Eine Zeit, die keine Zeit war


Eine Zeit, die keine Zeit war
Es war in meiner Heimatstadt Stolp/Pom., heute Slupsk. Ich war fast 5 Jahre alt, an einem trüben Herbsttag -
es war der 10.November 1938 -
ging meine Oma mit mir am Vormittag durch die Stadt, um einige Einkäufe zu machen. In der Innenstadt herrschte eine ungewohnte, nervöse Stimmung, so viele Menschen hatte ich eigentlich noch an keinem Wochentag auf den Straßen gesehen.
 Dort geschah nun etwas, das ich nicht verstehen konnte: uniformierte Männer in braunen Uniformen zerschlugen die Fenster eines Kaufhauses und auch einiger anderer Läden in der Straße! Aber auch eine große Anzahl anderer Menschen beteiligten sich daran. Sie schrien dabei unflätige Schimpfworte, zerschlugen die Scheiben einiger Läden, und plünderten die ausgestellten Waren. Ich begriff das nicht, fragte immer wieder die Oma nach dem Grund. Ich erhielt auf meine vielen Fragen keine Antwort. »Komm schnell nach Hause«, sagte sie, »hier haben wir nichts zu suchen!«
 Meine Großmutter hatte dabei ein rotes Gesicht, so etwas hatte ich noch nie bei ihr bemerkt. Sie zog mich schnell in eine Nebenstraße vom Marktplatz weg. Auf dem Weg nach Hause kamen wir an der Arnoldstraße vorbei. Dort befand sich die Synagoge der jüdischen Gemeinde. Lichterlohe Flammen beleuchteten wie ein Fanal das Straßenbild! Viele schreiende Menschen auch hier. Fasziniert schaute ich dieses Drama an, Erklärungen dazu konnte mir Oma ebenfalls nicht geben. (Dieses Gotteshaus wurde einige Zeit später gesprengt, da das Feuer nicht alles vernichtet hatte.)
 Noch lange Zeit danach spukte dieses Drama in meinem kleinen Kopf herum. Warum das alles so geschah, war mir in dieser Zeit ein Rätsel.
Ich hörte damals zwar, wie die Erwachsenen darüber redeten, trotz meines hellwachen Geistes konnte ich mit meinem kleinen Hirn den Sinn dieser Untaten nicht begreifen.
 Erst Jahre danach konnte ich die Bedeutung erkennen! Ich denke mir, dass es kaum einem der Menschen, die als Unbeteiligte alles mit ansehen mussten, anders erging. Es gab jedoch auch niemanden, der hier Einspruch erhob - ich denke im Nachhinein, das hier die Angst vor Repressalien der Hauptgrund war.

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Kommentare (2)

KnudButtnase

Und immer wieder die Stille Hoffnung.......

                           das man aus der Geschichte lernt......

Aber ist das so?

Die Hoffnung stirbt zuletzt................

Syrdal


...und es heißt, Geschichte wiederholt sich nicht!
Wirklich…

...fragt in heutigen Zeiten
Syrdal


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