Traum des Südens - eine fantastische Erzählung


Traum des Südens


Gitarrenklänge am Hang
Hoch über Verbana
Premeno badet in der Sonne
Leises Fliegengesumm
Begleitet chorisch
Den Spieler aus Deutschland


Seine Lieder drangen mir wie im Traum durch Gehör- und Nasengänge und schlüpften auf meinem Atem reitend unter die Haut, wo ich sie spürte als den verführerischen Klang meiner Harfe, die mich wie mein vor vielen Jahren verstorbener Vater bat, nach Italien zu reisen, um den Segen der südlichen Sonne zu erbitten aus den Augen Rosinas; woraufhin ich mit dem Schatten meiner Träume die sich vor mir aufbäumende und widerstrebende Glut des Granits überquerte, über den sich das Leichentuch des Winters gebreitet, der aufbrach, um davonzueilen - dabei hielt ich mich streng an die Überlebens-Regeln, während mir das Silber der Gedanken die Augen verschlossen hielt, so, dass ich mich an den vom Himmel zur Erde gezogenen Kreidestrichen festzuhalten versuchte und es doch nicht vermochte - jemand sagte zu mir, ich solle Bernard Foulcault, der zur Zeit in Italien weile, falls ich ihm begegne, behilflich sein bei seinen Messungen zum Nachweis der Erdrotation; wo sich der Zufall mit mir anlegte, wegen des heftigen aber sinnlosen Disputs, den wir geführt hatten über die Entstehung des Menschen und der mir mit einer Teufelsfratze ins Gesicht grinste als ob ich nicht bei Sinnen wäre, so dass ich schleunigst weiterzog nach Osten, genauer gesagt, nach Pie-mont in die Provinz Verbania, wo sich bar fuß durch meine porösen Adern das Klirren der gläsernen Destillationsapparaturen zwang, worin einst mein Vater Schnaps brannte für seine Freunde aus dem Val Marino - und meine Stimme trat hinzu in sympathischer Gelassenheit und mit gepresstem Vogelgezwitscher, während ich mich auf die in Blüten erstarrte Insel Isola Bella tastete, die haltlos umherschwamm und sich dabei dreimal um die Erde drehte und einmal um die Sonne - wo mich berauschten die traurigen Trauben Rosinas, die plötzlich vor mir stand nackt und von berückender Schönheit - ihren Namen sah ich in der Sonne weinen, so ich einen winzigen Augenblick vergaß, was ich hatte denken und tun wollen - ich griff hastig nach ihrer Hüfte, die schmal und rund war, zog sie mit flehendem Blick an mich, aber meine Worte blieben bleiern auf den Lippen sitzen mit den Scherben des zersplitterten Mondes in Händen - woraufhin mich Rosina, die längst verstorben, fragte, was ich von ihr erwarte und ob ich die Tage, Monate und Jahre gezählt, seit ich unterwegs sei und ob ich vielleicht das Morgen mit dem Gestern vertauschte - da hörte ich das Lächeln ihrer Stimme aus Gold geformt, das mir ins Herz kroch als die Sonne den Zenit durchschritt und sich in den schroffen Mittag legte, zu der Zeit, in der Ginkgos auf Papyrusstauden, Lotosblumen und Magnolien ohrenbetäubend um die Wette kreischten und dem Gitarrenspieler die Melodien aus der Seele raubten, während im gesamten Veltin die kräftigen Roten Sassella, Grumello und Valgella aus den Weinbergen flohen und sich über die Hangterrassen bis Tirana ergossen –
oh du üppig blühende Isola Bella mit deinem Palazzo Borromeo, dunkel deine Salons im Freien liegen an deren Fenster die Lügen der Wanderer kleben und in die sich die Sonne gesetzt zum Ausruhen, dein Name schmilzt über Stresas Rebenfelder wie Honig über meine Hände rinnt – ich werde gestern am Ziel sein und in einem Jahr wiederkehren, dachte ich - und mein Schatten wird seine geheimen Gedanken den Markthändlern für zehn Euro das Stück aufschwätzen und ich kostete von Rosinas Liebestrank, den ihr die Sonne am Mittag geschenkt und ich hörte den Trunk zu mir sagen, ich bin nicht Traum, ich bin der Wein aus den Trauben ihrer Augen, den zu besorgen deine Harfe und dein toter Vater dir aufgetragen - doch die schöne Frau unter der Sonne des Südens war immer noch tot und ich erinnerte mich schon nicht mehr, ihr begegnet zu sein - dann konnte ich die Tausend Feuer nicht mehr auf meiner Zunge löschen und sah die Sonne sich wie der Liebe kristallisierter Zucker im Lago Maggiore auflösen, dessen Name aufgezwieselt und in unhählige Partikel an den Rebstöcken hingen unter der gleißenden Sommersonne - indessen der Gitarrenspieler aus Deutschland weitergezogen und die Erfüllung meines Auftrages unmöglich geworden war;
plötzlich hörte ich in der Ferne die Todeslieder meiner Harfe verklingen, deren Saiten aus ihren Befestigungen gesprengt mir meine Glieder vom Leibe trennten, eines nach dem anderen, hörte dass verstummt war das Geplärre der Magnolien und Orchideen, sah das Drachenblut aus den Granatäpfeln auf den Boden tropfen und ich schrie in großer Verzweiflung: - wann wird dieser Traum endlich aufhören?







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Kommentare (2)

minu Liebe "harfe", ich weiss nicht ob ich so dumm bin, oder ob Du einfach ein Wortkünstler bist und ich verstehe nichts davon.Ich mag einfache die einfachen Dinge, nicht so komplizierte. Alles Schöne ist einfach und alles Einfache ist schön.Du hast wunderschöne Sachen geschrieben, dafür danke ich Dir. Deine Bilder sind wunderschön.
Nicht böse sein, es ist keine Kritik. Herzliche , liebe Grüsse Emy
floravonbistram deinen traum jetzt mehrmals gelesen, staunend die widerstreitenden gefühle bannend, wollte nur verstehen, denn wenn ich so träume, fehlen mir mitunter die worte dafür.
den wirrwarr der sich überlappenden ereignisse sehen, die ineinandergreifend doch so viele varianten erkennen lassen, das werde ich bei jedem lesen mehr. danke und gruß flora

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