Ein Schmatz auf die Stirn, daß die Seele piept.........


...so sprach Traute
Meine Seele quietschte, als wir uns nach langen 7 Jahren wieder in den Armen lagen.
Ende 1953 wurde ich ausgewandert gen "Westen" hin - ich verließ meine Heimat, meine Rest-Verwandten und vorallem meine Freunde. Besonders den "einen".
Inzwischen waren wir fast erwachsen geworden - 20 Jahre alt - und er stand am Bahnhof und holte mich mit der gesammten "Schultruppe" ab.
Meine Cousine Erika hatte ihm verraten, daß ich komme.
Und dieser Kuss war anders zu bewerten. Es war kein hingehauchter, nein, er war innig und wie eine Erlösung von 7 Jahren, die wir "uns" nicht hatten.
Ein Johlen und Klatschen übertönte die Lautsprecheransage..............
"verlassen sie sofort das Bahnhofsgelände......"
Himmel hilf, wo bin ich hier gelandet?
Ich bin doch hier zu Hause - war nur mal ein bißchen weg - die Schupos lächelten verkniffen und man führte oder trug mich fast aus dem Bahnhof raus.
Aber von den Klassenkameraden !!
Und die alte Freundschaft erhielt einen neuen Begriff.
Es war tiefe Verbundenheit zwischen Ost und West, die eine unüberwindbare Grenze trennte.
3 Wochen Urlaub - eine ausgeliehene Zeit - undenkbar einander wieder zu verlassen. Jeden Tag waren wir unterwegs, nur um zusammen zu sein.
Und abends gingen wir tanzen, dort wo es überhaupt möglich war.
Im Ratskeller wurden wir rausgeschmissen, weil wir "offen" tanzten. Rock'n Roll war angesagt. Das wurmt mich heute noch.
Mit jeden Tag, der vergangen war, wurde es unangenehmer - ich mußte wieder zurück.
Wir saßen im Stadtpark und verbummelten die ganze Nacht, um rechtzeitig am Bahnhof zu sein, da seine Mutter, unsere Klassenlehrerin zur Kur fahren sollte. Morgens um Sechs.
Wir waren pünktlich - sie auch!
War das eine Freude, als sie mich in den Arm nahm und Tränen der Rührung liefen ihr die Wangen herab.
Für mich ein inneres Wohlgefühl, daß man mich noch kannte.
Ich war wieder angekommen - doch der Abschied stand bevor - 3 Tage noch...
Ineinander gekuschelt saßen wir auf der Bank und er sagte: bleib doch einfach hier........
..ich sagte: NEIN und fuhr dann wieder zurück, mit Herzschmerzen im Gepäck.
Wir schrieben uns noch ewige Jahre - ganz lange Liebesbriefe - doch beiden von uns war klar: so hat das keinen Bestand.
Doch Freunde sind wir geblieben.
Und immer wieder trafen wir uns noch, wenn ich in meiner Heimatstadt war.
Und das war jedes Jahr!
Eine tiefe Freundschaft, die auch heute noch existiert und die ich nicht missen wollte.
Der erste und der letzte Kuss eines gelebten Lebens......

mit busseligen Grüßen
Euer Moni-Finchen





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Kommentare (2)

finchen ...und mit der "Heirat" war das tatsächlich so. Das wurde mir auch angeboten, doch ich fühlte mich noch zu jung und außerdem mußte man in der BRD 21 Jahre alt sein um selbst zu bestimmen. In der DDR war man damals schon mit 18 Jahren volljährig. Wer weiß, wofür es gut war?
Aber diese alte Freundschaft ist uns geblieben und das ist ein Geschenk.
Und das Zittern ist nach den vielen Jahren auch vergangen!
Liebe Grüße und ein dickes Bussi
Dein Moni-Finchen
Traute Ja was waren wir für liebenswerte Mädchen. Über Grenzen hinaus.
Es gab viele Romeo und Julia Tragödien zwischen Ost und West.
Es ist ja mit der Teilung Deutschlands nicht um die Menschen und ihre Schicksale herum geteilt worden. Es ging oft mitten durch das Herz. Zum Stein erweichen waren die Tragödien. Das störte die 4 Siegermächte nicht als sie sich Deutschland in vier Zonen teilten.
Viele haben so lange gekämpft und ich habe mal gehört, das der Westverlobte hier heiraten musste um seine Geliebte Braut in den Westen holen zu dürfen. Man stelle sich das jetzt mal vor. Das war die nackte widerliche Wirklichkeit und wir haben sie erlebt.
Die Zeiten voller Hetze und Zorn. Die Zeit des Kalten Krieges.
Da konnten auch Herz und Liebe erfrieren und zu Grunde gehen.
Ihr habt die Sympathiestufe erhalten, wie schön.
Mit kusseligen Grüßen
Traute

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