Heinerles neuer Weihnachtsteddy



Heinerles 7,00 RM Weihnachtsteddybär.

Sarahs Eltern hatten alle beide mit vier Jahren ihre Mutter verloren. Beide bekamen eine Stiefmutter, beide Stiefmütter verwöhnten ihre eigenen Kinder und drängten die aus erster Ehe schnell hinaus.

Sarahs Eltern mussten früh in die Fremde und wagten es kaum, in ihrem kurzen Urlaub, ins Elternhaus zurückzukehren.
Das war in Ostpreußen, nach dem Ersten Weltkrieg.

Sie heirateten mit fast nichts, denn weder der Vater, der Inspektor auf einem Rittergut in Ostpreußen war, noch die Mutter, die auf dem gleichen Rittergut Wirtschafterin war, konnten viel „ auf die Hohe Kante „ legen, denn Bares bekamen sie, nach den heutigen Verhältnissen, nicht viel. Dafür mehr Deputat.

1923 in der Inflationszeit ging alles verloren. 1929 war die Weltwirtschaftskrise, nein, zu Reichtum kamen sie nicht.
Später, wurden in Abständen von einigen Jahren, drei Kinder geboren. Alle drei Kinder kamen in die Höhere Schule. Was den Eltern sehr schwer fiel.

25,00 RM für die ältere Tochter, später, 20,00 RM für die zweite. Dazu kamen noch die Schulbücher, die beide Mädchen den Schülerrinnen, aus der nächst höheren Klasse, für wenig Geld abkauften.

Auch zu Weihnachten gab es nicht viel.
Als erstes kamen sie am Spätnachmittag des Heiligabend, nacheinander, in den großen Waschzuber.

Ab und zu musste die Mutter heißes Wasser nachschütten, denn frieren, wollte keiner. Dann, und das gab es in jedem Jahr zu Weihnachten, neue Unterwäsche, die ersten Jahre noch mit „ Klappe hinten. „ Später, als nicht mehr zumutbar, gab es schon Hemdchen und Schlüpfer einzeln. Dann Leibchen und ...........lange Wollstrümpfe an Strippen.

Natürlich bekam jeder einen bunten Teller nur für sich.
Mit Äpfeln, Nüssen, Schokoladenkringel mit bunten Streuseln drauf, und selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen.

So aufgefrischt, saßen sie später unter dem sehr liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum. Alle Weihnachtslieder wurden gesungen.
Mit Oh, Tannenbaum begannen sie und endeten mit „ Es ist ein Ros` entsprungen.„

Sarah erinnerte sich auch später noch an die leichte Ohrfeige, die sie von ihrer Mutter bekam, als sie laut und inbrünstig gesungen hatte: „Es ist ein Roß entsprungen.“ Sie hat es nie wieder getan.

Es war auch gar nicht so abwegig, denn im angebauten Stall, nebenan, standen vier Pferde. Drei Reitpferde und das schwere Kaltblut David.
Sarahs Lieblingspferd hieß Edelfink und war ein Rappe

Geschenke, gab es nicht viel: ein Päckchen Buntstifte, einpaar Taschentücher mit Spitze, einen kleinen Spiegel für Sarah, ein Kartenspiel.
Die Schwester, bekam weißen Leinenstoff für eine Bluse und eine Brosche; ein schöngeformtes Blatt, aus weißem Perlmut. Sie war nie zufrieden: „ Wenn ich denke, was meine Freundinnen alles bekommen, „flüsterte sie Sarah zu.

Sarahs Mutter überhörte es.
Sarah schämte sich etwas für ihre Schwester, denn sie wusste, daß es kein Geiz der Eltern war.

Außerdem war Sarah an diesem besonderen Heiligabend an Schwesterchens Unzufriedenheit nicht ganz unschuldig.

Die Mutter hatte Sarah einige Tage vor dem Fest Geld gegeben. Sie sollte in die Altstadt gehen und für den dreijährigen Bruder einen neuen Teddybären kaufen.
Der alte sah schon sehr mitgenommen aus.

Mutter hatte wieder ihre wirklich schlimme Migräne und konnte nicht selbst gehen. Sie schärfte Sarah ein, gib nicht mehr als 3,50 RM für den Bären aus, mehr darf er nicht kosten!

Sarah war glücklich. Einen Auftrag hatte sie bekommen, einen wirklich ernsthaften Auftrag. Und sie durfte zum ersten Mal alleine in die Altstadt.

Schon der Weg dorthin war für sie aufregend. Sie ging das Mannesmannufer am Rhein entlang bis zum Schlossturm und bog dann in eine schmale Strasse ein, die zum Stadtzentrum führte.

Von Weitem schon konnte sie die erleuchteten Schaufenster sehen.
Lange, hatte sie davor gestanden und konnte sich nicht losreißen von dem betörenden Lichterglanz.

Puppen sah sie; wie lange hatte sie sich schon eine gewünscht.

Elektrische Eisenbahnen fuhren durch bunte, liebliche Landschaften mit Bäumen und Büschen, fuhren durch kleine Tunnels und tauchten, zu Sarahs Überraschung, wieder am anderen Ende auf. Manchmal, kamen sich die Züge sehr nahe, doch dann bog jede in eine andere Richtung ab.
Sie fuhren an kleinen Häusern mit Lichtern in den Fenstern vorbei.

