W I R
ER
Nachhause kommen wie immer. Ich schließe die Wohnungstür auf, sehe, dass sie noch beschäftigt ist. Ein knapper Gruß, sie arbeitet weiter. Sie könnte ja wenigstens fragen wie mein Tag war, na gut, dann nicht. Müde und frustriert gehe ich in mein Zimmer.
Jeden Tag das Gleiche, das Leben fliegt nur so dahin. Manchmal tauschen wir Worte aus, Informationen, wann wer was zu erledigen hat. Was soll das alles noch?

Dabei haben wir so viele Höhen und Tiefen gemeinsam erlebt, überwunden, richtig schöne Zeiten gehabt. Sie hat hauptsächlich unsere Kinder groß gezogen, hat das häusliche Leben geregelt, mir den Rücken freigehalten, damit ich mich auf meinen Beruf konzentrieren konnte, war selbst berufstätig, hat große Hilfsdienste in ihrer Herkunftsfamilie geleistet, war mir Jahrzehnte lang treu und loyal. Allerdings hat sie bei ihrem Spagat zwischen all ihren Pflichten zu wenig Zeit für mich gehabt, das hätte ich mir schon anders gewünscht. 

SIE
Ich höre wie er die Wohnungstür aufschließt. Endlich ist er hier. Warum kommt er nicht, nimmt mich in den Arm, fragt, wie es mir geht.....dann eben nicht. Ich kenne das seit langem, ein kurzes Hallo und schon ist er in seinem Zimmer verschwunden. Nur jetzt nicht zeigen, wie sehr mich dieses Verhalten verletzt, bringt sowieso nichts mehr.
Unser Leben ist kurz, es vergeht so schnell, soll das denn alles gewesen sein, Einsamkeit zu zweit, Missverständnisse, streiten um Nebensächlichkeiten? Es muss doch noch etwas Anderes geben.
Zu Beginn unserer Beziehung hatte ich es mir so fest vorgenommen, mich nicht vom Alltag unterkriegen zu lassen, genau aufzupassen, dass wir uns nicht verlieren, achtsam und liebevoll mit uns umzugehen. Der Alltag hat mich/uns doch eingeholt....

Obwohl.....schön ist es, er kocht jeden Morgen Kaffee für mich. Wenn ich mal ganz früh einen Termin habe, steht er mit auf, und wenn ich aus dem Bad komme, ist der Frühstückstisch gedeckt. Ich lächele, denn wenn ein neues Marmeladenglas auf dem Tisch steht, ist der Deckel immer schon aufgedreht, seit Jahrzehnten, weil es mir schwerfällt, ihn zu öffnen. Ich muss schlucken.....wenn ich im Winter friere, legt er mir eine Wärmflasche ins Bett, und wenn er einkaufen geht und sieht etwas, von dem er weiß, dass ich es mag, bringt er es mir mit, auch Blumen......und er putzt immer mein Fahrrad mit ...und...und....jetzt weine ich.

ER
Ich setze mich an meinen Schreibtisch, schaue aus dem Fenster, weiß, ich liebe diese Frau! Und wenn wir doch noch eine Chance hätten?

SIE
Ich kann mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, muss immer an ihn denken, denn eigentlich ist er es den ich will! Ob wir nicht doch noch einmal neu beginnen könnten und uns umeinander bemühen, so wie wir es früher taten?
Vielleicht könnten wir es schaffen.....ZUSAMMEN......

W I R

Sommerzauber/She2021
Aus meinen "Kleinen Geschichten"
Bei dieser habe ich mich von Reinhard Mey ein wenig inspirieren lassen.
Bild/Netzfund

 

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Kommentare (14)

Willi P

😪Die Einsamkeit zu zweit, viele kennen es, Du hast es beschrieben.

Keiner will anfangen zu reden, man lebt, ist ein gutes Team.

Aber will man mal nicht in den Arm genommen werden, berührt werden.

Es fehlt........

Danke für diesen Eintrag.

