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Aktuelle Themen Drei müstische Todesfelle I

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von EmilWachkopp
Ich weiß gar nicht, wie ich diese Geschichte erzählen soll. Sie ist rätselhaft wie die Rede eines Politikers, dubios wie ein St. Pauli-Kellner, undurchsichtig wie verbrodelte Linsensuppe, und es erfordert einen Verstand, scharf wie ein neugeschliffenes Rasiermesser, um Licht in das scheinbar undurchdringliche Dunkel zu bringen.
Wenn es sich wenigsten noch um einen Kriminalfall gehandelt hätte! Aber nein! Es waren gar der mystischen Todesfelle dreie! Und diese waren auch noch dermaßen ineinander verwoben, dass man sie gar nicht richtig auseinanderhalten konnte. Wie soll man solch komplizierte Geschichte bloß strukturieren? Und wo fängt man an?
Jetzt darf ich allerdings nicht schon wieder den Fehler machen, die Geschichte aus meiner Perspektive zu berichten. Sie muss aus der Perspektive meines Bruders erzählt werden. Wenn nümlich nicht, könnte ja der falsche Eindruck entstehen, nicht mein Bruder, der Dorfkommissar, sondern ich, Emil, hätte diese Felle um ein Haar gelöst. Nein, in die Beziehung ist Emil eisern: Zuviel der falschen Ehre ist ungesund. Für'n Kopp.
Ich wähle einfach mal - ganz willkürlich - als Anfang der Geschichte den Tag, da der neunte Mann der alten Witwe Bolte in grotesker Weise aus dem Leben geschieden ist. Er soll sich - laut protokollierter Aussage der Witwe Bolte - beim Holzhacken den Hinterkopf mit der Axt zertrümmert haben. Für meinen gerade zum Dorfkommissar ernannten Bruder war der Fall sofort klar wie Klosterbrühe: »Unfall im Zustand geistiger Umnachtung«, hämmerte er mit der Schreibmaschine ins Protokoll. Und erklärend fügte er hinzu: »Wenn jemand so dämlich ist, mit die Axt so gewaltsam auszuholen und sie denn auch noch verkehrt herum zu halten ... Das kann ja auch nicht lange gut gehen.« Dieser Kommentar animierte die Witwe Bolte, auch noch ihren Senf dazuzugeben: »Ja, ach Jott, ach Jott! Ich saach it ja immer: Diese Mannsen! Zu jar nichts sind's zu jebroochen. Schlaachen sich jlatt den Schädel zu Schand, wo's doch bloß mechten hacken ein bisserls Hölzchen.«
»Ja, ja, ist ja gut«, brummte mein chronisch gestresster Bruder. »Aber jetzt jammern Sie sich mal schön woanders aus, Frau Bolte. Ich habe einen wichtigen Fall zu lösen.« »Janz wie Herr Kommissar it winschen. Denn jeh ich eben rieber zum Herrn Pastor.«
Ich wusste natürlich sofort, auf welchen Fall mein Bruder anspielte. Es hatte sich nümlich in unserem Dorf ein etwas ungewöhnlicher Verkehrsunfall ereignet, der ihm Kopfschmerzen bereitete. Beide Traktoren kamen von Links. »Und jetzt ist die Frage«, dozierte mein Bruder im Stile eines Schulmeisters, »wer von die Beiden die wenigste Vorfahrt hatte und darum für den Schaden am anderen Traktor aufzukommen hat.« »Hm, hm«, sinnierte ich mit zusammengekniffenen Augen. »Ich habe diesen Fall mit dem Rechtsontologen Hubert Krach diskutiert. Er dreht die Sachlage um. D.h. anstatt zwischen keiner und noch weniger Vorfahrt zu unterscheiden, unterscheidet er zwischen gesetzlicher und ungesetzlicher Vorfahrt.« »Was soll denn das schon wieder bedeuten?« »Ungesetzliche Vorfahrt bedeutet, dass ein Fahrzeug zwar von Rechts kommt, sich dem Unfallort aber von einem Punkt aus nähert, den ketten- oder radgetriebene Fahrzeuge gar nicht befahren dürfen.« »Und wie soll ich das verstehen?« Stell Dir vor, es wird ein Auto von einem Flugzeug aus mitten über einer Kreuzung abgeworfen. Dieses Auto fällt auf ein anderes Auto und drückt es platt. Wenn jetzt aber das abgeworfene Auto eine Position einnimmt, als wäre es von Rechts gekommen, hat es zwar Vorfahrt. Aber nur die ungesetzliche Vorfahrt, weil nümlich der Luftraum von ketten- und radgetriebenen Fahrzeugen gar nicht befahren werden darf. Also hat das platte Auto die gesetzliche Vorfahrt.«
»WACHKOPP, DU ZEHNFACH VERMALEDEITELTES IDIOTENGESTELL!!!« brüllte mein Bruder. »Mach mir den Fall mit Deinem Gequatsche nicht noch komplizierter!« Wütend knallte er den Ordner zu und motzte: »Soll sich doch das Gericht mit dem Scheißdreck abärgern. Denn hab ich wenigstens meine Ruhe.«
Als er seine aufgewühlten Gefühle wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, brummte er: »Emil, wir werden nicht umhinkommen, einen Blick auf die Leiche zu werfen. Wenigstens der Form halber.« Darauf warf er mir die Schlüssel seines Polizeiautos zu und befahl: »Du fährst!« »Mit Tatü-Tata?« »Nein, ohne Tatü-Tata.« »Denn fahr ich nicht«, bockte ich. »Mit Dir bin ich heut aber auch mal wieder geschlagen. Na gut, denn eben mit Tatü-Tata. Aber daddel nicht wieder alles am Unfallort an!«
Bei der Witwe Bolte erwartete uns eine Riesenüberraschung. »Ich jloov ich hör nicht rechtens, Herr Kommissar«, jammert die Alte. »Den seligen Franz mechtens sehen. Aber den jibt it doch jar nicht mehr.«
»WAS MEINEN SIE DAMIT: DEN GIBT ES NICHT MEHR?!?!?!« brüllte mein Bruder.
»Na, ich hab ihm doch missen verbrennen, Herr Kommissar.« Und sie jammerte: »Ich arme Witwe kann doch nicht immerzu loofen ins Städtchen und koofen die jroßen, teuren Särge für meine Mannsen. Jott sei ihnen jnädig.«
»DAS IST LEICHENSCHÄNDUNG!!!!« grölte mein Bruder, der jetzt außer sich vor Wut war. Wie ein wildgewordener Stier raste er auf das unschuldige Polizeiauto los und versetzte ihm an die 10-12 wuchtige Tritte in die Seite. Sodann flenzte er sich in den Wagen, ballerte die Tür zu und raste los wie von der Tarantel gestochen. Mich hatte er ganz vergessen.
Na, ich hatte jetzt immer etwas Angst, dass die alte Witwe Bolte mir wieder die Tür einrennen würde, weil ich ihr ... Ihr neunter Mann ging ja nicht mehr, aber ihr zehnter werden sollte. Die konnte den Rachen doch nicht voll kriegen. Aber mal ganz ins Vertrauen gesagt: Ich bin immer büschen misstrauisch Frauen gegenüber, denen alle Männer eingehen. Die lernen ihre Männer nicht richtig an, sag ich mir immer. Das ist der Fehler. Nümm zun Beispiel den achten Mann von die Witwe Bolte, den alten Friedrich Brösel, dessen Hof die Bolte geerbt hat. Der ist in die Badewanne abgesoffen. Aber wie. Kopf und Oberkörper waren unter Wasser und der Rest noch gar nicht in der Wanne. Na, ich bin nicht einer von die Sorte, die anderen Menschen vorschreiben will, wie sie ihre private Badewanne zu betreten haben. Aber jemand, der büschen Grips in Gehirnkasten hat, steigt doch nicht mit den Dassel vorweg ein! Na, ich sag nichts mehr.
»Tod durch Ertrinken im Zustand geistiger Umnachtung«, hämmerte mein Bruder ins Protokoll, heftete es in den Ordner für erledigte Felle und stellte diesen ins Regal. Den Jammerkommentar der Witwe Bolte nahm er allerdings nicht zu Protokoll. »Wie oft hab ich it dem Lorbaß nicht jesagt. Sogar mit dem jroßen Knippel hab ich it ihm einjehämmert: ,Breselchen, mit de Fieße zuerst jeht man in die Badewanne.«

