1883 eskalierte der Streit um die Maikäfersuppe


„Als Mittelgericht ein Ragout von Schaben“

Im Mai 1883 eskalierte der Streit um die Maikäfersuppe

An mindestens zwei Stellen im Radeberger Land aß man im Mai 1883 eine Seltenheit, nämlich „Maikäfersuppe“. Einer Notiz in der „Radeberger Zeitung“ war zu entnehmen, dass dies in Radeberg im „Deutschen Haus“ an der Bahnhofstraße angeboten wurde und auch Weixdorfs Gasthof soll mit dem Slogan „Kommt zur Maikäferprobe in den Gasthof!“ damit geworben haben.
Ich hielt das zunächst für einen Scherzartikel, doch es gab sie wirklich. Maikäfersuppe soll in Mitteleuropa bis nach dem 2. Weltkrieg bekannt gewesen sein. Und hier zwei Rezepte:

(1) Man rechnet 30 Stück auf die Portion, befreit sie von den Flügeldecken, Füßen usw., wäscht und zerstört sie. Der Brei wird in guter Butter angebraten und dann mit Mehl einer Kalbfleischbrühe durch ein Haarsieb gezogen zugesetzt. Die Suppe wird dadurch kräftig und wohlschmeckend und gleicht einer Krebssuppe, nur ist sie pikanter und nahrhafter.

(2) Zur Zubereitung wurden die Maikäfer ohne Flügel und Beine angeröstet und in Rindfleisch- oder Hühnerbrühe angegart. Je nach Rezept wurde die Suppe gesiebt und als Brühe genossen oder die Käfer wurden anfangs in einem Mörser zerstoßen, danach passiert und mit einer Mehlschwitze und Eigelb gebunden. Die Suppe wird mit Scheiben von Kalbsleber oder Taubenbrust und geröstetem Weißbrot serviert. Pro Person werden zwischen 30 und 50 Käfer gerechnet.

„Ekelhaft“, sollen Gegner jenes Gourmet – Essens (man bedenke den hohen Protein-Anteil) vor 130 Jahren gerufen haben. Das Fass zum Überlaufen brachte der Hinweis „Wir wünschen guten Appetit!“ und bieten als Mittelgericht ein Ragout aus Schaben, als Braten gespickte Ratten und als Dessert panierte Mehlwürmer. Radebergs Schöffengericht wies die Beleidigungsklage ab. „Man könne sich nicht vorstellen, so etwas zu essen“ und zog sogar im Handel erhältliche Kochbücher zu Rate. Da stand natürlich nichts von den Maikäfern.
Im Mittelalter galt der seit der Antike bekannte Maikäfer als Aphrodisiakum, d. h. luststeigernd hinsichtlich des sexuellen Verlangens. Dann war es fast vergessen. 1844 von einem deutschen Arzt wiederentdeckt und per „Medizinalzeitung“ empfohlen zum Essen, begann der „Siegeszug“ der seltenen Speise vor allem in Hessen, Hannover und Thüringen. Es gab ja massenhaft davon, sodass den Maikäfern sogar Wilhelm Busch im 5. Streich von Max und Moritz ein Denkmal setzte. Im Hause Busch aß man „Maikäfersuppe“ und er schrieb in seinen Erinnerungen, dass Personen, die nicht wissen wollten was in der Suppe sei, sogar zwei- oder dreimal Nachschlag verlangten. Es gab Maikäfer auch als Dessert, in Honig eingelegt, geröstet mit Puderzucker überstreut und kandiert.
Heute ist Vorsicht geboten, Maikäfer sind so selten geworden, dass sie unter Naturschutz stehen.
Und warum sich ekeln? Isst man nicht auch Schwalbennestersuppe, Tintenfischringe oder Haifischflossen?

haweger, nach einer Urschrift vom Mai 2013

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Kommentare (3)

ehemaliges Mitglied Ach, das würde ich auch mal probieren. Genauso esse ich gerne Schnecken und Muscheln. Ja, und ich muss mich da 'outen': in den 70-ern habe ich auch mal Froschschenkel probiert - bis ich um das 'Wie' wusste. Alles war und ist noch lecker.
Aber eben nicht Jedermanns Sache, ebenso wie Heuschrecken etc. nicht jedem Menschen schmecken würden.
Auch mir sind Bratkartoffeln und Spiegelei eigentlich lieber!
Jedem das Seine!
Elvira
Allegra weiß ich, daß in Maikäferjahren Hühner damit gefüttert
wurden und die Eier bei zu viel Maikäferfutter merkwürdig schmeckten.

Allegra
finchen ...alle diese "Köstlichkeiten" habe ich noch nie gegessen - auch nicht in der schlimmsten Hungerszeit.
Pürree aus Eicheln und Kastanien, Blüten von Akazien und Salat aus Löwenzahn, das waren unsere Grundnahrungsmittel.
Und als es Mode wurde mal Schnecken zu probieren, ja, da habe ich mich getraut! Eine Schnecke mit viel Kräuterbutter hat mir gut gemundet - doch vor lauter Knoblauch hat man von der Schnecke nichts geschmeckt.
Eine Modeerscheinung der Essensbranche.....die auch wieder vergangen ist.
Und somit bleibe ich weiterhin bei der heimischen Küche und brate mir die Bratkartoffeln und schlage mir ein Ei darüber.
Nun mit gutem Appetit
das Moni-Finchen

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