Die Frau besitzt Scherz und gefällige Schmeichelei



Die Frau besitzt Scherz und gefällige Schmeichelei

Kuriose Notizen um die Frauenrechtsfrage im Radeberger Land

Zu den wenig bekannten Alltagsgeschichten der Jahre vor dem 1. Weltkrieg gehören jene, die sich mit dem Kampf um die Emanzipation der Frauen befassen. Radeberg und Ottendorf/Okrilla bargen durch die Vielzahl industrieller Betriebe und den im Prozess des Handwerks und der Gewerbetreibenden tätigen Frauen, durchaus ein Potential für diese gesellschaftspolitische Frage. Zudem hatte sich in beiden Orten die Sozialdemokratie als gesellschaftliche Kraft entwickelt. Im Wahlkampf 1903 waren viele Frauen für die SPD aktiv, wenngleich sie selbst noch nicht wählen durften. Und in diesem Alltag gab es durchaus aus heutiger Sicht kuriose Momente.
Unmittelbar nach dem grandiosen Wahlerfolg der SPD zu den Reichstagswahlen 1903 in Sachsen, die SPD gewann 22 von 23 Sitzen, stellte Radebergs Konservativer Verein den Antrag an den Stadtrat, dieser möge sich dafür verwenden, dass der Reichstag ein Gesetz beschließen möge, verheirateten Frauen die industrielle Erwerbsarbeit zu verbieten. Über 1200 Frauen hatten zu dieser Zeit den Status einer Arbeiterin.

Man berief sich dabei auf den Philosophen Kant, denn man wollte wissenschaftlich modern sein. Kant hatte u. a. gesagt: „ Es schickt sich nicht für die Frau, tiefgründige Überlegungen anzustellen. Sie soll Leichtigkeit und Schönheit zeigen. Die Bestimmung der Frau ist es, eine Ehe zu führen. Sie hat den Mann zu ergänzen und zu verfeinern. … dem Mann seien Verstand und Kühnheit, ihr Witz und Listigkeit zu eigen, er besitzt Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, sie Scherz und gefällige Schmeichelei.“ Berliner Zeitungen erhielten Wind von dieser tatsächlich eingereichten Petition und spotteten mehrere Wochen über das „Provinznest Radeberg in Sachsen“.

Zur gleichen Zeit etablierte sich eine Frauenorganisation, die durch den Werbeslogan: „Wer ist Olympe de Gouges?“ auffiel. Niemand kannte diese Persönlichkeit der Französischen Revolution, aber ihre Wahlsprüche wurden in Damenkränzchen und „unpolitischen Frauenversammlungen“ diskutiert. Einer davon war: „Frauen, die das Recht haben, das Schafott zu besteigen, sollten auch das Rednerpult besteigen dürfen“.

Schließlich war es dem Sächsischen Landesverein für Frauenstimmrecht vorbehalten, die Männer mit der Anfrage zu verwirren „Wieviel Frauen nach $ 24 der Landgemeindeordnung stimmberechtigt seien?“
Grünbergs Gemeindevorstand sandte eine überlieferte Antwort: „ Im hiesigen Orte befinden sich keine stimmberechtigten Frauen. Aber der Fragenden rate ich, sich doch lieber mit dem Strümpfestopfen, Hosenflicken und Suppenkochen vertraut zu machen, denn wenn sie mal heiraten will, kann sie nix. Im Übrigen, was geht den Fräuleins unser Gemeindewohl an? Wollen sie irgendwie die ganzen Steuern für uns Männer bezahlen? Sonst geht es bei uns immer sehr gemütlich zu, wollen sich die Fräuleins hier ansässig machen? Ich glaube aber, hier bekommen sie keinen Mann, denn die hiesigen Schönen lassen sich nicht gern von den Fleischtöpfen forttreiben. Denn, wie gesagt, bei uns ist es sehr gemütlich, weil sich unsere Frauen nicht mit Politik befassen, das überlassen sie uns Männern, sondern kochen den ganzen Tag über ein gutes Essen, und wenn wir abends in die Kneipe gehen und wieder nach Hause kommen, haben sie auch schon wieder eine gute Tasse Kaffee fertig. Und das loben wir! Und ich weiß, unsere Frauen sind glücklich. Wenn Sie dasselbe auch so machen, wird es ihnen auch gut gehen, aber gelehrte Frauen und dergleichen, wie sie es sind, werden nimmer eine gute Hausfrau abgeben.“

Ein formaler Witz der Geschichte ist es, dass die gesetzlich begründete Gleichberechtigung von Frauen mit der Erteilung des Wahlrechts im Jahre 1918, von Männern beschlossen wurde.

haweger




Anzeige

Kommentare (2)

finchen ... mein Widerspruch kam bei der Familie, bei der ich lebte, nun überhaupt nicht gut an.
Ich war ja auch nur ein Waisenkind, daß stolz darauf zu sein hatte, daß ich überhaupt in einer intakten Familie lebte!
Nach 5 Jahren dieser Unterbringung zog ich aus und ging alleine durch die Welt, schließlich war ich alt genug.
Und siehe da.....es klappte alles, was ich mir so vorgenommen hatte.
Durch ganz Deutschland war mein Weg...... immmer mit einem Beruf im Hintergrund.
In diesem Sinne noch eine schöne Wanderung durchs Internet, weil die Füße nicht mehr so tragen....
Lieben Gruß
das Moni-Finchen
ehemaliges Mitglied Es gibt da ein Land, das gewöhnlich mit drei Großbuchstaben abgekürzt wird, in dem die Gleichberechtigung von Frauen längst gesetzlich beschlossen ist und das nun zusätzlich für vielleicht 20 – 50 Vertreterinnen der Frauenwelt auch noch eine gewisse prozentuale Vertretung "in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft" sichern will. Da können doch alle mächtig stolz drauf sein – oder?
Es gibt also Themen, bei denen wir auf dem Kampfniveau der Suffragetten stehengeblieben sind.
Wenn andererseits heute ein Mann seiner Angetrauten das Stopfen seiner Strümpfe zumutete, würde sie daraus berechtigt einen Scheidungsgrund ableiten; das Kochen können aber möglicherweise viele Frauen nicht mehr richtig – oder?
elbwolf, zwiespältig gesonnen
(aber die Anekdoten im Blog oben sind prächtig!)

Anzeige