Aktuelle Themen Verschickungskinder und sogenannte Ferienheime
Da sind alles furchtbare Berichte, ich habe auch einiges darüber gehört und gelesen. Aber ich muss wohl viel Glück gehabt haben, mir ging es wie Monja, ich war gern in so einem Haus.
Ich wurde damals nach Königsfeld im Schwarzwald in ein Erholungsheim der Herrnhuter Brüdergemeine geschickt, ein sehr pietistischer Verein, der hier auch schon heftig kritisiert wurde. Und daran habe ich außer an den Lebertran nur gute Erinnerungen. Meine schönste Erinnerung war eine Fahrt mit dem Pferdeschlitten im dicken Schnee durch den Wald. Ich kann mich nur noch an diese eine Begebenheit erinnern, weil sie so eindrücklich für mich war, alles andere habe ich weitgehend vergessen. Aber ich weiß noch, wie ich begeistert nach Hause schrieb, dass die Pferde Glöckchen am Hals hatten, die während der Fahrt bimmelten und dass ich die Fahrt durch den Schnee in der Kutsche so toll fand. Dann erinnere ich mich an eine große Terrasse, wo viele Mädchen und Jungen nebeneinander lagen, um ihre Liegekur zu machen, davon wurde ich verschont. Später habe ich daran gedacht, als ich den „Zauberberg“ von Thomas Mann und seine Beschreibungen der Lungenkranken mit ihren Liegekuren las.
Und an eins erinnere ich mich auch noch komischerweise genau: Als ich nach Hause kam, sah ich, dass meine Eltern während meines aufgeregten Berichts zwischendurch grinsten und sich so komisch anguckten. Und dann stellte ich fest, der Grund war, dass ich plötzlich von den „Buben“ statt von den Jungens sprach. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich mir in diesen langen Wochen den Schwarzwälder Dialekt ein bisschen angewöhnt hatte.
Na ja, ich kann nur sagen: Gut, dass ich nie in meinem Leben solche Grausamkeiten erfahren musste, wie oben geschildert. Eigentlich hatte ich immer großes Glück, wenn ich so über alles nachdenke.
Liebe Monja,Ist OK :-)
ich hatte dich auch nicht ansprechen wollen wegen verallgemeinern, ich meinte es allgemein.
Sorry.
Gruß
Benny
Monja.
Ich war mehrfach in Kindererholungsheimen, habe mich wohlgefühlt und wollte meist gar nicht wieder nachhause.
Allerdings hätten meine Eltern mich niemals in ein konfessionelles Haus gelassen und so waren es wohl immer Häuser der Arbeiterwohlfahrt, die nach dem Krieg neu aufgebaut wurde.
Nicht auszudenken, wenn ich nach den traumatischen Erlebnissen des Krieges auch noch derartige Grausamkeiten hätte erfahren müssen.
Pippa
Bis ich eben diesen thread las war ich der Meinung eine wundervolle Zeit, ich glaube es waren 6 Wochen in der Ferienzeit, in einem Kindererholungsheim verbracht zu haben.
Das Heim lag am Königssee. Nahe des Hauses gab es einen kleinen Bach an dem man wunderbar spielen konnte. Es gab 2 Ponys, deren Namen war Frigga und Freya, auf denen durfte man reiten. Auch wurden die Ponys vor eine Kutsche gespannt und man durfte mitfahren. Den gesamten Tag hatte man Spielgefährten um sich, im Haus und ausser Haus. Es gab Elektozäune an die wir pinkelten um einen „Schlag“ zu bekommen, bei mir hat das nicht funktioniert und ich war froh darüber.
Warum man auf die Idee kam mich dort hin zu schicken weiß ich nicht. Noch in der späten Kindheit war ich in der Klasse immer der Kleinste. Vielleicht lag es an meiner unterentwickelten Größe, die erst sehr später zu 1,82 Meter wurde.
Meine Eltern hätten mich niemals weggeschickt wenn ich es nicht gewollt hätte. Im Gegenteil, ich hatte zu diese Reise mehrere Monate Vorfreude.
Als einzige kleine Unannehmlichkeit empfand ich die Mittagsruhepause, da musste man auf dem Bett liegen und still sein, durfte aber lesen. Von Woche zu Woche stieg auch das Heimweh.
Es ist traurig, dass Kinder ihren Aufenthalt in Kindererholungsheimen anders erfahren mussten. Durch den Austausch Betroffener kann der grundsätzliche Vorwurf gegen diese Heime vielleicht etwas relativiert werden. Mag sein, dass es „nur“ eine begrenzte Zahl an Heimen gab denen unmenschliches Handeln vorgeworfen werden muss.
