Forum Politik und Gesellschaft andere gesellschaftliche Themen Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?

andere gesellschaftliche Themen Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?

Mitglied_162e28b
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Mitglied

Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Mir ist in den letzten Jahren immer stärker aufgefallen, dass ich zunehmend misstrauisch werde.
Ich habe diese Erscheinung nicht intensiv hinterfragt, sondern dem Älterwerden und der wachsenden Anzahl an (negativen) Erfahrungen zugeordnet.

Nun bin ich bei meiner Morgenlektüre über diesen Artikel gestolpert:

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_91685502/gesellschaft-in-der-krise-gefuehlt-luegt-einen-jeder-an.html

Der Autor des Artikels spricht mir aus der Seele.
Wie geht es euch?
Empfindet ihr ähnlich?

olga64
olga64
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.02.2022, 10:19:47

Ich betrachte mich schon lebenslang als Inhaberin eines sog. gesunden Misstrauens. Das bedeutet, dass ich nicht jedem misstraue, der mir begegnet, auch nicht Fremden.
Aber ich bin nie sehr zutraulich oder naiv gutgläubig gewesen, weil mir schon lange bekannt ist, dass in allen Menschen Gut und Böse angelegt sind und bei einigen das Böse mehr rauskommt als das Gute. Und natürlich kalkuliere ich bei jedem (auch teilweise bei mir selbst) automatisch mit ein, dass Menschen neidisch, gierig usw. sind und gerne mit wenig Kraftanstrengung mehr bekommen wollen als sie haben oder erwarten können.
Was ich bei mir ausschliessen möchte, ist, dass ich Opfer von Enkelbetrügern werden könnte (u.a. weil ich keine Enkel habe) oder falschen Polizisten meine Wertgegenstände plus Kapital aushändigen würde. Da würde ich vermutlich lieber den Weg gehen, die richtige Polizei zu informieren und mich auch als Lockvogel zur Verfügung stelllen, natürlich nur, wenn sie in meiner unmittelbaren Nähe wäre.
Auch irgendwelche Scammer (Betrüger, die mir die grosse Liebe vorgaukeln, aber an mein Geld wollen) hätten bei mir keine Chance, da ich eine innere Sperre hätte, mich in jemanden zu verlieben, den ich nur virtuell mit falschem Foto zu kennen glaube.
Also mein Fazit: 100% Vertrauen wäre zu viel - aber abgestuft entsprechend, jederzeit. Olga

Mitglied_162e28b
Mitglied_162e28b
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Mal abgesehen vom individuellen Vertrauen, das man in seinen Nächsten hat oder auch nicht,
im verlinkten Artikel geht es insbesondere darum, dass der Mensch als Mitglied eines Gemeinwesens immer mehr sein Vertrauen in die verliert, die er im Vertrauen (!) auf ihre Expertise und Verlässlichkeit in eine bestimmte Position gewählt hat.

In meinen jungen Jahren waren die klassischen Vertrauenspersonen der Geistliche, der Lehrer, der Arzt, der Apotheker und einige mehr. (Die Politiker hatten, soweit ich mich erinnere, nie die die Spitzenpositionen in dieser Hinsicht.)
Was ist davon übrig geblieben im Zeitalter des Missbrauchs anvertrauter Kinder, nach den xten Betrügereien derer, die eigentlich für die Volksgesundheit arbeiten sollten? Nur um einige wenige Beispiele zu streifen.

Gab es all diese "Ausfälle" früher auch schon? Vermutlich.
Liegt es also daran, dass "der moderne Mensch" informierter ist, mehr weiß (oder zu wissen glaubt)?
Und - wenn dem so ist - ist der moderne Mensch glücklicher mit den Erkenntnissen?
Oder eher verunsichert?
Was macht es mit uns, wenn wir peu à peu lernen müssen, dass unser Vertrauen missbraucht wird/wurde?
Was ist die Konsequenz daraus, dass wir nicht mehr wagen einem Anderen unser Vertrauen zu schenken?
 


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Bruny_K
Bruny_K
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von Bruny_K
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.02.2022, 20:40:00

Vertrauen muss man sich erarbeiten. Ich vertraue keinem Politiker aufgrund seiner Worte, bin dann eher positiv überrascht wenn er seinen Worten Taten folgen läßt und daran scheitert es dann meistens schon, denn meistens bleiben die Taten auf der Strecke.
Bruny
 

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von Der-Waldler

Ich bin im Privaten oft viel zu misstrauisch. Da hätte ich gerne etwas von der Arr, wie @olga64 sich beschrieb, denn ich bin schon sehr oft auf die Nase gefallen. Ich merke erst in den letzten 1-2 Jahren, dass ich zunehmend mein vertrauen verliere.

DW

jeweller
jeweller
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von jeweller
als Antwort auf Bruny_K vom 23.02.2022, 20:57:13

Bruny,
nachdem ich das 21 Lebensjahr erreicht hatte und mein eigenes Geld verdienen konnte, bin ich von keinem Staat mehr abhängig.
Ich zahle meine Steuern, das war es. Den Rest mach ich Privat.

