Literatur Schöne Lyrik

longtime
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von longtime
als Antwort auf Sirona vom 04.03.2019, 08:51:57

Danke für den Joethe - äh: Goethe.

Ich gebe noch einen erkrecklichen Nachschlag auf Köln:

http://www.goethegesellschaft-koeln.de/images/20150210.pdf


 

longtime
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 06.03.2019, 11:17:25

Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen...

Mörikes  „B e g e g n u n g“

http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/moerike_gedichte_1838?p=32


Eduard  M ö r i k e ... im  B i l d e r - Lauf:

Mörike_im-Schleier_IMG_20190228_120801.jpg
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf longtime vom 06.03.2019, 11:41:10
FontaneFritzKatzfuß.jpg

Fritz Katzfuß

Fritz Katzfuß war ein siebzehnjähriger Junge,
Rothaarig, sommersprossig, etwas faul,

Und stand in Lehre bei der Witwe Marzahn,
Die geizig war und einen Laden hatte,
Drin Hering, Schlackwurst, Datteln, Schweizer Käse
Samt Pumpernickel, Lachs und Apfelsinen
Ein friedlich Dasein miteinander führten.
Und auf der hohen, etwas schmalen Leiter,
Mit ihren halb schon weggetretnen Sprossen,
Sprang unser Katzfuß, wenn die Mädchen kamen
Und Soda, Waschblau, Grieß, Korinthen wollten,
Geschäftig hin und her.

Ja, sprang er wirklich!
Die Wahrheit zu gestehn, das war die Frage.
Die Mädchen, deren Schatz oft draußen passte,
Vermeinten ganz im Gegenteil, er "nöle",
Sei wie verbiestert und durchaus kein "Katzfuß".
Im Laden, wenn Frau Marzahn auf ihn passe,
Da ging es noch, wenn auch nicht grad aufs beste,
Das Schlimme käme erst, wenn er wegen Selter-
Und Sodawasser in den Keller müsse,
Das sei dann manchmal gradzu zum Verzweifeln,
Und wär er nicht solch herzensguter Junge,
Der nie was sage, nie zuwenig gebe,
Ja, meistens, dass die Waagschal überklappe,
So wärs nicht zu beleben.
Und nicht besser
Klang, was die Herrin selber von ihm sagte,
Die Witwe Marzahn. "Wo der dumme Junge
Nur immer steckt? Hier vorne muss er flink sein,
Doch soll er übern Hof und auf den Boden,
So dauerts ewig."

So sprach Witwe Marzahn.
Und kurz und gut, Fritz Katzfuß war ein Rätsel,
Und nur das eine war noch rätselvoller:
Dass, wies auch drohn und donnerwettern mochte,
Ja, selbst wenn Blitz und Schlag zusammenfielen,
Dass Fritz nie maulte, greinte, wütend wurde;
Nein, unverändert blieb sein stilles Lächeln
Und schien zu sagen: "Arme Kreaturen,
Ihr glaubt mich dumm, ich bin der Unterlegne.
Kramladenlehrling! Eure Welt ist Kram,
Und wenn ihr Waschblau fordert oder Stärke,
Blaut zu, soviel ihr wollt .Mein Blau der Himmel!"

So ging die Zeit, und Fritz war wohl schon siebzehn,
Ein Oxhoft Apfelwein war angekommen
Und lag im Hof. Von da sollts in den Keller.
Fritz schlang ein Tau herum, und weil die Hitze
Groß war und drückend, was er wenig liebte,
So warf er seinen Shirting-Rock beiseite,
Nicht recht geschickt, so dass der Kragenhängsel
nach unten hing. Und aus der Vordertasche
Glitt was heraus und fiel zur Erde. Lautlos.
Fritz merkt es nicht. Die Witwe Marzahn aber,
Schlich sich heran und nahm ein Buch (das war es)
Vom Boden auf und sah hinein: "Gedichte.

Gedichte, erster Teil, von Wolfgang Goethe."
Zerlesen wars und schlecht und abgestoßen
Und Zeichen eingelegt: ein Endchen Strippe,
Briefmarkenränder, und als dritt und letztes
(Zu glauben kaum) ein Streifen Schlackwurstpelle,
Die Seiten links und rechts befleckt, befettet,
Und oben stand, nun was? stand "Mignonlieder",
Und Witwe Marzahn las: "Dahin, dahin
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn."

