Moral und Veränderung


Moral und Veränderung

Es gibt wohl niemand in unserer Generation, der dies negieren würde: Unsere Sprache, unsere Ausdrucksweise und auch die Bedeutung der Worte verändert sich ständig. Fast unmerklich, (seit Jahrhunderten schon), modifiziert und korrigiert sich unsere Ausdrucksweise, viele Begriffe und Worte aus anderen Kulturkreisen werden assimiliert. Es ist eine äußerst spannende Sache, dies zu beobachten!
        Mir fällt da beispielsweise die tausend Jahre alte »Jiddische Sprache« der osteuropäischen Juden ein. Aus dessen reichem Wortschatz wurden in den Zeitaltern vor 1933 unzählige Worte in die deutsche Sprache integriert, ohne dass die Menschen, die sie gebrauchten, überhaupt wussten, woher sie stammte!
Aus meiner Kindheit kenne ich noch viele dieser Ausdrücke, die mir in Fleisch und Blut übergegangen sind. (Mag sein, dass meine Zuneigung zum Judentum dort ihre Wurzeln hat, ich weiß es nicht!)
        Aber auch andere Sprachen hinterließen in unserem Kulturkreis ihre Prägung. Ob nun Latein oder Griechisch in den gebildeteren Kreisen, ob später im 18. und 19. Jahrhundert französisch als das Vornehmste galt, so ist es heute »in«, amerikanischen Slang im Sinne von »denglish« von sich zu geben.
Und es ist eine Tatsache, dass moderne Gesangsstücke bei uns nur noch in englischer Sprache zu hören sind - von »Evergreens« einmal ausgenommen.
Vielleicht sind wir ja damit auf dem Wege zu einer Weltsprache, der dem ESPERANTO nicht geglückt ist?
        Und dann - man mag es bedauern oder nicht - es ist eine Tatsache: Es gibt eine Reihe von Ausdrücken, - wenn wir die einst ausgesprochen hätten, unsere Eltern wären uns sicher nicht unbedingt freundlich begegnet! 
        Sprache jedoch hat nur am Rande etwas mit unserer Moral zu tun! Ich meinte im Wesentlichen die psychologische Seite der Medaille! Und die, so sehe ich es, ändert nicht nur das Resultat der menschlichen Erziehung, sondern den Menschen überhaupt! Und das ist bedenklich, weil alte Werte verloren gehen, die Hunderte von Jahren Bestand hatten.
Seit einigen Jahrzehnten verändert sich peu á peu das Wesen der Humanitas! Brutalität wächst; was einstmals nobel und exzellent war, gehört heute vielfach in die Gosse.
        Es ist schade um eine Kultur, die damit auch unwiderruflich verlorengeht. Ein Beispiel sei dafür genannt:
Auch in meiner Schulzeit gab es Streit und auch Schlägereien z.B. auf dem Schulhof. Da wurde der »Hahn vom anderen Misthaufen« erbarmungslos zu Boden gezwungen unter Anfeuerungsrufen der gegnerischen Parteien! Dann jedoch - wenn der Unterlegene am Boden war, stand der Sieger fest und der »Machtkampf« war beendet.
Das aber ist heute anders. Die Machtgelüste unter Schülern (auch *innen !) werden ebenfalls noch ausgetragen. Aber - und das ist der Unterschied - der Unterlegene wird danach noch ausgiebig mit Füßen traktiert, bis er kaum noch aufstehen kann und fast krankenhausreif liegenbleibt, sofern nicht jemand dazwischen tritt!
Wer dies nicht glaubt, betrachte einmal ausgiebig einen Pausenhof, er wird sein blaues Wunder erleben!

        Das sind manchmal die Ansätze einer Kultur, die man so freundlich aufgeklärtes Zeitalter nennt!
Aus Worten werden Taten! Kommt uns das nicht bekannt vor? Erst kürzlich noch gelesen!
      »Denkmal der Schande«, »Vogelschiss der Geschichte«, »wir werden sie jagen«, »in Anatolien entsorgen« – so sprechen Spitzenpolitiker in unserem Land. In beispielloser Weise haben diese Menschen in den vergangenen Jahren menschenfeindliches Gedankengut durch die Sprache in die Mitte unserer Gesellschaft getragen. Da kann sich niemand mit einem Beileids-Posting auf Facebook seiner eigenen Verantwortung entziehen!
        Wir alle tragen Verantwortung – nicht nur für das vielbeschworene Klima, sondern für das Miteinander in unserem Land. Kritisieren wir konstruktiv oder zeigen wir mit dem Finger auf andere?
Kommen wir wirklich ins Gespräch oder tauschen wir altbekannte Floskeln aus? Nehmen wir den anderen als Menschen wahr oder als Gegner und Feind?
Antworten wir auf den Hass mit Hass?
        Wie ist es denn in den Foren des Internets? Sind wir da nicht auch ratlos?
Ich jedenfalls habe oft keine Sprache, keine Worte dafür, denn in keiner Sprache unserer Erde finde ich eine Antwort auf den Hass in der Sprache …


