Mein Erleben mit Hunden III


Mein Erleben mit Hunden   III

Als ich 2010 mein Leben ändern wollte, einmal im Monat zu meiner Tochter fuhr, um einerseits dort eine Familientherapeutin aufzusuchen, bei der ich durch ihre Vermittlung einige Termine wahrnehmen konnte, andererseits auch rechtliche Beratung durch einen Anwalt nutzen wollte, kam ich jeweils bei ihr zuhause zur Übernachtung unter. Sie hatte sich mit ihrem Mann 2009 einen Schäferhundwelpen zugelegt, der ein Jahr später gerade so in seinen Flegeljahren als Hunde-Teenager lebte.

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Immer wieder nahm sie mich mit, wenn sie mit ihrem Utz die Hundeschule besuchte, damit dieser große Hund, wenn er zur Familie gehören sollte, richtig erzogen auch folgen würde. Auch zuhause im großen Garten wurde mit ihm trainiert. Da sie es meist war, die mit ihm diverse Hundeschulen besuchte, sie ihn auch mit in ihre Firma nahm, wo er den ganzen Tag bei ihr war, war sie für ihn DIE Bezugsperson.

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Auch ich lernte, mit einem Hund, mit Schäferhund Utz umzugehen. Ich wusste vorher nicht, dass es die Körpersprache ist, die ein Hund bei Menschen, die ihm begegnen, liest. War es anfangs so, dass ich kaum die Treppe hochkommen mochte, wenn er oben im Flur darauf wartete, dass die Person, die da gerade kam – ich – oben eintraf, um sie zu beschnuppern, lernte ich recht bald, einfach an ihm vorbei zu schauen und ihn völlig zu ignorieren. Dann drehte Utz sich um und tapperte zu seinem Platz vor der Hundebox, in die er sich zurückziehen musste, wenn ansonsten fremder Besuch kam. Manchmal legte er sich auch einfach auf den Flur vor die oberste Stufe und dann musste ich zusehen, wie ich über ihn hinwegsteigen konnte, ohne vielleicht rückwärts die Treppe wieder hinunter zu stolpern. Aber er ließ mich  dann auch ruhig über sich wegklettern.

Utz hat mich nie angebellt, doch wenn er tatsächlich mal bellte, stellten sich bei mir immer noch die Haar auf! Und draußen beim Spaziergang bellte er oft. Auf dem Lande haben hier viele Leute Katzen. Er roch sie, auch wenn er sie nicht sehen konnte und dann war er beispielsweise kaum von einem Fenster wegzubekommen, hinter dem – unsichtbar für uns draußen – eine Katze saß. Wenn wir an Pferdekoppeln, von denen es bei uns sehr viele gibt, vorbeispazierten, kriegte Utz sich kaum ein, wenn wir auch nur einen Schritt zu nahe an dem Koppelzaun an den schönen großen Tieren vorbeigingen. Ihm schienen sie wegen ihrer Größe einfach gefährlich. Die Gegenwart seines Frauchens ließ ihn dabei schnell ruhig werden, sie wusste ihn ja auch zu beherrschen. Doch ansonsten konnte diesen Schäferhund niemand zurückhalten, wenn es an den nahen Koppeln vorbeiging.

Am Weltfrauentag, dem 8. März 2011zog ich für ein Vierteljahr ganz zu meiner Tochter, wohnte bei ihr und hatte nun viel Gelegenheit, mich dort mit Utz weiter anzufreunden. Dann aber suchte ich mir eine Wohnung in der nahen Stadt, um ihr und ihrem Mann nicht die Situation zu bieten: … und die Mutter war immer dabei. In dem Jahr wurde sie mit Max schwanger, hatte eine nicht so einfache Zeit. Ich fuhr sie oft hier und dort hin, wo sie beruflich zu tun hatte, da sie nicht mehr selber fahren konnte. Sobald sie selber hinter dem Lenkrad in ihrem Autositz saß, wurde ihr übel, weil das Kind auf die großen Bauchaorta drückte, was natürlich mit der Zunahme der Schwangerschaft immer heftiger wurde. Ich habe es sehr genossen, für meine Tochter in dieser Zeit eine Hilfe sein zu dürfen.

