Literatur Schöne Lyrik
Abschied
Leb wohl, leb wohl, mein Kind, und keine Klage!
Noch einen Kuß, noch eine Neige Wein!
So licht und freundlich waren diese Tage,
Laß freundlich auch den Abschied sein.
Sieh, wenn hinab zu südlich fernen Borden
Im langen Wanderzug der Kranich schwirrt,
Begleitet ihn ein Traum vom grünen Norden,
Er spürt es, daß er wiederkehren wird.
So wird auch uns von unserm kurzen Glücke
Ein Schimmer fort und fort im Herzen stehn,
Und treu Gedenken sei die goldne Brücke
Vom Scheidegruß zum Wiedersehn.
Emanuel Geibel
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ueberlass es der Zeit Theodor Fontane
Erscheint Dir etwas unerhört
Bist Du tiefsten Herzens empört
Bäume nicht auf,versuch`s nicht mit Streit
Berühre es nicht,überlass es der Zeit
Am erstenTag wirst feige dich schelten
Am zweiten, lässt Du Dein Schweigen schon gelten
Am dritten,hast du`s überwunden
Alles ist wichtig nur auf Stunden
Aerger ist Zehrer und Lebensvergifter
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.-
Erscheint Dir etwas unerhört
Bist Du tiefsten Herzens empört
Bäume nicht auf,versuch`s nicht mit Streit
Berühre es nicht,überlass es der Zeit
Am erstenTag wirst feige dich schelten
Am zweiten, lässt Du Dein Schweigen schon gelten
Am dritten,hast du`s überwunden
Alles ist wichtig nur auf Stunden
Aerger ist Zehrer und Lebensvergifter
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.-
Jetzt ist es Herbst
Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.
Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.
Max Dauthendey
Wer kennt das Gedicht von Franz Fühmann "Ein Kind entdecktden Garten"?
agora würde sich freuen!
Über die Heide
(Th. Storm 1817 – 1888)
Über die Heide hallet mein Schritt;
dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geisten umher;
schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!
(Th. Storm 1817 – 1888)
Über die Heide hallet mein Schritt;
dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geisten umher;
schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!
Wie wohl ist dem, der dann und wann
sich etwas Schönes dichten kann!
Der Mensch, durchtrieben und gescheit,
bemerkte schon seit alter Zeit,
daß ihm hinieden allerlei
verdrießlich und zuwider sei.
Die Freude flieht auf allen Wegen,
der Ärger kommt uns gern entgegen.
Gar mancher schleicht betrübt umher;
sein Knopfloch ist so öd und leer.
Für manchen hat ein Mädchen Reiz,
nur bleibt die Liebe seinerseits.
Doch gibt's noch mehr Verdrießlichkeiten,
zum Beispiel läßt sich nicht bestreiten:
Die Sorge, wie man Nahrung findet,
ist häufig nicht so unbegründet.
Kommt einer dann und fragt: Wie gehts?
Steht man gewöhnlich oder stets
gewissermaßen peinlich da,
indem man spricht: Nun, so lala.
Und nur der Heuchler lacht vergnüglich
und gibt zur Antwort: Ei, vorzüglich!
Im Durchschnitt ist man kummervoll
und weiß nicht, was man machen soll.
Nicht so der Dichter:
Kaum mißfällt ihm diese altgebackne Welt,
so knetet er aus weicher Kleie
für sich privatim eine neue,
und zieht als freier Musensohn
in die Poetendimension,
die fünfte, da die vierte jetzt
von Geistern ohnehin besetzt.
(Wilh. Busch)
Agnes
Rosenzeit! Wie schnell vorbei,
Schnell vorbei
Bist du doch gegangen!
Wär mein Lieb nur blieben treu,
Blieben treu,
Sollte mir nicht bangen.
Um die Ernte wohlgemut,
Wohlgemut
Schnitterinnen singen.
Aber, ach! mir krankem Blut,
Mir krankem Blut
Will nichts mehr gelingen.
Schleiche so durchs Wiesental,
So durchs Tal,
Als im Traum verloren,
Nach dem Berg, da tausendmal,
Tausendmal
Er mir Treu geschworen.
Oben auf des Hügels Rand,
Abgewandt,
Wein ich bei der Linde;
An dem Hut mein Rosenband,
Von seiner Hand,
Spielet in dem Winde.
Rosenzeit! Wie schnell vorbei,
Schnell vorbei
Bist du doch gegangen!
Wär mein Lieb nur blieben treu,
Blieben treu,
Sollte mir nicht bangen.
Um die Ernte wohlgemut,
Wohlgemut
Schnitterinnen singen.
Aber, ach! mir krankem Blut,
Mir krankem Blut
Will nichts mehr gelingen.
Schleiche so durchs Wiesental,
So durchs Tal,
Als im Traum verloren,
Nach dem Berg, da tausendmal,
Tausendmal
Er mir Treu geschworen.
Oben auf des Hügels Rand,
Abgewandt,
Wein ich bei der Linde;
An dem Hut mein Rosenband,
Von seiner Hand,
Spielet in dem Winde.
Eduard Mörike (1804 - 1875)
Eduard Mörike hätte heute Geburtstag gehabt.
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Lehrgeld zahlen musst ich oft,
ach für mancherlei Erfahrung
und umsonst hab ich gehofft,
auf Gewitztheit und Erfahrung
Zu vermeiden lernt ich zwar,
manchen Schritt mit schwerer Busse,
doch vermeindend fühlt ich gar
mich auf Lehrzeit neuem Fusse.
Arbeit vollauf! Und somit
was hülf es mir zu prahlen,
werd ich wohl beim letzten Schritt
erst das letzte Lehrgeld zahlen.
Otto Roquette 1824- 1896 Lyriker, Erzähler,Dramatiker
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Muota Kanton Schwyz
Alltag
Hin und wieder
den Alltag zum Klingeln bringen
die Eintönigkeit des Alltags durchbrechen
und die Meldodie der Achtsamkeit spüren.
Hin und wieder
den Alltag zum Leuchten bringen
das Grau des Alltags durchbrechen
und die Farben des Lebens spielen lassen
Hin und wieder
den Alltag speziell würzen
ihm Flügel verleihen
die Schwere durchbrechen
Hin und wieder
Die Leichtigkeit des Seins atmen
der davoneilenden Zeit
ein Stück Ewigkeit entgegensetzen.- Ute Weiner
Die Sekunde
Ich meß nach der Dauer das Leben,
Berechnet nach Jahren die Zeit,
Ich zähle nicht Tag und nicht Stunde,
Ich hab' in einer Sekunde
Durchlebt die Ewigkeit.
Viel Jahre zogen vorüber
Und ließen die Seele mir leer,
Es blieb von keinem mir Kunde.
Die eine, die eine Sekunde,
Vergess' ich nimmermehr.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
(1830 - 1916)
hätte heute Geburtstag gehabt
Ich meß nach der Dauer das Leben,
Berechnet nach Jahren die Zeit,
Ich zähle nicht Tag und nicht Stunde,
Ich hab' in einer Sekunde
Durchlebt die Ewigkeit.
Viel Jahre zogen vorüber
Und ließen die Seele mir leer,
Es blieb von keinem mir Kunde.
Die eine, die eine Sekunde,
Vergess' ich nimmermehr.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
(1830 - 1916)
hätte heute Geburtstag gehabt