Sommerzauber

@Willi P  
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, lieber Willi, als danke fürs Lesen und Kommentieren..... Gruß.. Katharina 😊

Christine62laechel


Ich glaube, liebe Sommerzauber, dass es Beziehungen gibt, denen einfach nichts mehr hilft. Solange das Eine oder das Andere etwas unternehmen will, eine Idee hat, kann auch die andere Person von den Gedanken über den trüben Alltag abgelenkt werden. Wenn es aber Beide nicht (mehr) können, oder es nicht wollen, wird nichts daraus. Erwachsene Leute, müssten also keine Separationsangst verspüren. Eventuell Freunde bleiben, wenn's noch geht...

Mit Grüßen
Christine

Sommerzauber

@Christine62laechel  

Liebe Christine,
manchmal ist es tatsächlich besser, wenn die Beziehung beendet wird, bevor beide Partner unglücklich werden. 
Und.., auch damit hast du Recht, es müssen beide wollen, dass die Partnerschaft fortgesetzt wird. 
Wir Menschen, wir komplizierten Wesen......😉
Gruß
Katharina

Seija

So sieht der Alltag in vielen langjährigen Ehen aus. Es ist alles so selbstverständlich geworden.
Gut, wenn man es gemeinsam wieder schafft Nähe und Glück zu empfinden. Den Alltag neu gestalten.
Seija

Sommerzauber

@Seija  
Wenn man das zusammen schafft, ist es wunderbar!
Voraussetzung dazu ist allerdings, dass es beide wollen, beide an einem Strang ziehen.
Gemeinsam ist es besser....!😊

Katharina

werderanerin

Ja...genauso kann es sein und ist ganz sicher keine Seltenheit. Ich denke oft, dass Paare sich schon noch "lieben", sich brauchen, man hat nur verlernt, seinen Partner weiterhin die Aufmerksamkeit zu zeigen, die einen zusammengeführt hatte. Man hat sich aneinander "gewöhnt", was soviel heißt wie, da ist kein Feuer mehr.

Wo ist das alles hin aber vor allem warum...? Machte der Alltag die Liebe letztlich kaputt?

Warum kann man die Bedürfnisse, den Frust nicht dem anderen sagen, warum scheuen sich so viele davor...? Man hat wohl Angst, dass dann alles kaputt geht.

Ein endloses Thema und das "Auseinanderleben" das sooft "zelebriert wird, heißt ganz einfach, dass man unterschiedliche Wege eingeschlagen hat.
Deshalb muss eine Beziehung nicht zu Ende sein, man muss sich nur wieder daran erinnern, WAS einen "damals" an dem anderen so gefallen hat.

Leicht ist garnichts, aber manchmal ist es schwer, wieder zueinander zu finden...ob es sich lohnt, zu kämpfen, muss wohl jeder für sich entscheiden.

Kristine

Sommerzauber

@werderanerin  

"Wo ist das alles hin, aber vor allem warum.......?."

Zum einen verändern sich unsere Gefühle ständig, hat ja vermutlich schon jeder erlebt, wie aus V e r liebtheit Liebe wird usw., aber der Alltag, der oft viel Energie kostet, ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Ist man erschöpft (und in jüngeren Jahren ist man das ja oft durch eine Fülle von Aufgaben), regeneriert man vielleicht lieber, tankt ein bisschen auf statt "Partnerschaftspflege" zu betreiben. Leider.....

Zum anderen entwickeln sich Paare oft unterschiedlich weiter. Vor allen Dingen besonders stark, glaube ich, wenn man sich schon in jungen Jahren kennenlernt. Da ist es dann ganz wichtig im Gespräch zu bleiben. Macht man es nicht, driftet man zu leicht auseinander......

Nein, liebe Kristine, einfach ist es wirklich nicht. Und.....man ist ja nie fertig......, gibt immer was zu tun...😉.

Katharina

 

indeed

@werderanerin  

Liebe Kristine,

mir gefällt dein Kommentar sehr gut. Vielleicht könnte man noch hinzufügen, dass man sich zusammensetzt und jeder für sich einmal aufschreibt, was gut ist, was verloren gegangen ist, was man früher besonders aneinander geliebt hat und jetzt vermisst.