Ciao
Hobbyradler
Genau so ist es! Und genau deshalb bin ich der Meinung, dass keinen Sinn mehr macht, das Thema "aufzuarbeiten". Die Betroffenen, die diese Erinnerungen begraben haben, werden jetzt erneut aufgewühlt. Das bringt ihnen rein gar nichts. Diejenigen, die diese Erlebnisse nie verwunden haben, werden, und das wird jeder Psychologe bestätigen, nicht mehr fähig sein, diese Erinnerungen "aufzuarbeiten". Dafür ist es einfach zu spät. Zum Vergleich kenne ich einen Mann, der in der Kindheit von einem Priester missbraucht wurde. Daran ist er krank geworden, und ihm könnte mit einem einjährigen Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik nicht mehr geholfen werden. Ich bin der Meinung, dass es Dinge in der Geschichte gibt, die irreparabel sind. Das ist einfach so.......
P.S. Ich war auch mal in so einem Ferienheim und wurde dort gezwungen, Brotsuppe zu essen, obwohl ich schon gewürgt habe. Ich habe der Frau, die mir das "angetan" hat, längst verziehen, weil ich ihre damalige Situation verstanden habe.
Mag sein, dass es „nur“ eine begrenzte Zahl an Heimen gab denen unmenschliches Handeln vorgeworfen werden muss.Jedes einzelne Heim ist eins zuviel! Es sind bis jetzt schon 42 ...
Und @ingo* hat recht, es ist zu spät zur Aufarbeitung.
VG - Via
Mein Vater hatte Glück, als er aus der einjährigen Gefangenschaft (in Frankreich, Paris) nach Hause kam, hatte er eine Anstellung bei der Straßenbahn in FfM bekommen.
Der Arbeitgeber, öffentlicher Dienst, kümmerte sich um ihre Arbeitnehmer und bot in regelmäßigen Abständen an, die Kinder in Erholungsheime verschicken zu dürfen.
Die Zuzahlung richtete sich nach dem Einkommen und der Kinderanzahl in der Familie.
So konnte es sich jede Familie auch leisten.
Wir freuten uns darauf und fühlten uns wohl dort.
So kamen wir auch einmal aus der gewohnten Umgebung heraus und sahen und erlebten etwas anderes.
Vereist ist man damals ja nicht, dazu fehlte das Geld.
Monja.
Lieber @ingo*,ingo*
"Genau so ist es! Und genau deshalb bin ich der Meinung, dass keinen Sinn mehr macht, das Thema "aufzuarbeiten". Die Betroffenen, die diese Erinnerungen begraben haben, werden jetzt erneut aufgewühlt. Das bringt ihnen rein gar nichts."
die Aufarbeitung für die Betroffenen ist sehr wichtig. Nur so können sie ihre Traumata überwinden.
Aber, unabhängig davon: Wenn wir die Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht aufarbeiten, wie können wir dann deren Wiederholung je vermeiden?
Karl
Mag sein, dass es „nur“ eine begrenzte Zahl an Heimen gab denen unmenschliches Handeln vorgeworfen werden muss.Jedes einzelne Heim ist eins zuviel! Es sind bis jetzt schon 42 ...
Das ist natürlich richtig.
Es ist aber ebenso ungerecht alle Kindererholungsheime unter Anklage zu stellen.
Das kann nur Sache jedes einzelnen Betroffenen sein. Vielleicht geht es ihm schon besser, wenn man ihm heute glaubt. Wer darf sich das Recht nehmen Betroffene zu bevormunden?Und @ingo* hat recht, es ist zu spät zur Aufarbeitung.
geschrieben von Via
Ciao
Hobbyradler
Diesen Bericht habe ich auch gesehen.
Ich war mehrere Male im Schwarzwald. Das Schönste waren für das Stadtkind aus den Ruinen wohl die Spaziergänge im Wald. Erinnerungen an diese Zeit habe ich nicht viele. Ich suche menschlich Positives - finde jedoch kaum etwas. Ja doch, es gab auch 'liebe' Schwestern und Tanten - aber es gab auch die anderen.
Leider trifft es tatsächlich zu, dass man Kinder zwang ihr Erbrochenes zu essen, immer und immer wieder, während wir anderen dabei zusehen mussten.
Heimweh hatte ich immer und ich habe diese Verschickungen nie positiv empfunden. Ob ich jemals meinen Eltern solche negativen Erlebnisse erzählt habe, weiss ich nicht mehr.
Ich finde es mehr als gut, dass dieser Bericht gezeigt wurde. Das können nur diejenigen beurteilen, welche dabei waren. Ich bin sogar sehr dankbar für diese Ausstrahlung.