Winzige Figürchen sah sie auf den kleinen Straßen und vor dem Bahnhof stand der Bahnhofsvorsteher mit seiner Kelle in der erhobenen Hand.
Sogar die winzigen Straßenlaternchen brannten.
Alles glänzte und leuchtete im weihnachtlichen Glanz, es war himmlisch.

Endlich ging sie hinein und fand auch die Spielzeugabteilung mit den Bären.

Sie saßen erhöht in einer Reihe, hoch auf dem Regal.
Einer neben dem anderen. 3,50 RM; 5,00 RM; 7,00 RM.

Der 7,00 RM Bär war am schönsten; dagegen sah der zu 3,50 RM Bär richtig unterernährt und struppig aus.

Was würde Heinerle für Augen machen, wie würde er sich freuen, wenn er ihn in seinen kleinen Ärmchen hielt. Und Sarah traute kaum ihren eigenen Ohren, als sie zu der Verkäuferin mit fester Stimme sagte: “ Ich möchte den Bär zu
7,00 RM. “ Wirklich? “ fragte die Verkäuferin: „ Hast du denn so viel Geld bei Dir? “ Sie hatte!

„ Gib ja nicht alles aus,“ hatte die Mutter noch gesagt. Sie hatte es nicht passend gehabt und an jenem Tag ging es ihr wirklich sehr schlecht.

Sarah machte sich auf den Heimweg, an den glänzenden Auslagen der Geschäfte vorbei, durch weihnachtlich geschmückte Strassen der Innenstadt, zurück zum Hafenviertel.
Glücklich und doch voller Angst.

Ihre Mutter fiel fast in Ohnmacht: “ Was hatte ich dir gesagt? Wie kann man nur so viel Geld für einen Teddybären ausgeben?“ schallt sie.

Dieser Teddybär, war das Einzigste, was gerettet wurde.

Denn, als Sarahs Familie durch den großen Krieg auseinandergetrieben wurde,
jeder an einen anderen Ort, ja, auch in ein anderes Land, und die Mutter mit dem kleinen Bruder schon an der Haltestelle Stromstrasse stand, der eigenen Wohnung gegenüber, und auf die Linie 8 wartete, um zum Hauptbahnhof zu fahren, rief der Kleine: “ Mein Bär! meinen Bär haben wir vergessen!“

Er weinte so bitterlich, dass die Mutter zurück lief und den Bären holte, den er an sich presste und nicht mehr los ließ.

Der Bär war gerettet und Mutter und Bruder auch. Die Firma Gerhardt & Co , vier Pferde, auch der Pferdeknecht, weil er nicht rechtzeitig in den Luftschutzkeller kam, verbrannten im Düsseldorfer Hafen im September 1943 durch Phosphorbomben der Alliierten.

Sarahkatja


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Kommentare (7)

sarahkatja Ja, annefa, es ist meine Geschichte.

Ein gesegnetes Fest wünscht Dir Sarahkatja
sarahkatja Hallo oessilady,
ja, oessilady es ist gut, dass unsere Kinder und Enkel das nicht erleben mußten.
Nur manchmal wünschte ich mir etwas mehr Interesse und Verständnis für die Menschen jener Zeit. Doch vielleicht kommt das noch, wenn sie älter sind.

Wenn ich lese, dass die Alten, trotzdem es ihnen zu gut geht,jammern und unverschämte Forderungen stellen, dann denke ich, schafft das erstmal was die älteren Generationen, in den meisten Fällen unter großen Entbehrungen, schaffen mußten.

Ein frohes Weihnachtsfest wünscht Dir Sarahkatja


annefa sicher deine. Grüße von Anne
oessilady Hallo sarahkatja,du hast die Geschichte von dem Weihnachtsbären so nett erzählt,es
geht einem zu Herzen,wie du von seiner Rettung erzählst in den Bombennächten.
Ich wünsche dir ein wunderschönes Weihnachtsfest mit vielen Stunden der Erinnerung an diese Zeiten und Dankbarkeit darüber,daß unsere Kinder diese Zeiten nie miterleben müssen.Schöne Weihnachten wüscht die oessilady
sarahkatja Heute hat es hier den ganzen Tag über geschneit. Es ist sehr kalt und überall glitzern Eiskristalle. Die frische Luft ist herrlich und es machte Spaß durch den Schnee zu stapfen.

Es grüßt Dich Sarahkatja
koala Die Eisenbahn wurde erst am Spaetnachmittag angeschaltet und in den ersten Tagen standen nur die Grossen vorne. Wir Kleinen drueckten uns rechts und links vorbei, um auch etwas sehen zu koennen.
Es gruesst Dich
Anita
koala war jedes Jahr in einem Schaufenster aufgebaut, nur zum Vergnuegen der Kinder. Denn das Geschaeft verkaufte und reparierte an erster Stelle Fahrraeder und Zubehoer. Sicher konnte man auch eine Eisenbahn kaufen. Da habe ich nie drueber nachgedacht.
Anita

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