Nun war es klar. Um so was träg und langsam,
Um Goethe, Verse, Mignonlieder.
Armer Lehrling,
Ich weiß dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich:
Wie dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn,
Ging mir das Leben hin. Ein Band Goethe
Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen,
Und wenn die Witwen Marzahns mich gepeinigt
Und dumme Dinger, die nach Waschblau kamen,
Mich langsam fanden, kicherten und lachten -
Ich lächelte, gradso wie du gelächelt,
Fritz Katzfuß, du mein Ideal, mein Vorbild.
Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben,
Vielleicht auch Dünkel .... All genau dasselbe
Nur andres Haar und - keine Sommersprossen.


Theodor Fontane
30. 12. 1819 - 20. 9. 1898


Clematis

 

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Sirona
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
kirschbaum.jpg
Der Baum der Erinnerung
Nikolaus Lenau (1802 – 1850)
 
Ja, du bist es, blütenreicher

Baum, das ist dein süßer Hauch!

Ich auch bins, nur etwas bleicher,

etwas trauriger wohl auch.


 
Hinter deinen Blütenzweigen

tönte Nachtigallenschlag,

und die Holde war mein eigen,

die an meinem Herzen lag.


 
Und wir meinten selig beide,

und ich meint es bis zur Stund,

daß so herrlich du vor Freude

blühtest über unsern Bund.


 
Treulos hat sie mich verlassen;

doch du blühst wie dazumal,

kannst dich freilich nicht befassen

mit der fremden Liebesqual.


 
All zu lieblich scheint die Sonne,

weht der linde Maienwind,

und das Blühen und die Wonne

all zu bald vorüber sind!
 
Mahnend säuseln mir die Lehre

deine frohen Blüten zu;

doch ungläubig fließt die Zähre,

und mein Herz verlor die Ruh.


 
 
 
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 09.03.2019, 17:19:25
Burg800.jpg
Der frohe Wandersmann


Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen,
In Berg und Wald und Strom und Feld.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was soll ich nicht mit ihnen singen,
Aus voller Kehl und frischer Brust?

Den lieben Gott lass ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!


Joseph von Eichendorff

10. 3. 1788 - 26. 11. 1857


Clematis

Eichendorff-700.JPG
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Moorkate.jpg
Das ist das Haus am schwarzen Moor
(Georg Weerth 1822 – 1856)
 
Das ist das Haus am schwarzen Moor,
wer dort im letzten Winter fror,
der friert dort nicht in diesem Jahr –
er sank schon längst auf die Totenbahr’.
 
Das ist das Haus am schwarzen Moor,
das Haus, wo der alte Jan erfror.
Zur Thür gewandt das weiße Gesicht,
starb er und wußt’ es selber nicht.
 
Er starb. – Da kam, wie ein scheues Reh,
der Tag und hüpfte über den Schnee.
„Guten Morgen Jan! Guten Morgen Jan!“ –
Der Jan keine Antwort geben kann.
 
Da erhuben die Glocken ihr hell Geläut,
sie sangen und klangen und riefen so weit:
„Guten Morgen Jan! Guten Morgen Jan!“ –
Der Jan keine Antwort geben kann.
 
Da kamen die Kinder aus der Stadt:
„Wir wissen, wie lieb er uns alle hat:
„Guten Morgen Jan! Guten Morgen Jan!“ –
Der Jan keine Antwort geben kann.
 
Tag, Glocken und Kinder er nicht verstund.
Da nahte die sonnige Mittagstund’,
da nahte ein armes Weib: „Mein Jan,
„willst essen und trinken nicht, alter Mann?“
 
 „Sieh, was ich brachte Dir aus der Stadt;
„sollst froh nun werden und warm und satt!“ –
Die Alte sah lange auf ihren Jan,
da fing sie bitter zu weinen an.
 
Da weinte sie an dem schwarzen Moor,
am Moor, wo der alte Jan erfror;
da weinte sie ihr brennend Weh
hinunter in den kalten Schnee.



 

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Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.03.2019, 09:00:31
Liebe Ingeborg,

bei dem von Dir eingestellten Wanderlied kommen viele Erinnerungen aus der Kinder- und Jugendzeit auf. Bei jeder Wanderung wurde dieses Lied gesungen. 
Dem Text ist zu entnehmen, dass Gott bei dem Verfasser noch eine Rolle gespielt hat und es nicht ungewöhnlich war diesen Schöpfer mit in den Alltag einzubinden. Wer würde heute noch singen:

Den lieben Gott lass ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!


Wie eine Welt ohne Gott ausschaut können wir täglich in den Medien verfolgen. 

