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Plaudereien Schrullen und Originale

Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Mareike
als Antwort auf diogenes vom 12.02.2012, 13:34:18
'ja, ja, - Hertha!'

Das erinnert mich an meine Tante Betsie.
Egal was im Haus passierte, ihr Mann Harrie war´s Schuld und man hörte den Vorwurf: "Jooa Haarie!"
An einem Sonntagnachmittag war die ganze Familie zum Kaffee eingeladen. Der Tisch wurde gedeckt, es gab einiges an Kuchen, ua eine Kirschtorte. Als alle am Tisch versammelt waren, vermisste Betsie die Kirschtorte. Sie hatte sie doch selbst reingetragen, da war sie ganz sicher. Niemand hatte eine Idee, wo der Kuchen abgeblieben war. Nach einer Weile meinte mein Vater: "Betsie, ich meine mich zu erinnern, du hast den Kirschkuchen vorhin dort auf dem Stuhl von Oma abgestellt. Oma war schon recht tüddelig, sie saß friedlich an ihrem Platz, wie immer schwarz gekleidet in einem fülligen langen Kleid.

Oma sollte sich erheben ... und ja, sie thronte mitten auf dem Kirschkuchen.
Eine ihrer Töchter in schönstem Maastrichter Dialekt: "Foi, foi, foi, sitt die mich op ene Vloj!"

Und Betsie?
"Jooaa, Haarie!"
val
val
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von val
als Antwort auf Mareike vom 12.02.2012, 14:28:23
Onkel Gustav.....Jugendfreund meines Vaters - er war unverheiratet, gehörte zur Familie und war bei jeder Feier dabei.Sobald er drei, vier Gläser Hochprozentiges intus hatte, erhob er sich und sang getragen (er hatte eine schöne Stimme)

Einmal noch nach Bombay
oder nach Shanghai
einmal noch nach Rio
oder nach Hawai..

immer nur das, und immer nur bis dahin! Meine Mutter fragte: Hat Onkel Gustav schon 'Bombay' gesungen? Dann können wir mit den Schnittchen anfangen..
Wenn vonden Orten im Lied die Rede ist, sehe ich weder Palmen noch Copa Cabana, sondern Onkel Gustav vor mir.
Er hat übrigens nie eine grössere Reise gemacht.

Gruss Val
Blaustrumpf
Blaustrumpf
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Blaustrumpf
ich hoffe, das klingt nicht zu plump-vertraulich, aber ich liebe euch für eure Geschichten...

Hier möchte ich noch ein kleines bescheidenes Denkmal setzen für meine

Frau H. (Name behalte ich mal für mich, noch könnten ihre Nachfahren leben)
Wir lebten damals, ich war grade mal zehn, in einem Schwarzwalddorf. Wir bewohnten die oberste Etage eines Drei-Parteien-Hauses. In der Wohnung unter uns lebte mit ihrer Tochter eben diese Frau H., eine alte Dame, 90jährig und sehr gebildet. Während der Ausübung meiner Treppenhauspflichten (unbehandeltes Holz, das musste gespänt und gebohnert werden, eine mühselige Angelegenheit) kamen wir miteinander in Kontakt, sie fand meinen (zugegeben erzwungenen) Fleiß wohl rührend und lud mich in ihre Wohnung ein. Auf den Anblick dort war ich nicht vorbereitet. Zwar fand man alles, was man bei einer Dame diesen Alters damals erwarten konnte: dunkles Holz, viele Spitzendeckchen und genug Nippes, um 93 Andenkenläden damit auszustatten - aber es gab auch in jedem Raum, inklusive dem großen Flur, eine Regalwand vollgestopft mit Büchern. Meine großen Augen müssen wohl meine Gier verraten haben, denn nun sprach Frau H. den Satz, der mich (leidenschaftliche Leser werden das verstehen) geradewegs ins Paradies katapultierte: "Du kannst Dir jederzeit Bücher ausleihen"...
Viele der Bücher waren Unterhaltungsromane der Sorte "Und droben am Waldkreuz, da liegt mein Lieb begraben", viele waren (durch den Beruf ihres Mannes, Ingenieur) über Technik, Physik, Chemie. Viele Reiseberichte und Biographien. Ich griff mir wahllos alles und verschlang es.
Ein paar Jahre später starb Frau H. leider - nicht ohne zuvor ihrer Tochter ans Herz zu legen, dass das "Mädle von oben" sich aus dem Nachlaß beliebig viele Bücher nehmen dürfe. Gebremst durch meine gute Erziehung nahm ich nur so vier, fünf Stück. Aber ich habe sie noch heute. Und ich glaube heute noch, dass diese Dame zu einem großen Teil verantwortlich ist für meine Wissbegier und meine weitgefächerten Interessen. Danke, Frau H.