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Als Max dann endlich geboren war, galt es natürlich sofort, dem nun erwachsenen Schäferhund beizubringen, dass er das Baby als „über sich stehend“ wie alle Familienmitglieder zu akzeptieren hatte. Er durfte den Jungen nur vorsichtig anschnuppern, aber auf keinen Fall mehr. Ich muss immer noch bewundernd daran denken, wie meine Tochter es hinbekam, diesem Hund so einen geduldigen Umgang mit dem familiären Neuzugang beizubringen. Uns wurden von den hässlichsten Schauergeschichten berichtet, die von Hunden und Babys erzählten. Doch nichts dergleichen war auch nur annähernd zu vermuten.

Utz benahm sich musterhaft, wusste genau, dass er die Babyspielsachen, natürlich das Kind selber nicht in irgendeiner Weise „belehrend“ angehen durfte. Er sah das Kind heranwachsen, wie es auf dem Boden lag, krabbeln und laufen lernte. Max durfte seinen Schwanz wie einen Pumpenschwengel bewegen, aber nur kurz. Dann schritt die Mama ein und musste eher den Jungen maßregeln, Utz aber ließ das – offensichtlich ein wenig leidend – über sich ergehen und verzog sich recht bald auf seinen sicheren Hundeplatz, wo Max ihn nicht stören durfte.

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Kaum dass Max laufen konnte, nahm er Utzens Rücken als Straße für seine Spielzeugtrecker. Auch das ließ der Hund ohne zu murren über sich ergehen. Beide lernten mit der Zeit sich gegenseitig zu respektieren. Wenn Utz sich vor dem Schlafzimmer im Flur zum Schlafen hingelegt hatte, der anderthalbjährige Max an ihm vorbei wollte, kletterte der Junge über ihn hinweg, ohne auch nur auf irgend eine Pfote oder die Rute des Hundes zu treten. Als Max lernte, die Stufe vom Wohnzimmer auf die Terrasse alleine hinunterzugehen, jubelte er jedesmal kurz, ging zu dem beobachtenden Utz, streichelte ihm kurz über den Kopf und dann ging es wieder üben: „auf ein Neues“!

Zu Weihnachten 2014 hatte die Familie vor, einen kurzen Urlaub an der Küste über die Festtage zu verbringen. Zu diesem Zweck war Utz bei seinem Hundebetreuer für solche Zeiten untergebracht. Zum Abschied bekam der Hund seinen Leckerbissen, ein ganzes Schweineohr. Diese Leckerei liebte er. Aber er muss wohl gespürt haben, dass es dieses Mal ein Bestechungsversuch war. Er schlang das Ohr in viel zu großen Stücken herunter, in der Hoffnung, vielleicht doch mitzukommen – und das bekam ihm nicht. Noch bevor wir abreisen konnten, zeigte Utz, dass es ihm nicht gut ging. Meine Tochter brachte ihn noch mittags, bevor wir losfuhren, zum Tierarzt, der erklärte, der Magen des Hundes habe sich gedreht und Utz müsse operiert werden. Eine Weile blieb sie noch bei ihrem Utz, aber dann wurde es Zeit, die Reise anzutreten. Utz blieb in der Praxis, wo der Hundebetreuer ihn dann anderntags abholen sollte, wenn es dem Hund gut ginge.

Doch der Arzt hielt sich nicht an die Verabredung. Die Norm für solche Operationen ist, dass das operierte Tier noch vierundzwanzig Stunden in der Obhut des Operateurs bleibt, um festzustellen, ob auch alles seinen erwarteten Gang gehen würde. Auch der Doc hatte Urlaub gebucht und er wollte seinen Urlaubsflieger natürlich erreichen. Also hielt er diese übliche Frist nicht ein. Sein Flieger ging um Mitternacht. Er benachrichtigte den Betreuer, er möge kommen und der holte den Hund natürlich viel zu früh dann zu sich. Mit Sorge sah er, wie es Utz immer schlechter ging, suchte noch am frühen Weihnachtsmorgen einen zweiten Tierarzt auf – aber für Utz war es zu spät. Der nur sechsjährige Hund starb am 1. Weihnachtstag.

