Das würde natürlich Freiheit bedeuten, vor allem für die entsprechenden Industrien  Jaja, die Retourkutsche bleibt sicher nicht aus  -  immer wieder amüsant :-) Man muß auch Gönnen können. 


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JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Hindukush
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 10:33:20

solche Ausführungen sind zwar löblich, seriös, aber werden hier wenig bewirken, weil wir ja nur auf unser verbliebenes Umfeld ein bisschen einwirken könnten, als Leserbrief an große Tageszeitungen sinnvoll.😃

Mitglied_3fbaf89
Mitglied_3fbaf89
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RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf JuergenS vom 11.08.2021, 13:33:28

Oh, es war mir neu, dass seriöse Info nicht gewünscht ist, lieber Jürgen . Leserbriefe schreibe ich nicht. Wenn Deine Bemerkung wirklich alles war zum, Thema, dann kann man aber schon überlegen, wessen Beitrag zum Thema überflüssiger ist :👅

JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Hindukush
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 13:36:52

nachdem ich missverstanden wurde und du mir sogar die Zunge raussteckst, wünsche ich dir weiterhin nur Zustimmung.

RE: Hindukush
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf JuergenS vom 11.08.2021, 13:33:28

Aber man kann verstehen, Jürgen. Allerdings nur, wenn man sich mit der Geschichte befaßt. 
Bruny


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