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Medea
Medea
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Medea
als Antwort auf Blaustrumpf vom 15.02.2012, 05:45:51
Ja Blaustrumpf, da fällt mir folgendes ein:
Nach der Vertreibung aus Schlesien landete
unsere kleine Familie, mein Vater war in französischer
Gefangenschaft, was wir aber damals nicht
wußten, im Hause einer lieben Gärtnerswitwe,
die wir Tante Schneider nannten.
Auf dem Hausflur stand eine Singers-Nähmaschine
und dort waren einige in blaues Leinen gebundene
Bücher gestapelt. Ich war als kleines Mädchen
schon eine Leseratte und so nahm ich mir
heimlich eines der Bücher und verschwand damit
im Garten. Die Dollarprinzessin war der
Titel, den ich nie vergessen werde, das klang
so aufregend, aber verstanden habe ich den
Inhalt ganz und gar nicht.

Als ich meine Mutter nach diesem und jenem
fragte, bekam ich zur Antwort, das ist
wirklich noch nichts für Dich - und dann
verschwanden die Bücher und waren nie
wieder gesehn.

Was mag aus der Dollarprinzessin wohl
geworden sein.

M.

Medea
Medea
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Medea
als Antwort auf Medea vom 15.02.2012, 06:08:26
Als ich das Ganze hatte.

Aber zurück zum ostpreußischen Tantchen.
Die Allianz zwischen der Ostpreußin und
dem Ostfriesen festigte sich zum beiderseitigem
Wohle, die Arbeitsteilung funktionierte - zudem
verband die beiden politisch die Sozialdemokratie.
Tantchen war im Hause des Oberbürgermeisters von
Königsberg tätig gewesen, das färbt ab - er wurde
später von den Nazis abgesetzt - und Opa Mö.
so nannten wir ihn, schon als junger Mann
Mitglied der SPD geworden.

Er kannte das harte Los der Arbeiter, - bei der
Bahn als Streckenläufer begonnen, die Bohlen und
Schienen mußten ja ständig überprüft werden,
später dann durch Lehrgänge die Prüfungen zum
Beamten bestanden, er war untadelig und die
Vorgesetzten vertrauten ihm bald an,
einem kleineren Bahnhof vorzustehen. Das war
mit einem Diensthäuschen und einem großen Garten
verbunden.

Opa Mö. erzählte mir in späteren Jahren
gerne von dieser Zeit, - seinen Ältesten, den
Albrecht konnte er zum Gymnasium schicken,
ich habe seine Literaturbände Goethe, Schiller,
Herder, Heinrich Seidel, Storm etc. geerbt.
Nach dem Abitur begann er eine Laufbahn bei
der Finanzbehörde und er war der Stolz der
Familie. Albrecht fiel im zweiten Weltkrieg,
sein Tod wurde nie überwunden.

Doch zurück zum Opa Mö.
Er war der reinste Spökenkieker, wußte
erschröckliche Geschichten seltsamer
Ereignisse zu erzählen, die sich in dem
ostfriesischen Dorfe, aus dem er stammte,
zugetragen hatten - er hatte in mir eine
dankbare Zuhörerin.

Und immer begann er mit den Worten:
Als ich das Ganze hatte ....

Das ist zum geflügelten Satz in unserer
Familie geworden und augenzwinkernd
erinnern wir uns an Opa Möhlenbach und
seine Döntjes.







heide †
heide †
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von heide †
als Antwort auf Medea vom 15.02.2012, 07:18:05
@All


Bei mir gibt es leider keine Dönekes, die zum Schmunzeln anregen könnten.

Aber Ihr mit Euren tollen Geschichten...
Bitte, bitte weiter den Grips anstrengen und schreiben, schreiben, schreiben

Danke sagt die
Heide

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ehemaligesMitglied23
ehemaligesMitglied23
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von ehemaligesMitglied23
als Antwort auf heide † vom 15.02.2012, 13:43:13
Eine besondere Freude war es für meine Schwester und mich immer, wenn wir zu Oma und Tante Mia aufs Land fuhren. Sie wohnten in einer kleinen Kate mit wunderschönem Garten und Tante Mia war , wie meine Mutter es nannte, etwas speziell.

Sie hatte zwei Kostüme. Ein dunkelblaues und ein hellgraues. Zu jedem hatte sie 5 passende Blusen. Hatte sie jeden Tag eins der Kostüme mit jeweils einer sauberen Bluse getragen , wurde das Kostüm > zum Lüften < auf einem Bügel in den Garten gehängt und das andere Kostüm wurde nun wieder 5 Tage getragen. Einmal monatlich wurden sie in die Reinigung gebracht.
Jahr um Jahr um Jahr. Ich habe sie niemals in anderer Kleidung gesehen.