Danke für diese schöne Erinnerung!
Helga

​​​​​​​

 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Sirona vom 10.03.2019, 09:31:42
Zu Eichendorffs Geburtstag , der einer meiner Lieblingsdichter ist, will ich auch noch gerne ein Gedicht von ihm bringen

DSC01564.JPG


An meinem Geburtstage


War ein wunderschöner Garten,
Warm und herrlich aufgetan.
Lenz und Licht des Reisleins harrten,
Dass es wuchs zum Himmel an.

Wie die Blätter ringsum glühten
In der frohen Morgenzeit,
Alle Zweige voller Blüten,
Vögel sangen weit und breit!

Mittag kam, die Blätter hingen,
In dem Wipfel säuselt's kaum,
Wetter stiegen auf und gingen,
Stumm erwartend stand der Baum.

Jetzo sinkt die Abendröte,
Blüte fällt, es schweigt der Sang,
Und ich rausch' wie im Gebete
Mit den Zweigen: Gott sei Dank!


Joseph Freiherr von Eichendorff


 
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.03.2019, 11:52:12
Armer Lehrling,
Ich weiß dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich:
Wie dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn,
Ging mir das Leben hin. Ein Band Goethe
Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen,
Und wenn die Witwen Marzahns mich gepeinigt
Und dumme Dinger, die nach Waschblau kamen,
Mich langsam fanden, kicherten und lachten -
Ich lächelte, gradso wie du gelächelt,
Fritz Katzfuß, du mein Ideal, mein Vorbild.
Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben,
Vielleicht auch Dünkel .... All genau dasselbe
Nur andres Haar und - keine Sommersprossen.

Theodor Fontane
 

Liebe Clematis, vielen Dank für den Hinweis!
Der gute Fritz wäre mir sonst durch die Lappen gegangen, und das wär schade gewesen.
Ach, der unnachahmliche Fontane mit seiner milden Selbstironie - darin ist er Meister und trifft mit leichter Hand jede gewünschte Nuance. Danke für Reinstellen!!!

Rose
longtime
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von longtime
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.03.2019, 11:52:12
FONTAE-Ölporträt.jpg
Theodor Fontane: Porträt (im Ausschnitt)


Fontane:
Anmerkungen zu Fritz Katzfuß E: 1888/89.
D: Gedichte 1889, 1892, 1898. T: Gedichte 1898, S. 64-66.
Eingriff: V. I: fünfzehnjähr'gerj . b zehnjähr'ger (Gedichte 1898); Korrektur nach Gedichte ~1;8. und.1892; erst so wird das „schon siebzehn« in V. 50 plausibel

Ein Brief Fontanes an Unbekannt (Friednch Stephany?) v . 28. Dezember 1888 verweist auf eine Anregung durch eine Novelle Helene Böhlaus: »Es gibt eine ausgezeichnete Novelle von Helene Böhlau [Die alten Leutchen], drin ein sommersprossiger Ladenbengel vorkommt, der, während er Heringe verkauft, die ganze Welt seine Prinzipalität und vor allem auch das Publikum, die hübsche~ Dienstmädchen an der Spitze, von oben herab behandelt, und das alles bloß, weil er drei Gedichtbücher hat und aus dem ersten Teil des Faust - dessen Lesezeichen, höchst charakteristisch, eine Wurstpelle ist - lange Stellen auswendig weiß .«
Eine hs. Notiz (FAP; vgl. BA 1, S.470) stellt einen autobiographischen Bezug her: »Die Geschichte mit dem Rotkopf und der Wurstpelle und dem Dichterstolz als Bild eignen Lebens.“
Die Namen Katzfuß und Marzahn erscheinen auch in Fontanes Roman Stine.

16 nölen: langsam sein, herumtrödeln.
33 Kaiser Wilhelm: Wilhe1m I. Sedanfeier: Der Tag des Sieges von Sedan (2. September 1870), der Entscheidungsschlacht im Deutsch-Französischen Krieg, war in Preußen bis 19I8 Feiertag.
34f. preuß'scben Fahne ... die deutsche: Die zweifarbige preußische Fahne (schwarz-weiß) wurde nach der Proklamation des Reichs immer mehr von der dreifarbigen deutschen (schwarzweiß-rot) verdrängt.
51 Oxhoft: altes Flüssigkeitsmaß (ca. 200-250 Liter).
55 Shirting-Rock: Rock aus grobem Hemdtuch.
68 »Mignonlieder«: aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre.
Aus: Th. F.: Gedichte. Reclam 6956. S. 154)

Gruß an die Lyrik-BeGEISTerten!

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