Das Resultat hieraus bei einem gemütlich und mit liebe gedeckten Tisch besprechen und leise Musik im Hintergrund, die von beiden geliebt wird/wurde.

Wäre doch ein Versuch wert?

Ganz liebe Grüße zu dir von mir

Ingrid

werderanerin

Eine wunderbare Ergänzung,  liebe Ingrid, aber ich fürchte, dass Beziehungen leider oftmals über die Jahre so "marode" geworden sind, dass selbst ein schön gedeckter Tisch nicht mehr helfen kann.
Man könnte "einfach" gehen...aber selbst das können viele auch nicht, die Abhängigkeit ist zu groß...

Ja...

Liebe Grüße 

Kristine 

indeed

@werderanerin  


Liebe Kristine,

natürlich kann ein schön gedeckter Tisch nicht helfen, wohl aber zu einem gewissen Wohlgefühl und einer gute Atmosphäre beitragen. Wenn etwas Wichtiges zwischen Tür und Angel zu besprechen ist, kann selten etwas Gutes dabei heraus kommen. 
Ich habe aus dem Kontext von Katherina gelesen, dass eigentlich beide wollen. Was mir viel effektiver erscheint, wenn man sich bei gutem Willen miteinander so austauscht, dass beide Sichtweisen für einander klar werden. Es macht nicht nur einer Fehler, meistens jedenfalls.

Es ging mir in meinem Text einfach darum, dass sich die beiden Parteien darüber ohne Streit und ohne Hetze oder Vorwürfe ihre Sichtweisen und Gefühle miteinander darlegen. Nur dann können sie feststellen, ob es überhaupt eine Zukunft hat oder nicht.

Es stimmt natürlich, dass der Alltag einen großen Einfluss auf alle Menschen hat. 

Ich wünsche dir einen schönen Donnerstag. Sei lieb gegrüßt aus dem Ostfriesland.

Ingrid

 

Sommerzauber

@indeed  
Liebe Ingrid,
wenn ich mich kurz einklinken darf....
Ich schließe mich deiner Sichtweise an, dass nicht nur ein Partner an einer nicht funktionierenden Gemeinschaft "schuld" ist. Von Schuld kann man m.E. sowieso nicht reden, es ist ein Zusammenspiel von beiden, das mal mehr mal weniger gut gelingt.
Bei den Beiden in meiner Geschichte vermute ich, dass dein schöner und konstruktiver Vorschlag, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, helfen könnte, ein gutes Gespräch zu führen. Wie es ausgeht......?

Liebe Kristine,
das sehe ich auch so, dass eine "marode" Beziehung dadurch natürlich nicht zu kitten ist. Aber vielleicht könnte es helfen, ein vernünftiges Gespräch zu haben und u.U. einen würdigen Abschluss zu finden.
Das waren so spontan meine Gedanken dazu...
Herzliche Grüße an euch beide....
Katharina

indeed

@Sommerzauber  

Liebe Katharine,

ein Dankeschön an dich. Es gibt so viele Facetten des Zusammenlebens und nicht jede kann ausarbeiten.
Ich habe mich auf deinen Kontext eingelassen und mich entsprechend eingebracht. Die Realität in der Ehe ist natürlich, wie wir alle wissen, sehr viel vielfältiger und darüber kann und würde ich mich nicht einbringen wollen. 

Deine Geschichte jedoch erklärt  sich mir, wie etwas auseinander driften kann und gar nicht mal, weil man einander "müde" ist, sondern der Alltag viel ausmachen kann mit seinen Anforderungen. Das könnte bei gegenseitigem Erkennen reparierbar sein mit gutem Willen.

Ganz liebe Grüße von mir zu dir und wünsche dir noch einen angenehmen und effektiven Donnerstag.

Ingrid

werderanerin

Ja, liebe Ingrid, wohl ein weites "Feld" und dabei kommt es eben auch immer auf die Beteiligten an...und den Willen, auch Kompromisse einzugehen.

Liebe Grüße aus dem Brandenburgischen zu dir, hoch in den 
schönen Norden

Kristine


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