Tante Mia arbeitete in einer öffentlichen Bücherhalle und brachte Bücher mit, die sie abends der Oma vorlas. In den Ferien durften wir oft einige Tage bei den beiden Damen verbringen und es war das wunderbarste Vergnügen , abends, eingekuschelt in eine Sofaecke, mit einem Becher Schokolade, dem Vorlesen zu lauschen.
Sie liebte die Bücher von Gorch Fock und Theodor Storm, aber in regelmäßigen Abständen wurde unter Schluchzen > Romeo und Julia < gelesen.
Oft mussten meine Schwester oder ich weiterlesen, weil Tante Mia einen Heulkrampf hatte. Aber das hielt sie nie davon ab die Geschichte immer wieder zu lesen.
Später erfuhr ich, dass Tante Mia gar kein Familienmitglied war. Sie war ein halbes Jahr mit meinem Onkel verlobt gewesen, bevor dieser durch einen Unfall starb. Daraufhin zog sie zur Oma und lebte dort.
Für meine Schwester und mich wird sie aber immer unsere Lieblingstante sein und unvergessen.


Medea
Medea
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Medea
Von der alten Mutter Wache, einer längst verstorbenen
Nachbarin, gibt es folgende kleine Geschichte.

Sie kam aufgeregt aus dem Garten und sagte zu
ihrem Sohn Franz, dort sei ein Einbrecher. Um
die Mutter zu beruhigen, ging er mit ihr nachsehen.
Nun guck Mama, kein Einbrecher weit und breit,
hast Du denn jemanden gesehen?
Gesehen? Nein Franzel, gesehen habe ich nix,
aber geraschelt hats.

M.

Medea
Medea
Mitglied

Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Medea
Die doppelte Taufe

Mein Onkel Carolus, 18 Jahre älterer Bruder meiner
Mutter, die das Nesthäkchen der Familie war,
ein gutaussehender junger Mann mit Bürstenhaarschnitt,
Knickerbockern, Motorrad, dem die Mädchen auch damals
nur so nachliefen, verliebte sich in die schöne Maria
aus Kattowitz.

Dagegen wäre ja normalerweise nichts einzuwenden, aber
Maria entstammte einer streng katholischen Familie und
Carolus aus einer ebensolchen protestantischen. In
damaliger Zeit mehr als nur ein Ärgernis.

Die alte Latussek so wurde Marias Mutter
genannt, hatte ihre übrigen Töchter gut katholisch
verheiratet und nun dies Malheur. Da hatten wohl
alle Teufel gleichzeitig ihre Hand im Spiel.
Die Liebe zwischen Maria und Carolus war heiß und
blieb nicht ohne Folgen, also war Heirat angesagt,
der schweren Herzens die Latusseken zustimmte.

Mein Onkel war Gutsinspektor und mußte zwecks
weiterer Fortbildung in bestimmten Abständen für
einige Tage nach Berlin. Inzwischen war dem Paar
eine süße Tochter geboren und die alte Latussek,
die um die Seele ihrer kleinen Enkelin bangte,
arrangierte mit dem Pfarrer ihrer Gemeinde eine
katholische Taufe. Maria hatte ihrer energischen
Mutter wenig entgegenzusetzen, also wurde das Kind
gut katholisch getauft.

Carolus war wütend, als er bei Rückkehr davon
erfuhr und so wurde eine evangelische Taufe des Säuglings
festgelegt und festlich begangen.

In späteren Jahren von mir befragt sagte
meine Cousine, sie wäre immer abwechselnd in beide
Kirchen gegangen und durch die doppelte Taufe
hätte sie sich stets besonders beschützt gefühlt.

Gibt es ein schöneres Ende dieser kleinen
Geschichte?

M.









Medea
Medea
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Re: Schrullen und Originale
geschrieben von Medea
als Antwort auf Medea vom 17.02.2012, 07:57:04
.... und noch 'n Gedicht - ist mir vorhin
wieder eingefallen:

Der Geldregen

Es geschah am 88sten Geburtstag meiner Mutter.
Sie sagte plötzlich zu mir, ich wollte
schon immer mal Geld auf Dich regnen lassen,
griff in ihre Handtasche und warf ein Bündel
20-Euro-Scheine in die Luft, die auf mich
herabrieselten.

Ich war vor Überraschung sprachlos und dann
lachten wir beide wie verrückt
und ich nahm sie, meine kleine
wunderbare Mutter in die Arme für diesen
aberwitzigen Einfall und als ich das Geld
einsammelte, waren es tausend Euronen.

M.

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