Es war für meine Tochter ein schwerer Schlag, dass das so geschehen musste. Aber wie erklärt man das einem noch nicht ganz Dreijährigen? Wir hatten ja nun zumindest noch die Zeit, bis zur Rückkehr nach Hause, wo wir dann Max erklären mussten, dass es Utz nicht mehr gab. Der Junge vermisste den großen Hund sehr. Immer wieder musste nicht nur ich ihm erklären, dass Utz nun im Hundehimmel sei, es ihm dort sehr gut gehe und er keine Schmerzen mehr hätte. Im Sommer zuvor hatte er ja schon so ein wenig mitbekommen, dass auch seine 90-jährige Uroma, meine Stiefmutter, die Max noch kennenlernen durfte, verstorben war, sie einfach nicht mehr da war. Auch da gab es die Aussage, dass die Oma nun im Menschenhimmel sich sehr wohl fühle. Nach einem Warum fragt ein Zweijähriger ja nicht. Vielleicht half ihm das Erlebnis ja, dann auch den Verlust von Utz leichter hinzunehmen.

Ob das allerdings nicht doch etwas anders „verdaut“ wurde, zeigte sich erst jetzt in der Corona-Krise. Im Sommer 2018 verstarb mein Mann, sein Opa. Den vermisste der Junge inzwischen doch ein wenig, denn der andere Opa, Vater meines Schwiegersohnes, war ihm immer etwas suspekt geblieben, weil der dement ist. Oft erkannte er den Max gar nicht als seinen Enkel, fragte bei einer Begegnung, was dieser fremde Kleine in seinem Garten mache oder nannte ihn Ida, hielt ihn für die kleine jüngere Tochter seines zweiten Sohnes. Max jedenfalls sauste immer wieder, wenn ich ihn vom Kindergarten abgeholt hatte, wie der Blitz zu seiner Sandkiste hinten im Garten, bloß schnell vorbei am Opa, wenn der auf seiner Terrasse saß …

Vergangenes Jahr musste dieser Opa dann leider doch in ein Pflegeheim, weil er nicht mehr alleine zuhause leben konnte, aber keines seiner Kinder eine Möglichkeit hatte, sich stets um ihn zu kümmern. Es war uns eine Horrorvorstellung, dass er täglich mehrfach die stark befahrene Bundesstraße, an der das eigene Haus steht, im Schleichschritt zu überqueren. Was, wenn er ausgerechnet dann von einem mehr als 70 erlaubter kmH vorbeisausenden Pkw vielleicht erfasst würde und durch den Unfall ein Fahrzeug auf den eigenen Hof geschleudert würde, wo möglicherweise gerade Max spielte?? Natürlich haben wir alle zugesehen, dass Max möglichst nicht vorn nahe der Straße auf dem Hof spielte, sondern eher hinten im Garten. Doch los lässt Niemanden solch eine Angst.

Die kleine Familie brauchte etwas Zeit, um den Tod von Utz zu verwinden. Dann hatte meine Tochter beruflich einmal wieder Kontakt zu den Hundetrainern in der Tierfutterfabrik Mars. Dort werden Hunde verschiedener Größen für ca. fünf Jahre mit eigenen Trainern getestet, welche Nahrung sie bevorzugen, um die Verkaufsfähigkeit der Produkte zu testen. Da begegnete ihr eine junge Trainerin, die einen kleinen fünfjährigen Mischling (Löwchen mit Bologneser) aus der Testreihe nehmen sollte. Eigentlich sollte sie ihn selber behalten, aber sie hatte bereits zwei Hunde zuhause. Daher fragte sie meine Tochter, ob sie Eddy nicht übernehmen wolle.

