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Literatur Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch

miriam
miriam
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Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch
geschrieben von miriam
Als gestern mein Freund Trux über Menschen die im Monat Mai geboren sind nachdachte (siehe Kleine Kneipe), hat er einen nicht erwähnt: Hanns Dieter Hüsch, der wie ich am 6 Mai geboren wurde, allerdings einige Jahre vor mir, in 1925.
Er wäre gestern 85 Jahre alt geworden.
Gestorben ist er am 6. Dezember 2005.

Zwar stammt mein folgender Text (mit einigen kleinen Änderungen) von Dezember 2005, ich möchte ihn hier übernehmen um an Hanns Dieter Hüsch zu erinnern.

Hanns Dieter Hüsch, mit welchen Worten sollte man versuchen ihn zu erfassen? Der grosse Kabarettist, der Humorist, der Poet, das schwarze Schaf vom Niederrhein?

Er war etwas von alledem, für mich aber war er in erster Linie derjenige, der schon im Kindesalter gelernt hatte sein Leid ohne bitter zu werden, zu ertragen. Denn er hatte von Geburt her, eine schwere Behinderung beider Füße und einen nicht unerheblichen Leidensweg zu durchschreiten.

Leid blieb ihm auch in den letzten Jahren seines Lebens nicht erspart - er erkrankte schwer Ende der 90ger Jahre an Lungenkrebs, erlitt 2001 einen Schlaganfall.

Zwar ist er mutig und voller Hoffnung noch während der Behandlung seiner Krebserkrankung mit seiner Orgel im Krankenhaus aufgetreten, 2001 zog er sich aber völlig aus der Öffentlichkeit zurück.

Hüsch war ein wunderbarer Beobachter und was ihn ausmachte war diese ironisch-liebevolle Wiedergabe des Beobachteten. Es waren hauptsächlich die kleinen Leute vom Niederrhein (Moers war seine Geburtsstadt), die er so trefflich und nie verletzend beschrieben und besungen hat.

Und auch der liebe Gott war ein Thema, das ihn immer mehr beschäftigte. Auf eine einfache und fast schon unphilosophische Weise, befasste er sich mit dem Essenziellen: mit Glaube, Liebe, Hoffnung.
Wenn man ihn predigen hörte (er tat dies wiederholt in einer sehr kleinen ev. Kirche in Köln in meiner Nähe), da wünschte man fast sich einiges von dieser Art von Glauben bei ihm ausleihen zu können.
Denn es ging Hüsch dabei um Fragen der Ethik, der Menschlichkeit und der Nächstenliebe, ohne die ein Miteinander nicht möglich ist.

Vorläufig nur soviel zu Hanns Dieter Hüsch - doch ich versuche später noch einiges über ihn zu schreiben.

Beenden möchte ich aber diesen Beitrag mit einen kurzen Text von Hüsch:


"Wollt darum freundlich sein und euch mit Heiterkeit versehen
Es hat der Mensch zu kommen und zu gehen
Dieses ist ausgemacht von Anfang an
mit Hochmut ist nicht viel getan"


(Aus: Die Masken sind gefallen)

Miriam

(Fortsetzung folgt)
miriam
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Re: Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch
geschrieben von miriam
Aus einer der letzten Predigten von Hanns Dieter Hüsch, gehalten am 13.02.2000 in der Offenen Kirche Elisabethen.
Der Text ist wie immer, ein Gemisch von Predigtelementen und Kabarettistischem. Und so war es wie immer bei Hüsch: Erheiterndes neben Nachdenklichem.

Dies ist nun ein Auszug aus dieser Predigt:



Kirche ist zu !!!

„Kennen Sie die Geschichte, wo der liebe Gott in seiner eigenen Kirche eingeschlossen wurde, von seinem eigenen Küster oder der Küsterin oder der Küsterstochter oder vom Sohn des Küsters, der auch Küster werden will, denn sein Grossvater war ja auch schon Küster.

Und sie konnten eigentlich ja nichts dafür, hat mir der liebe Gott erzählt, als wir uns wieder mal in Dinslaken getroffen haben (Schwester, Schwager, Treffen) (Samstags, Espresso).

