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Plaudereien Kindliche "Aufklärung"....Erinnerungen.

gerry
gerry
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Kindliche "Aufklärung"....Erinnerungen.
geschrieben von gerry
Es muss kurz nach meiner Einschulung, vielleicht auch später gewesen sein als mich ein Klassenkamerad fragte, ob ich wüsste, wo die Kinder herkommen.
Er stammte aus einer kinderreichen Familie, die in unserer Straße nicht den besten Ruf genoss.
Sie waren nicht sehr sauber, aber vorlaut, großschnäuzig und auffallend.
So richtig konnte ich dem Wolfgang die provokant gestellte Frage nicht beantworten.

Obwohl ich nicht mehr so richtig an den Klapperstorch glaubte, brachte ich ihn in's Spiel, was großes Gelächter auslöste:
"Mann, bist du doof, die kommen bei den Frauen aus dem Bauch."
Was der alles wusste, aber er schwindelte ja auch oft.

"Weißte eigentlich, wie die da reinkommen?" wollte er von mir wissen.
Hätte mich mein Opa nicht immer weggeschickt wenn auf dem Gut die Trakehnerstuten
gedeckt wurden, wäre ich wohl nicht so dämlich geblieben.
Ich hatte also keine Ahnung!

Aber Wolfgang klärte mich genau auf:
"Also, die beiden Ollen ziehen sich nackig aus und denn steckt der Mann seinen Pisser
und das Ding vonner Frau, ein kleiner Strahl und fertig ist das Kind.
Das nennt man vögeln!"

Was spann der der für ein Zeug zusammen? Wir sollten aus Pisse....?
Ich roch an meiner Hand....kein Uringeruch, ebensowenig an anderen Körperstellen.
Also wiedermal gesponnen von ihm.

Und überhaupt meine Eltern....Nie würden die so etwas tun.
Nee solche Sauereien machten die nicht.
Die waren viel zu gut erzogen.

Seinen Eltern traute ich solche Schweinereien zu, die hatten ja fünf Kinder.
Aber doch nicht meine....vornehm, wie sie immer waren.

Dann überlegte ich, dass ich ja irgendwie entstanden sein müsse.
Sollten meine Eltern, damit ich entstehen konnte, wirklich solch ein Opfer gebracht haben und unter großen Schamgefühlen - natürlich im Dunkeln - solche Widerlichkeiten
begangen haben?
Nur, um mich zu kriegen?
Ich betrachtete sie plötzlich mit ganz anderen Augen, irgendwie waren sie plötzlich Helden für mich.
Nur damit ich auf die Welt kam, wuchsen sie über sich hinaus und "machten solche Dinge."
Ihrer großen Opferbereitschaft verdanke ich meine Existenz!

Und was hatte ich ihnen nicht schon angetan....
Ich erinnere mich, wie ich mal im Wohnzimmerschrank kramte und eine Packung Luftballons fand.
Sicher hatte sie meine Mutter zu meinem Geburtstag - es war damals auch schon der 13. Juni - dort versteckt.
Natürlich nahm ich sie heimlich mit in die Schule um vor den Anderen zu glänzen.
Ich nahm einen aus der Schachtel und blies ihn auf.
Leider war er nicht bunt, eher durchsichtig und länglich.

Der Wolfgang schrie gleich los: "Der hat Pariser!"
Ich verteilte den gesamten Vorrat an die anderen Kinder.
Wir waren so schön beim Aufblasen als die Klassentür aufging und Frl. Spannagel,
unsere Klassenlehrerin, eintrat:
"Was ist denn hier los"? schrie sie mit hochrotem Kopf, "wo habt ihr die Dinger her?"
"Die hat der Gerd mitgebracht", rief Inge, die olle Petze.
"Gerd stimmt das?", wollte Frl. Spannagel wissen, "sammel die Dinger ein und bring sie
nach vorn. Sag' Deinen Eltern, dass ich heute nachmittag zum Hausbesuch komme."

Wegen ein paar Luftballons, die nichtmal bunt waren, solch ein Aufstand.
Na ja, es waren die Kriegsjahre und alles war knapp.
Die Mutti bemühte sich, dem Sohnemann eine Freude zu machen und er verschenkt alles
in der Schule..
Die Mutter würde enttäuscht sein....

Aber es kam doch anders:
Als Frl. Spannagel ihren Hausbesuch beendet hatte, rief mich die Mutter rein, "feuerte" mir gleich eine:
"Du weißt, warum?"
"Ja, wegen, wegen, wegen diese Luftballons"...jammerte ich.
Da mischte sich mein Vater ein: "Mensch Bengel, Luftballons gibt es seit Jahren nicht mehr.Der Gummi wird für Autoreifen gebraucht. Bist du so dämlich oder tust du bloß so?"

Am nächsten Tag fragte ich dann den Wolfgang, was das für Dinger waren, die ich da mit hatte und die er als "Pariser" bezeichnet hatte:
"Die Dinger sind dazu da, damit beim Vögeln keine Kinder entstehen, vastehste?"
Das ginge doch aber viel einfacher, wenn Mann und Frau es einfach sein ließen.
Das aber wollte ich Wolfgang nicht erklären, da sollte er einfach dumm sterben.
Ja, so aufgeklärt war ich im Alter von 6,7 Jahren.

Heute sieht es wesentlich anders aus.
Die Kinder sind viel weiter.
Schon durch den Sexualkunde-Unterricht.
Dennoch möchte ich keine Stunde missen....

Doch später wurde es weniger schön.
Es kam Vertreibung und Flucht.
Hunger, Kälte, Entbehrungen.
Dann die Zeit des "Ährenlesens".
Sicher hat Jeder andere Erfahrungen gemacht?

Einen schönen Tag
wünscht Gerry
olga64
olga64
Mitglied

Re: Kindliche "Aufklärung"....Erinnerungen.
geschrieben von olga64
als Antwort auf gerry vom 14.06.2011, 17:23:30
Ich war in der Pubertät und natürlich auch sehr neugierig, wie sich dies nun wirklich verhält. Von meinen Eltern erhielt ich das pädagogisch wertvolle Büchlein über Bienen usw., was mich nicht weiterbrachte. Daraufhin stöberte ich im Bücherschrank meiner Eltern, wo sich auch im Rahmen guter Literatur viel Interessantes befand, das ich teilweise aber nicht kapierte.
In meiner Umgebung war ebenfalls eine Prekariats-Familie mit einer Tochter in meinem Alter, mit der ich aber keinen Umgang pflegen durfte, was die Sache natürlich noch interessanter machte. Sie hatte mich aufgeklärt, schämte sich aber aufgrund der Ungeheuerlichkeiten selbst, dies verbal zu machen und schrieb alles auf einen Zettel (mit vielen Fehlern). Diesen Zettel reichten wir Mädchen dann aufgeregt untereinander weiter (am Schluss war er völlig verschwitzt und fast unleserlich). Unsere Eltern beobachteten wir alle von diesem Tage an sehr viel aufmerksamer - meinen Bruder, der 5 Jahre jünger ist als ich, klärte ich dann ohne Zettel, verbal und brutal selbst auf.
Wer hätte damals gedacht, wie viel Spass diese Sache bis zum heutigen Tage doch macht - vergessen habe ich die Aufklärerin bis heute nicht; auch ihren Namen weiss ich noch und sehe sie noch vor mir: ein dickliches Mädchen, das vorgab, es "schon mal gemacht zu haben". Olga

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