Die Puppenfee !


Nachts, wenn die Menschen schlafen, küsst die Puppenfee alle Puppen wach und dann erzählen diese sich, was sie tagsüber mit Kindern und Erwachsenen erlebt haben. Nur die uralte Schlenkerpuppe meiner Oma, die wurde nie mehr geküsst. Sie war sehr traurig, mit ihr wollte keine andere Puppe sprechen, sie war allen zu alt und zu häßlich. So lag sie im hintersten Winkel des Spielzeugschrankes und überliess sich ihren Erinnerungen.
Enmal, vor langen Jahren war sie neu, schön und toll geschmückt gewesen. Ein kleines Mädchen, Katharina, bekam sie von ihrem Vater. Der war Franzose aus Lisieux und hatte Katharina's Mutter und ihre Mühle an der wilden Endert geheiratet, damals gab es da über Cochem viele Mühlen. In seiner Freizeit machte er schöne Schlenkerpuppen, immer in der Tracht seiner Heimat. Auch andere Eltern liessen bei ihm Puppen für ihre Kinder machen, sie waren alle mit Spelzen gefüllt. Katharina, meine Grossmutter mütterlicherseits, sprach oft über ihre Jugend. Das ihr Vater ein Heiligenhäuschen baute, damit der Frau und den Kindern der lange Weg runter nach Cochem zur Messe erspart blieb, nur unter der Woche , zur Schule , da mussten sie gehn, bergauf, so erzählte Oma, immer anderthalb Stunden. Die ersten Jahre ihres Lebens wohnte Oma mit Eltern und ihrer einzigen Schwester und vielen Brüdern in der Ostermühle an der Endert. Dann brannte die Mühle ab und Vater, Mutter und die neugeborenen Zwillinge kamen bei diesem Brand um. Die anderen Kinder waren zu der Zeit in Koblenz bei dem ältesten Bruder, auch meine Oma. Ich habe noch Grossmutters einzige Schwester und viele ihrere Brüder kennengelernt. Die meisten wurden über 90 Jahre alt , nur Oma starb mit 78 jahren. Da war sie aber schon ein halbes Jahr bettlägerisch und ziemlich verwirrt. Mich erkannte sie aber immer und ihre Puppe, die Belle, lag immer bei ihr im Bett. Wenn Belle denn schmutzig wurde und in die Wäsche kam, war das Gejammere gross. Einmal hat sie sich beim Pfarrer, der sie besuchen kam, beschwert. Mutter würde ihr jeden Spass verderben und sie hätte ihr die Puppe geklaut. Ich holte die Puppe dann von der Leine, sie war noch ziemlich nass, doch die Freude war trotzdem gross und die Nässe hat Oma nicht gestört. Dann sang sie der Puppe französische Lieder vor und schimpfte mit mir , weil ich diese Texte nie behielt. Ich habe kein Gefühl für Sprachen. Oma ass auch alles, was ich ihr brachte, aber ich war ja nicht immer da, dann streikte sie Tage mit dem Essen. Kam ich dann Freitag Abend von den Nonnen zurück, war sie glücklich. Sang, lachte und ass den Teller leer. Meine Mutter empfand den geistigen Verfall ihrer Mutter als beklemmend, ich fand sie oft weinend vor. Mir fiel das nicht so auf, Oma wusste immer meinen Namen, erkannte mich sofort und sprach ganz vernünftig mit mir. Kochrezepte und Hausmittelchen, das wusste sie bis zuletzt. Nun komme ich auch in dieses Alter, eine Belle habe ich nicht und auch keine Enkelin, wie wird es mir ergehen?
Aber ich bin Optimist, werde ich traurig, erzähle ich mir selber einen Witz und lache mich dann selber aus. Oma schlief einfach ein und dafür bin ich heute noch dankbar.
Nun genug mit den traurigen Erinnerungen, alles schon lange vorbei und die Sonne steht auch noch immer am Himmel. Es grüsst Euch Eure luzi, die allem zum Trotze , viel lacht





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Kommentare (3)

floravonbistram Hart ist es immer, den geistigen Verfall lieber Menschen zu sehen, doch immer wieder erleben wir, dass die Erinnerungen von früher lange, lange nacherlebt werden.
Herzliche Grüße von Flo
fuxlein Erinnerungen, gute Erinnerungen sind kostbar und helfen uns oft genug über traurige Zeiten hinweg.
Wenn ich Deine Gedanken an vergangene Lebensabschnitte lese, umfängt mich Tristesse wie ein Mantel, eine Sehnsucht für die es kein Erfüllen mehr geben kann, an Oma und Mama.
Die laute Welt kann so leise werden, wenn Erinnerungen anklopfen.
Es ist freundlich von Dir uns aus Deinem Leben zu berichten.
Dank Dir Luzi
fuxlein
finchen ...mit dem Schlenkerpüppchen.......
war das eine aus Stoff oder eine aus Leder?
Ich hatte noch beide...auch von der Großmama.
Hat wieder Spaß gemacht von Dir zu lesen.
Liebe Grüße
Dein Moni-Finchen

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