Sie konnten eigentlich ja nichts dafür. Der liebe Gott war in, - wie heisst die Gemeinde Dietersbronn, das liegt bei Dieterswasser, zwischen Güteglück und Moritz. Ihr wisst schon, er war also in Dietersbronn in die Kirche gegangen. Die stand auf, vielmehr die Tür stand auf. Wann steht schon mal in einer evangelischen Kirche die Tür auf, muss ich Sie doch mal fragen. Die meisten evangelischen Kirchen sind doch, wenn nicht gerade Gottesdienst, Konfirmation, Heirat oder Taufe ist – sind doch zu! Verriegelt, vernagelt! Fehlt nur noch ein Schild an der Tür: Wir geben nichts! Warum sind so viele evangelische Kirchen über Tage und ganz besonders in der Nacht geschlossen? Hat man Angst, dass die Kirche geklaut wird, oder der Pfarrer, oder aus der Kirche eine Bank oder ein Gesangsbuch zum Beispiel. So viel Kostbarkeiten haben wir doch gar nicht. In unseren Kirchen ist doch nicht viel zu holen. Ein Gesangbuch, das wär ja gut, wenn einer keines hat. Kann er lernen, wie’s schon seit altersher zugeht und neuerdings auch. Lobe den Herrn, du kleines sterbliches Geschöpf, sing dem Herrn deine Liebe ins Gesicht. Der Herr wird es dir danken, bring ihm einen Schlüssel. Denn, - um wieder auf die Geschichte zurückzukommen:

Denn der liebe Gott konnte nicht mehr raus aus der Kirche in Dietersbronn. Er hat geklopft, getrommelt und gepfiffen: Nichts. Denn wenn eine evang. Küster-Familie mal beim Essen sitzt, dann hört sie nix, dann isst sie.

Aber, habe ich zum lieben Gott gesagt: Du hättest doch eins von Deinen Zeichen und Wundern tun können.

Nee, nee, das wollte ich nicht, hat der liebe Gott gesagt. Das wäre ja nicht objektiv gewesen, und der Jesus sagt auch immer, ich soll mit den Zeichen und Wundern sparsamer umgehen und vor allen Dingen sie nicht selbst verbrauchen. Jedenfalls hat der liebe Gott sich damit abgefunden, hat sich auf eine Bank gelegt und ist eingeschlafen. Und wenn der Küster nicht am anderen Morgen für den Sonntagsgottesdienst ein paar Kerzen ausgewechselt hätte, hätte der liebe Gott bis zum Mittag durchgeschlafen. Nein, der Küster legte sofort los: Nix da, Penner können wir hier nicht gebrauchen und Junkies schon gar nicht. Und der liebe Gott entschuldigte sich, verbeugte sich ein paar Mal, und zog sich auf Zehenspitzen, fast leicht tänzelnd zurück, und dann entschloss er sich doch eins von seinen Wundern zu tun, nämlich umgekehrt den Küster einzuschliessen. Ohne Schlüssel! Und zwar so einzuschliessen, dass der so ohne weiteres nicht mehr aus der Kirche rauskam, wenn nicht der Gottesdienst gewesen wäre und der Pfarrer nicht mehrere Schlüssel gehabt hätte.

Seit der Zeit steht die evangelische Kirche in Dietersbronn Tag und Nacht offen. Und es tummeln sich auch manchmal Obdachlose und Landstreicher dort herum und neuerdings werden auch dort Menschen aller Arten, die abgeschoben werden sollen, versteckt und von vielen Menschen beschützt. Und der liebe Gott hat seine Freude daran, denn er liebt die, die Widerstand leisten und nicht zu allem Ja und Amen sagen, sondern Nein und Halleluja! Nein und Halleluja.

Bitte weitersagen: Nein und Halleluja! Danke“


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Wenn ich diesen Text lese, denke ich, dass das eben das Wesentliche ist: nichts einfach und blind übernehmen, nicht die Religionen und nicht die Ideologien, sondern sich seine eigene Einstellung und auch Stellung dazu schaffen. Und mit dem lieben Gott etwas alltäglicher umgehen. Gott habe ich nun nur symbolisch genannt, für andere Größen vor denen wir leider immerwieder in die Knie gehn. Meinetwegen ersetzt hier den Begriff mit politischen Autoritäten. Sich nix von oben aufobtruieren lassen. Auf Augenhöhe die Sachen betrachten.

Aber wer hat schon die spirituelle Kraft um so etwas zu vollbringen?

Liebe Grüße

Miriam
marianne
marianne
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Re: Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch
geschrieben von marianne
als Antwort auf miriam vom 07.05.2010, 10:15:10
Einfach Dank dir, Miriam!!

Herzlich, Marianne

PS. Hier schneite es wieder, diese Nacht!
enigma
enigma
Mitglied

Re: Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch
geschrieben von enigma
als Antwort auf miriam vom 07.05.2010, 10:15:10
Liebe Miriam,

ich danke Dir auch und glaube, dass ein solcher "Nachruf" unserem Barden vom Niederrhein gefallen hätte.

Gruß von Enigma
omaria
omaria
Mitglied

Re: Zur Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch
geschrieben von omaria
DANKE miriam - auch ich mag die Texte von H.D. Hüsch!
Viele sind sehr nachdenkenswert!



omaria

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