Viel Spass in der Sonne und bleib gesund.
LG Hubert

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lupus
lupus
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von lupus
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.02.2022, 10:19:47

Ja ich kann viel der geschriebenen Meinung als nachvollziehbar und richtig empfinden jedoch ist der Aufhänger für mich ganz daneben.

Sollte de Maiziere verkünden dass er über den Mittelsmann Meier in der islamistischen Gruppierung des Müller erfahren hat dass Sprengstoff auf der Bundesstraße B111 ins Stadion transportiert werden soll.

Bei allem für das Vertrauen notwendigen Informationen für die Öffentlichkeit ( und für die Seiten ausfüllende Zunft) gibt es sinnvolle Grenzen.
 
lupus
RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Habt ihr noch Vertrauen? Ist so einfach nicht zu beantworten.
Im Krankenhaus liegen sie bei Ärzten, denen sie vertrauen. 
Dann kommt die Diagose: nicht mehr operierbar. 
Und dann geschiet es. Man will einen anderen Arzt, in ein anderes Krankenhaus, das Vertrauen ist plötzlich weg.
Wenn man dann am Tag vor der eigenen OP die heulenden Angehörigen sieht kann man froh sein, bereits wohlversorgt mit Medikamente aller Sorgen und Gedanken enhoben zu sein. 
Mit diesen Menschen mache dann Scharlatane und Händler von Zaubermedizin ihre Geschäfte. Man vertraut ihnen plötzlich mehr als dem Arzt. Würde früher nie passieren.
Aber sonst, wenn Fremde zu mir wollen dann wollen sie etwas von mir. Im wahrsten Sinn des Wortes. An meine Pflicht zu appellieren lässt sofort alle meine Warmlampen aufleuchten. 
     
       

ingo
ingo
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von ingo
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.02.2022, 10:19:47

Keine Ahnung, welche Lebenserfahrungen deer Autor gemacht hat; aber seinen Beitrag empfinde ich als rein persönlíche Erfahrung. Ich schließe mich seiner Meinung nicht an.

Mitglied_162e28b
Mitglied_162e28b
Mitglied

RE: Habt ihr noch Vertrauen? Oder hat sich da etwas verschoben?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Danke für eure Gedanken!

Was mich bekümmert, ist, dass das Vertrauen, das fest mit einer beruflichen/gesellschaftlichen Position verbunden zu sein schien (daher meine Erwähnung des Klerus, der medizinischen und pädagogischen Berufe) nicht (mehr ?) gerechtfertigt erscheint. Auch Institutionen wie die Polizei, die Bundeswehr, darf man in diesem Zusammenhng nicht aussen vor lassen.
Somit verschwinden für mich unersetzliche Grundfesten der Gesellschaftsordnung. Dieser Zustand lässt Menschen zurück, die nicht mehr wissen, was sie überhaupt voraussetzen dürfen, die verunsichert, wenn nicht sogar "haltlos" sind. Oft genug wird genau dieser Mangel an Halt kompensiert durch einen enormen Pessimismus, auch durch Wut und/oder Resignation. Destruktive Haltungen, die kaum noch Konstruktives hervorbringen können.
Genau das beschreibt der Verfasser des Artikels sehr eindringlich.

Klar, "Vertrauen muss man sich erarbeiten", @Bruny, daran ist sehr viel Wahres.
Doch gerade in der Politik leben viele Funktionsträger vom Vorschussvertrauen ihrer Wähler.
Wer kann denn die Qualitäten der politischen Kandidaten so genau einschätzen, die die diversen Parteien aufstellen? Sicher, man weiss in etwa, welche Meriten oder auch Verfehlungen sie in ihren Wahlkreisen, vorherigen Funktionen errungen bzw. zu verantworten haben, aber vieles bleibt im Ungefähren.  Der Wähler wählt meist "notgedrungen" den/die Kandidaten "seiner" Partei. Werden Politiker nach der ersten Legislaturperiode wieder aufgestellt, weiß man mehr, da kann man wohl eher von einer erarbeiteten Vertrauensbasis sprechen.
Ist man allerdings der Ansicht, dass man sein Vertrauen der falschen Person gegeben hat.... tja, dann beginnt das Spiel von vorne.

@Jolly Ja, Vertrauen in die Medizin, die Pharmazie.... das ist ein ganz spezielles Kapitel....
Gerade in den Fällen, in denen die Schulmedizin keine Lösung mehr hat, keine Heilung in Aussicht stellen kann, da wird es ganz, ganz eng.
Wie oft regiert dann die reine Verzweiflung und der Kopf wird ausgeschaltet. Man will an etwas glauben, der Bauch trifft die Entscheidung. Ich bin überzeugt davon, dass viele Menschen so etwas für sich ausschließen würden - in der Theorie. Je nach individuellem Empfinden trifft wohl mancher Patient, wenn er in so eine Situation kommt, völlig irrationale Entscheidungen. Da liegt wohl jeder Fall anders und ich traue es mir nicht zu, in so einer Grenzsituation richtig von falsch zu unterscheiden.

Das Vertrauen, das ein austherapierter Patient in Heilmethoden setzt, die von der Schulmedizin nicht anerkannt sind, ist für mich dann eher der Mut der Verzweiflung.

 


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