©2021 by H.C.G.Lux

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Kommentare (4)

Manfred36


Das Englische wird z.B.in der Schlagerszene als „Weltsprache“ bezeichnet. Es ist eine offene und flexible Sprache und besser handhabbar als Andere. Deine Geschichte aus dem Pausenhof habe ich mit meinen Kindern und Enkeln nicht so erlebt. Allerdings gab es früher unüberbrückbare Feindschaften, die sich von Eltern auf Kinder übertrugen und mit unglaublichen Schikanen gespickt waren. Auch mutierten (entwürdigende) Schimpfnamen zu Namen. Haß war im gleichen Umfang vorhanden wie heute. Schlimm war nur, wie sich (ideologische) Gruppen dieses Ansatzes bemächtigt haben. Muss gar nicht in die Politik schauen, die uns im Dritten Reich total pervertiert hat. Schon auf den Fußballplätzen (die Ligen gab es noch nicht) kam der Moment, wo wir uns sagten „aber jetzt nichts wie ab“, anders als Fans und Hooligans heute. In der Masse gibt der Mensch oft leichtfertig einen Teil seiner Würde gegenüber dem Andern ab. Und ein wenig in diese Richtung reicht uns auch das Internet. Wir sind nicht schlechter geworden, auch nicht im Geiste der Aufklärung, wir unterliegen bloß höheren Anfechtungen.
 

Syrdal


Ja, diese „Assimilation“ von Begriffen aus anderen Kulturkreisen vollzieht sich ständig, wenn auch schleichend und oft zunächst kaum bemerkt. Ob es unserer in Jahrhunderten äußerst weise gewachsenen Sprache immer zuträglich ist, sei m.E. eher zu bezweifeln. Dem allgemeinen Verstehen dient vieles ganz bestimmt nicht. - Da muss die alte Oma, die ihr Dorf so gut wie nie verlassen hat, erst fragen, was „Lockdown“ heißt und bedeutet. Weshalb steht an manchen Türen „Push“ und über dem Fahrkartenschalter prangt groß „Servicepoint“... Aber wir merken das oftmals gar nicht mehr, dabei haben wir für all dieses trefflich schöne deutsche Begriffe!
Kleinstes Beispiel bietet hier auch die immer öfter zu hörende Verwendung von „an“ statt „zu“. Also: „Ich bin an Ostern bei meiner Schwester“ statt „Ich bin zu Ostern bei meiner Schwester“. – Oder auch: „An Ostern ist dieses oder jenes geschehen…“
Nun gut, das sind „nur“ die kleinen Einschleichungen… Du, lieber Pan, hast aber etliche drastische Begriffsbeispiele genannt und damit angeführt, dass Sprache auch schnell zur Waffe werden kann, dass sie Hass erzeugen kann… Ja, das ist leider in fataler Weise bekann, lässt sich aber nicht auf eine einzige politische oder ideologische Denk- und Handlungsrichtung reduzieren. Selbst Luther und Kant und Nitzsche und weitere hoch geehrte Geister haben sich zu ihrer Zeit gemäß damaliger „Denke“ der Sprache bedient und manche Aussage ist heute sehr zu hinterfragen. Leider aber geschieht das eben heute noch immer so, allerdings in weit dramatischerer Weise.
Lieber Pan, dies ist z.B auch der Grund, weshalb ich mich hier im ST nicht an den Foren beteilige. Bei einer ehrlichen Fragestellung wurde ich vor Jahren mit sehr dümmlich-unflätigen Anfeindungen bedacht. Also meide ich die Foren und damit auch solche Verbalausrutscher.
Ich denke, es kann ein jeder sehr wohl das Seine tun für einen höflichen Umgang miteinander in Würde und gegenseitiger Achtung…

...meint – mit Feiertagsgrüßen
Syrdal
 

JuergenS

Ich kann alledem zustimmen, für die Gegenwart, mehr Bewusstseinstiefe schaff ich nicht.

spontan fällt mir dazu ein, dass die Entstehung des "edlen" Adels von einem großen Dissens in der Gesellschaft begleitet war.
Ist nicht über Jahrhunderte durch Adel geehrt worden, wer besonders erfolgreich war in Bezug auf Erfolg über andere, auf nicht humane Art, sondern eher Gewalt.
Und ist das EDLE nicht erst später gefolgt, wodurch uns heute erscheint, als wären oft kulturell hochstehende Dinge von Anfang an von edlen Menschen getragen worden?
Wie gesagt, das sind nur meine spontanen ersten Gedanken dazu, ohne die vielen Entgleisungen der Gegenwart anders zu betrachten.

Servus, bin gespannt.😃

JuergenS

@JuergenS  

die Spannung ist nicht gewichen, ist das von mir Ergänzte nur ein Nebenthema?
Adel=edel, von Anfang an?


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