Fortsetzung folgt.
luchs35
luchs35
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Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von luchs35
als Antwort auf EmilWachkopp vom 23.03.2012, 02:57:55
Ach, EmilWachkopp, auch wenn noch eine Fortsetzung angekündigt ist - ich amüsiere mich schon jetzt königlich und hoffe, dass du nicht der 1o. Beglückte der Witwe Bolte wirst.

Luchs
EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf luchs35 vom 23.03.2012, 15:07:29
Nein Luchs, dagegen wehre ich mir doch mit Händen und Füßen. Aber der zehnte Mann? Den hatte sie schon, glaub ich. Aber der ist inzwischen auch dahin. Der ist die Treppe runter. Ein Unfall.

Viele Grüße,
Emil

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Gillian
Gillian
Mitglied

Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von Gillian
als Antwort auf EmilWachkopp vom 24.03.2012, 00:40:17
Du weißt, lieber Emil, dass ich beim Lesen ungern 3x scrolle, aber ich hab mich durch deine Geschichte mit Vergnügen durchgebissen!
Ich stellte mir alles bildlich vor und kam auf den Gedanken, dass es gut wäre, wenn sie mal verfilmt würde!
Bei manchen Fernsehkrimi´s heutzutage weiß ich oft am Ende nicht, wer denn nun der Täter war, und bei deiner Geschichte ahne ich es zumindest ...
Kommt im zweiten Teil die Aufklärung?
Ich bin schon gespannt!
G.
Shenaya
Shenaya
Mitglied

Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von Shenaya
als Antwort auf Gillian vom 24.03.2012, 11:08:08
Mit allen spitzfindigen Beiläufigkeiten überholen die müstischen Felle ja fast "Arsen und Spitzenhäubchen".

Freu' mich auf die Fortsetzung.

Shenaya
Gillian
Gillian
Mitglied

Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von Gillian
als Antwort auf Shenaya vom 24.03.2012, 12:09:52
Mit allen spitzfindigen Beiläufigkeiten überholen die müstischen Felle ja fast "Arsen und Spitzenhäubchen".

Freu' mich auf die Fortsetzung.

Shenaya


Deshalb rufe ich Emil zu: Warum lässt du uns so lange zappeln? Hat sich dein Bruder einen Urlaub im fernen Australien geleistet?? Hol ihn sofort zurück, er hat hier erst seine müstischen Todesfelle aufzuklären!!
Uns so im Regen stehen zu lassen ... tz tz tz
G.
Karl
Karl
Administrator

Re: Drei müstische Todesfelle I
geschrieben von Karl
als Antwort auf Gillian vom 01.04.2012, 16:25:23

Hier ist die Fortsetzung von Emil, Karl

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