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Und so kam Eddy ein paar Wochen vor Weihnachten in die Familie. Alle waren von diesem süßen kleinen, noch sehr zurückhaltenden Rüden begeistert. Für Max war es wieder „ein Hund in der Familie“, der – genau wie Utz – jeden Tag bis heute in die Firma seiner Mama mitgenommen wird. Durch das viele Training mit Utz war meine Tochter das perfekte Frauchen, um dem schüchternen Eddy ein wenig mehr Lebensfreude beizubringen.

Er ist der einzige Hund, der mich zum Lachen bringt, wenn er knurrt und bellt! Das ist seine Art, Leute, die durch die Geschäftstür oder zuhause die Treppe hoch kommen, anzumelden. Natürlich meldet er alle schon, bevor seine Menschen das überhaupt mitbekommen. Und ich darf ihn Spaßes halber zurück anknurren! Dann springt er vor lauter Freude an meinen Beinen hoch und versucht, auf diese Weise ein Leckerli zu ergattern. Das darf er natürlich nicht bei der Kundschaft, doch das weiß der Kleine auch sehr genau.

Utz, den Schäferhund hätte ich nie allein für Stunden bei mir zuhause „verwahrt“ oder wäre gar allein mit ihm spazieren gegangen. Eddy darf auch bei mir bleiben, obwohl er das nicht ganz so gerne tut, denn er ist dermaßen auf sein Frauchen fixiert, dass er sogar hinterher jammert und heult, wenn sie Gänge außerhalb zu erledigen hat, wo er dann doch bei dem Hundebetreuer und Mitarbeiter in der Firma bleiben muss. Auch den liebt der Kleine sehr, weil er oft auch einen Spaziergang mit ihm machen darf. Aber das ist ja nicht „sein“ Frauchen. Bei mir zuhause muss er unbedingt immer einen Platz haben, wo er sowohl die Korridortür als auch die Terrassentür beobachten kann, die Orte, wo sich sein Frauchen zum Abholen dann wieder zeigt … Es dauerte eine kleine Weile, bis ich begriffen hatte, warum er nicht aus der Wassesrschüssel trank, wenn er bei mir war. Ich hatte sie in den Flur gestellt, wo sie beim möglichen Umkippen am wenigsten Schaden würde anrichten. Erst als der Napf so stand, dass Eddy auch beim Trinken beide Eingänge beobachten konnte, nahm er Wasser auf! Diese schlauen Tiere!!

Und nun, wo uns die Corona-Krise sogar die Trennung von Familienangehörigen - in diesem Fall mich - die nicht mit in der Familienwohnung leben vorschreibt, ist es für den Achtjährigen nicht so wirklich zu verstehen, warum seine Oma, die sonst jeden Werktagnachmittag Stunden für ihn da war, das jetzt nicht mehr sein darf. Er hat begonnen, wieder bei seinen Eltern im Bett zu schlafen. In seinem Zimmer allein in seinem Bett fühlt er sich zu verlassen! Eddy darf ja auch im elterlichen Schlafzimmer in seiner Ecke nächtigen ...


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Kommentare (4)

ehemaliges Mitglied

Danke für diese tolle Geschichte. Deine Tochter macht das toll.

nnamttor44

@Hansdampf  

Danke für Deinen Kommentar, lieber Hansdampf!

Ich musste, wenn ich das ganze Werden und Überwinden meiner Angst vor Hunden einfach weit ausholen und somit kam meiner Tochter mit ihrem zweiten Hund Utz eine besondere Beachtung in Form der Länge meiner Geschichte zu.

 Bei der ganzen Geschichte fiel mir erst mal auf, wie eigenwillig es manchmal im Leben verläuft, sich alles fügt.

Ich wünsche Dir  und allen Lesern noch eine schöne Woche - auch in den 1. Mai 

Uschi

ehemaliges Mitglied

@nnamttor44  

Gerne geschehen, ich habe von meinem Leben ca. 22 Jahre mit Hunden verbracht. Ich bedaure den vielen Blödsinn, der in diesem Zusammenhang geschrieben wird. Da muss ich einen Bericht, in dem so viel Gespür für diese Tiere steckt loben.

nnamttor44

@Hansdampf  
Danke!!
 


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